shote, als Sprecher von Mitutanka, ignorierte diese Ansprüche. Die Weißen hatten ihn zum Häuptling erklärt, nicht wissend, dass es diese Führungsrolle so nicht gab. Sie lösten damit Rivalitäten und Kämpfe um die Vormachtsstellung aus. Jeder wollte beweisen, dass er die besseren Beziehungen zu den Weißen hatte. Auch Schwarze-Katze hatte bereits Verhandlungen mit den Hidatsa und Arikara aufgenommen, weil er Lewis und Clark beim Aufbau eines amerikanischen Handelsnetzwerks helfen wollte. Ihre Feinde, besonders die Ojibwe, Cree und Tituwan handelten mit der Hudson‘s Bay Company – also war es gut, neue Verbündete zu finden.
Als die Menschen sich am Abend an dem großen Platz einfanden, saßen die Häuptlinge bereits mit Chouteau und Henry zusammen. Ein Métis-Händler stand aufmerksam neben den Sprechern, um zu übersetzen. Gespannt saßen die Männer in zwei großen Kreisen auf ihren Decken, während sich die Frauen und Kinder dahinter einfanden. Zuerst erzählte Sheheke shote von seinen Erlebnissen auf der langen Reise. „Der Große Weiße Vater in Washington hat mich zum Essen eingeladen. Er lebt in einem Haus, das viele Male größer als unsere Hütten ist, und es ist so gebaut, dass drei Hütten übereinander stehen, die man über Stufen erreicht! Von diesem Haus führen Wege aus Stein wie die Strahlen des Morgensterns in alle Richtungen.“
Ein ungläubiges Raunen ging durch die Menge, und die Menschen schüttelten die Köpfe. Drei Hütten konnte man nicht übereinander bauen. Das wusste doch jeder!
Unbeirrt sprach Sheheke shote weiter: „Ich durfte mit einer Kutsche fahren. Das ist ein seltsames Ding, das vier große Reifen aus festem Holz hat und von Pferden gezogen wird. Es ist sehr seltsam, darin zu reisen, denn man sitzt nicht am Boden.“
Die Menschen schwiegen verunsichert und zeigten kaum eine Reaktion. Zu fremd waren die Dinge, die er beschrieb. „Die Weißen bauen viele dieser großen Hütten. Sie haben Dörfer und Wege aus Stein, und sie sind so zahlreich, dass man sie nicht zählen kann. Ihre Dörfer und Felder bedecken den Boden, und sie arbeiten mit Werkzeugen aus Eisen. Es ist gut, wenn wir von ihnen lernen können. Ich habe so viel gesehen, was ich vorher noch nie erblickt habe! Es wird viele Abende dauern, davon zu berichten. Die Amerikaner sind ein mächtiges Volk, viel mächtiger als die Briten im Norden. Sie wollen mit uns Handel treiben und suchen den Frieden mit uns. Doch hört selbst die Worte unserer Freunde!“ Er machte eine großzügige Handbewegung und gab das Wort an Jean Chouteau weiter.
Das Gesicht von Schwarze-Katze blieb ausdruckslos, obwohl es eine klare Herabsetzung war. Chouteau merkte davon nichts und trat in seiner eindrucksvollen Uniform vor. Mit salbungsvollen Worte, die von dem Méti übersetzt wurden, sprach er von einem ewig währenden Frieden. „Wir sind Verbündete, und als Verbündete werden wir euch im Kampf gegen eure Feinde unterstützen!“, versprach er zum Schluss.
Zum ersten Mal erhob sich Schwarze-Katze. „Und wie sieht diese Unterstützung aus?“, fragte er. Wieder ging ein Raunen durch die Menge, denn die Frage klang eher nach einer Herausforderung.
Chouteau ließ sich nicht beirren. „Wir bringen euch Waffen, damit ihr euch besser verteidigen könnt. Wir werden ein Papier aufsetzen, das euch zu Freunden der Amerikaner macht. Seht das Zeichen unseres Bündnisses!“ Er wickelte eine amerikanische Flagge aus und überreichte sie Sheheke shote. Dann ließ er eine weitere Flagge kommen und übergab sie Schwarze-Katze. „Wenn dieses Symbol über euren Dörfern weht, dann wissen alle Stämme, dass ihr mit uns verbündet seid! Sie werden zum Handeln kommen, und ihr werdet wichtige Partner sein.“
Schwarze-Katze machte eine abfällige Handbewegung. „Es kamen schon vorher Menschen, die uns diese Fahnen brachten und uns den Handel versprachen. Die Hidatsa und Arikara werden kommen, aber die Tituwan werden ihr räuberisches Leben fortsetzen.“
Chouteau wartete auf die Übersetzung und nickte dann voller Verständnis. „Es wird Zeit brauchen, aber eines Tages werden auch diese Stämme merken, dass es besser ist, sich mit uns zu verbünden.“
Schwarze-Katze kniff die Lippen zusammen. „Wir werden sehen.“
Am nächsten Tag ließ sich Schwarze-Katze über den Fluss rudern, was eher ein schlechtes Zeichen war. Die Weißen verluden frische Vorräte und machten sich für den Aufbruch bereit. Sie wollten noch vor dem Winter weiter den Strom hinauf und einen guten Platz für einen Handelsposten finden.
Mato-wea beobachtete diese Tätigkeiten mit Genugtuung. Die vielen fremden Menschen verunsicherten sie. Sie wollte mit der Tante noch Pilze und letzte Beeren sammeln, doch die Frauen trauten sich ohne Begleitung nicht aus dem Dorf. Die fremden Männer boten den Mädchen hübsche Sachen an und verschwanden dann mit ihnen hinter irgendwelchen Büschen. Es war nicht verboten, aber Mato-wea verstand nicht, warum die Männer nicht wirklich um ein Mädchen warben. Sie wollte nicht angesprochen werden, weil sie nicht wusste, wie sie sich verständlich machen konnte. Selbst das Baden am Morgen erschien ihr lästig, denn die Weißen respektierten offensichtlich die Badeplätze der Frauen nicht und stellten sich ungeniert dazu, um sie zu beobachten.
Mato-wea hüllte sich stets in eine Decke und zeigte so, dass sie kein Interesse hatte.
Ihre Cousine zeigte sich da unbesorgter, aber sie galt ja auch noch als Kind. Mato-wea nahm sie und die beiden Kinder stets zum Baden mit, weil ihr das am sichersten erschien. Sie wusch die beiden Nackedeis, kämmte ihnen die kurzen Haare, legte ihrer Cousine die Haare in ordentliche Zöpfe und kehrte dann schnell mit ihnen ins Dorf zurück. In Begleitung der Kinder erschien sie diesen Fremden offensichtlich nicht begehrenswert.
Kurz vor der Abreise der Expedition erschallte erneut der Warnruf durch das Dorf und kündigte ein weiteres Boot an. Es war ein kleineres Boot, das von einigen Weißen gerudert wurde und keinen Aufbau hatte. Es kam aus westlicher Richtung stromabwärts, also aus der anderen Richtung als die Boote der Expedition von Chouteau und Henry.
Laute Rufe klangen über das Wasser, als die Weißen sich schon aus einiger Entfernung begrüßten. Mato-wea stand da und beobachtete verwundert, wie das Boot anlegte und die Männer sich um den Hals fielen und manchmal sogar auf beide Wangen küssten. So etwas hatte sie noch nie gesehen! Immer mehr Menschen trafen ein und schauten sich das Spektakel an, das dort stattfand. Ein junger Mann mit lockigem braunen Haar und einem leichten Bart schien der Anführer zu sein. Er reichte dem anderen Anführer die Hand, und die beiden gingen an Bord eines der größeren Boote. Es war unhöflich, denn eigentlich hätte der Ankömmling zuerst mit dem Häuptling sprechen müssen. Sheheke shote stand bereits vor dem Dorf und versammelte die Männer hinter sich. Schweigend standen nun alle da und warteten mit ausdruckslosen Gesichtern auf die Begrüßung. Die anderen Männer, die an Land gesprungen waren, stellten sich ihnen gegenüber, und eine gewisse Spannung entstand.
Mato-wea gesellte sich zu den Frauen und wartete ab, was nun geschehen würde. Flüsternd spekulierten sie über die Absichten der Fremden. „Ob diese da auch handeln wollen?“, fragte Sisohewea leise.
„Da sind keine Soldaten dabei!“, stellte Mato-wea fest. Es stimmte. Während die Expedition von Chouteau aus Soldaten, Voyageuren und Trappern bestand, steckten die Ankömmlinge nur in praktischer Lederkleidung. Mato-wea dagegen fand die Uniformen der Soldaten, die aus blauen Jacken und hellen Hosen bestand, viel schöner. Sie dachte, dass jeder einzelne ein Anführer wäre.
Der Anführer der Trapper kam nun in Begleitung von Jean Chouteau, Andrew Henry und dem Méti wieder von Bord. Gemeinsam schritten sie zum Häuptling und begrüßten ihn in der Sprache der Mandan. Der Méti entschuldigte sich für die Unhöflichkeit, erst untereinander gesprochen zu haben, und erklärte es damit, dass die beiden Anführer nach ihm gesucht hätten, damit ihre Worte sogleich übersetzt wurden. Sheheke shote lächelte verbindlich und nickte erfreut. „Es ist gut, wenn unsere Worte verstanden werden!“
Mit einer Handbewegung lud er die drei ein, ihm ins Dorf zu folgen. „Lasst uns rauchen und dann sprechen.“ Er sagte nichts zu den anderen, sodass diese am Ufer stehen blieben und sich erst einmal nicht ins Dorf trauten. Etwas verdattert schauten sie ihrem Anführer nach, der sich kurz umdrehte und mit Handzeichen das Signal gab, dass sie sich nicht rühren sollten.
Mato-wea kicherte leicht und blieb ebenfalls stehen, um die Trapper weiter zu beobachten. So eine seltsame Begrüßung hatte sie noch nie erlebt. Es war, als