Kleid hervor und erlaubte der Frau, zum Fluss zu gehen und sich zu waschen. Danach wirkte die Frau wesentlich ansehnlicher und der Häuptling der Gruppe war mit der Entscheidung sehr zufrieden. Solange seine Frau den Säugling stillte, konnte er sich nicht zu ihr legen, da wäre die zweite Frau von Vorteil. Wasserlilie hatte wohl den gleichen Gedanken, denn sie sorgte dafür, dass die Gefangene gut behandelt wurde. Sie war jung und schien noch keine Kinder geboren zu haben. Es war zu früh, die Frau solche Dinge zu fragen, und so erkundigte sie sich nur nach dem Namen. „Pah-Sapat“, antworte die Frau schüchtern. „Mondfrau“, zeigte sie in Zeichensprache.
„Hanhepi-win!“, übersetzte Wasserlilie den Namen ins Lakota.
Sie würde dafür sorgen, dass die fremde Frau schnell die wahre Sprache lernte und eine gute Lakotafrau wurde.
Im Zelt von Krummes-Bein saß das Mädchen mit dem Baby auf dem Schoß an der Frauenseite des Zeltes und wartete voller Angst ab, was nun geschehen würde. Sie hatte die Schrecken nicht vergessen und fürchtete sich vor diesen Menschen. Eine ältere Frau, die wohl die Mutter des Kriegers war, schenkte dem Baby ein Lächeln und schäkerte mit ihm. Das Kind drückte das Gesicht in das Kleid des Mädchens und klagte leise.
Zum ersten Mal fiel dem Mann auf, dass es dem Kind schlecht ging. Er redete mit seiner Mutter, die ein erschrockenes Gesicht machte. Behutsam setzte sie sich zu den beiden und ließ sich mit einem freundlichen Lächeln das Kind geben. Der kleine Junge wollte nicht zu der fremden Person und wehrte sich. Trotzdem konnte die Frau sehen, dass das Kind einen Ausschlag am Po hatte und von entzündeten Insektenstichen geplagt wurde. „Eieiei …“, schimpfte sie leise vor sich hin. „Und das soll nun mein Enkelsohn sein? Der ist ja nur noch Haut und Knochen. Und sieh nur dieses dürre Mädchen. Wie soll so ein Schatten meine Schwiegertochter sein?“
Krummes-Bein lachte gut gelaunt, als er auf die beiden blickte. Er wusste auch nicht so genau, warum er sie in sein Zelt genommen hatte. Er hatte sich schon lange einen Sohn gewünscht, doch mit seiner Verletzung hatte er es nicht gewagt, um ein Mädchen zu werben. Wie sollte er eine Familie versorgen, wenn das Bein lahm blieb? Doch inzwischen hatte er sein Selbstvertrauen wiedergefunden und konnte daran denken, eine Familie zu gründen. Das Schicksal hatte offensichtlich anderes mit ihm vor, denn die beiden Ree waren ihm einfach in den Schoß gefallen. Das Mädchen war noch jung und völlig verschreckt, aber mit etwas Geduld würde sie eine gute Ehefrau werden.
„Kümmere dich bitte um die beiden. Der Weg war lang und beschwerlich. Wir hatten keine Zeit, Rücksicht auf die Gefangenen zu nehmen.“
„Ist das Baby der Bruder des Mädchens?“, fragte die Mutter.
Krummes-Bein schüttelte den Kopf. „Nein, ich rettete ihn aus dem Wasser. Dann gab ich ihn dem Mädchen, damit sie auf ihn aufpasst. Sie war gut zu ihm, also habe ich beschlossen, sie auch in mein Zelt zu nehmen. Sie wird meinen Kindern eine gute Mutter sein.“
Die Mutter blickte etwas skeptisch auf das Mädchen und nörgelte leise vor sich. „Eieiei … nur Haut und Knochen. Der muss ich erst einmal das Fett in der Suppe geben, damit sie etwas auf die Hüften bekommt. Und wie soll ich mit ihr reden? Sohn, hast du dir das überlegt?“
Krummes-Bein warf ihr einen strengen Blick zu und brachte sie damit zum Schweigen. „Sei froh, dass du nun eine Schwiegertochter hast, die sich um dich kümmert! Sie ist jung und kräftig. Was willst du überhaupt?“
„Nichts, nichts!“, wehrte die Mutter besänftigend ab. „Ich hole schnell Salbe für den Jungen. Außerdem braucht er etwas zu essen.“
„Sehr gute Idee!“, lobte Krummes-Bein die Initiative seiner Mutter. „Behandle die beiden gut, damit sie das Geschehene bald vergessen.“
Er streifte das Mädchen noch mit einem letzten Blick und verließ das Zelt, um mit den anderen den Sieg zu feiern. Er fühlte sich stark und empfand wieder die alte Kraft und Zuversicht, mit denen er den anderen Männern entgegentrat. Von einem Tag auf den anderen konnte er sich mit einem Sohn und einer Ehefrau rühmen. Das fühlte sich gut an.
Wambli-luta grinste breit, als Krummes-Bein zu ihm ins Zelt schlüpfte. „Bleibst du nicht bei deiner jungen Ehefrau?“
Auch Gebrochene-Lanze und Hübsche-Nase blickten interessiert hoch, als der entfernte Neffe sich auf einen freien Platz setzte.
Krummes-Bein winkte ab. „Hohch. Sie ist vielleicht noch zu jung, um das Lager mit ihr zu teilen. Sie wurde geraubt und hierher verschleppt. Das muss sie erst verkraften. Ich habe Zeit.“
Dies war kein Gespräch in Anwesenheit von Frauen und Kindern, denn es zeigte die andere Seite des Krieges. Ja, sie lebten mit dieser Gefahr, aber man redete nicht gern darüber. Die Mutter wedelte abwehrend mit der Hand vor dem Mund und schickte die Tochter aus dem Zelt. „Tochter, hol noch ein bisschen Holz herein.“
Gehorsam stand Anpao-win auf und huschte aus dem Zelt.
Wambli-luta nickte Krummes-Bein zu, dass er weitersprechen konnte.
„Ich werde warten, bis die beiden sich eingelebt haben. Der kleine Junge hat sich bereits an das Mädchen gewöhnt. Sie wird ihm eine gute Mutter sein.“
„Und seine wahre Mutter?“
„Sie wurde getötet. Ich rettete das Kind aus dem Wasser, sonst wäre es ertrunken. Ich mag so etwas nicht. Kinder sind nicht meine Feinde.“ Er zögert kurz. „Und Frauen auch nicht!“, ergänzte er.
„Das ist gut!“, stimmte Wambli-luta zu. Ein kurzes Schweigen entstand, dann erkundigte sich Wambli-luta nach dem Kind. „Wie heißt der Junge denn?“
Krummes-Bein schaute verblüfft hoch. „Ich weiß nicht!“, erklärte er ehrlich.
„Wählst du keinen Namen für ihn? Er ist doch nun dein Sohn?“
„Du hast recht!“
Krummes-Bein legte belustigt die Stirn in Falten. Er hatte noch nicht über einen Namen nachgedacht. Wie sollte er dieses kleine Bündel eigentlich nennen? Sollte der Name daran erinnern, wie er das Kind gefunden hatte? Fisch-im-Wasser oder Fällt-ins-Wasser? Er schloss die Augen und stellte sich den Jungen vor. Er sah, wie er stets die Augen wegdrehte, wenn man ihn ansah, oder sein Gesicht versteckte und dabei den Daumen in den Mund nahm. Der Junge war ein Baby, und man konnte noch nicht wirklich sagen, welche Persönlichkeit er entwickelte. Also durfte der Name auch nichts vorwegnehmen.
„Ich nenne ihn Wakpa-Hokshila, der Junge vom Fluss!“, erklärte er kurzentschlossen.
„Das ist ein guter Name!“, stimmte Wambli-luta zu. „Und deine Frau?“
Krummes-Bein zuckte etwas zusammen, denn er hatte noch gar nicht nach ihrem Namen gefragt. Er hob etwas ratlos die Schultern. „Ich weiß nicht!“
„Dann wähle doch einen Namen für sie“, schlug Gebrochene-Lanze vor.
Krummes-Bein schüttelte den Kopf. „Nein, ich werde sie fragen! Vielleicht gefällt mir ihr Name, dann muss ich ihr keinen suchen.“
„Hoh, die Ree haben seltsame Namen, die man sich nicht merken kann. Ihre Sprache ist ganz anders als unsere. Sie soll unsere Worte lernen, und nicht wir die ihren.“ Wambli-luta verzog verächtlich die Lippen. Für ihn käme es nicht in Frage, Worte in der anderen Sprache zu sprechen.
Krummes-Bein lächelte großzügig. „Vielleicht hat sie einen schönen Namen, für den es Worte in unserer Sprache gibt. Das werde ich ergründen.“
Alle lächelten freundlich, als Krummes-Bein aufstand und wieder in sein Tipi zurückging.
Die nächsten Tage fanden weitere Siegesfeiern statt. Die Menschen befanden sich in einem wahren Siegestaumel und fühlten sich unbesiegbar. Immer wieder mussten die Krieger von ihren Heldentaten berichten, und dabei wurden Unmengen an Essen verzehrt. Die Frauen tuschelten hinter der vorgehaltenen Hand über die einzelnen Krieger und warfen ihnen bewundernde Blicke zu. Abends fanden Tänze statt, an denen jeder sein prachtvollstes Gewand trug. Die Frauen standen meist am Rand der Tanzfläche und wippten auf und ab, um den Männern ihre Gunst zu zeigen. Sie trugen ihre Festgewänder und hatten sich