und Arnel, deren Gesellschaft er sehr schätzte. Der jungen Männer redeten nicht viel und taten, was man ihnen sagte. Schweigend machte sich der Trupp am frühen Morgen auf, um die Umgebung nach Wild zu erkunden. Als sie bis zum Mittag immer noch nichts gefunden hatten, runzelte Pierre sorgenvoll die Stirn. Keine Spuren von Hirschen oder Bisons. Selbst Weißwedelhirsche und Gabelbockantilopen ließen sich nicht sehen. Es war nicht gut, wenn sie einzig und allein auf die Lieferungen von Indianern angewiesen waren. „Wir sollten ein paar Pferde eintauschen!“, stellte er fest.
„Vielleicht haben die Injuns hier alles weggejagt?“, überlegte Arnel.
Pierre nickte gedankenverloren. „Kann sein. Hier sind ja einige ihrer Dörfer. Aber ich wundere mich, dass hier keine Bisons sind.“
„Die kommen vielleicht später!“
Shorty spuckte einen Priem Kautabak auf den Boden. Er hatte eigentlich immer etwas im Mund. Wenn er keinen Priem in der Backe hatte, dann kaute er Jerky oder knabberte an einem Grashalm.
Pierre ließ seinen Blick über das Land schweifen und stützte sich auf seine Rifle. „Zum Fallenstellen müssen wir wohl ein ganzes Stück stromaufwärts und dort die kleinen Nebenflüsse absuchen.“
„Yep!“
„Lass uns zum Missouri zurückkehren, da erwischen wir wenigstens ein paar Enten.” Pierre raufte sich müde die Haare.
„Davon werden wir aber nicht satt! Wenn wir nicht auf ein paar Bisons stoßen, müssen wir Fleisch von den Indianern tauschen.” Für den schweigsamen Shorty war dies eine ziemlich lange Äußerung.
„Mit Pferden wird es besser!”, versprach Pierre. „Solange müssen wir halt angeln.” Es sollte wie ein Scherz klingen, aber in seiner Stimme lag eine gewisse Anspannung. Er wusste, dass die dreihundert Mann bald alle mitgebrachten Vorräte aufgebraucht hätten. Das war schlecht, denn die Expedition sah vor, dass sie sich selbst versorgten und Mehl und Mais erst im Winter erhielten. Hin und wieder schoss ein Trapper einen Hirsch, aber das reichte nicht für all die hungrigen Mäuler.
Sie kehrten tatsächlich ohne Jagdbeute zurück und berichteten über ihre Erfahrungen. „Wir sollten Pferde eintauschen, dann decken wir eine größere Umgebung ab.”
Lisa machte sich keine Sorgen. „Ach, bald kommen die Bisons, dann haben wir Fleisch genug! Ich schicke morgen einige Männer los, die Fleisch und Pferde von den Indianern eintauschen. Weiter südlich befindet sich ein Dorf der Minnitari des Südens – es wäre gut, wenn du sie begleitest!”
Pierre wackelte mit dem Kopf hin und her. „Warum tauschen wir nicht mit den Mandan? Wir könnten mit einer Barkasse dorthin fahren. Die waren uns doch bei der Herfahrt wohlgesonnen.”
Lisa lächelte. „Gute Idee. Ihr fahrt dort mit einer Barkasse hin, tauscht Fleisch und Vorräte und kommt dann wieder zurück.”
„Und die Pferde?”
„Ich verhandle mit dem Häuptling der Minnitari des Missouri. Wir werden schon ein paar Pferde bekommen.” Er machte eine beruhigende Handbewegung. „Alles klar?”, erkundigte er sich.
Pierre grinste. „Alles klar!”, antwortete er enthusiastisch. Er freute sich über den Auftrag, denn er kam seinen Wünschen entgegen: Er wollte noch etwas ganz anderes eintauschen! Er hoffte darauf, dass die Mandan seinen Wünschen eher entgegenkamen. „Vielleicht kommen ja auch bis dahin die Bisons“, meinte er, um von seinen wahren Gedanken abzulenken.
Lisa nickte. „Das wäre gut!
Sheheke shote
Spätsommer 1809 im Dorf der Mandan
Mato-wea erntete zusammen mit der Tante den Mais ihres kleinen Feldes. Auch auf den anderen Feldern waren Frauen zu sehen. Sie hatten den Maistanz getanzt und der Frau, die niemals stirbt und für alles Wachstum verantwortlich ist, für eine gute Ernte gedankt. Es war ein guter Sommer gewesen. Die erste Bisonjagd im Frühsommer hatte gutes Fleisch gebracht, und die Vorratsgruben waren schon gefüllt mit Bohnen und Kürbis; auch Beeren, wilde Zwiebeln und Prärierüben hatten die Frauen schon gesammelt. Der Mais würde ebenfalls helfen, den langen Winter gut zu überstehen. Mato-wea trug einen Korb aus Weiden am Rücken, in den sie die Kolben warf, die sie von den Stängeln brach. Ihre Cousine Sisohe-wea hütete im Dorf die Kinder. Es war zu gefährlich, die Kinder auf die Felder mitzunehmen. Zu leicht wären sie Opfer der vielen Überfälle der Feinde geworden. Zweimal waren sie schon angegriffen worden, sodass nun stets einige Krieger in der Nähe der Frauen blieben. Mato-wea schmerzte der Rücken, und sie streckte sich mit einem Seufzen.
Sie wollte gerade den nächsten Kolben brechen, als ein Wächter einen lauten Warnruf ausstieß. Sofort ließen die Frauen die Körbe vom Rücken rutschen und rannten zum Dorf zurück. Auch andere Frauen verließen fluchtartig die Felder. Dann blieben sie erstaunt stehen, als die Männer den Schutz der Palisaden verließen und in Richtung des Flusses schritten. Einige hatten ihre Waffen dabei, die anderen holten ihre Pferde und galoppierten sogar zum Wasser. Sie stießen laute Rufe aus und schienen jemanden begrüßen zu wollen.
Mato-wea folgte der Tante, die nun ebenfalls neugierig zum Ufer des Missouri ging. Dann blieb sie blinzelnd stehen, als die Sonne vom Wasser reflektiert wurde. Was sie dort sah, erstaunte sie zutiefst. Mehrere große Boote der weißen Händler näherten sich dem Ufer, und auf dem ersten stand aufrecht und in voller Pracht ihr Anführer, der vor drei Wintern mit den Weißen gegangen war, um den Großen Weißen Vater weit im Osten des Landes zu treffen. Sheheke shote, Weißer Kojote, war endlich zurückgekehrt! Er hatte immer noch seine langen Haare, aber ansonsten trug er den Anzug eines weißen Mannes. Stolz stand er da, hob grüßend sein Gewehr und genoss augenscheinlich die Aufregung, die seine Ankunft auslöste. Im Hintergrund des Häuptlings standen dessen Frau Gelber-Mais und sein Sohn, die beide ebenso die Kleidung der Weißen trugen.
Mato-wea schlug vor Staunen die Hand vor den Mund. Alle hatten geglaubt, dass Sheheke shote von Feinden getötet worden war. Ihn nun hier unversehrt zu sehen, bewies, dass er mächtige Schutzgeister hatte, die ihn beschützten. Gespannt verfolgte sie, wie die Boote anlegten und die Weißen an Land sprangen. Sie hatte dies schon einmal miterlebt, als vor drei Wintern der Mann, der sich „Clark“ nannte, zu ihnen gekommen war. Damals war sie noch ein Kind gewesen und hatte nur aus weiter Entfernung die Fremden beobachtet. Der Anblick dieser Männer war immer noch ungewohnt. Ihre fremdartige Kleidung, ihre Gesichter, ihr ungepflegtes Äußeres erschienen ihr eher abstoßend. Die Männer und Frauen der Mandan legten großen Wert auf ihr Erscheinungsbild. Die Haare waren gekämmt, und die Krieger schmückten sich ohnehin mit allerlei Zierrat und Federn. Die Weißen dagegen hatten strubbelige Haare, und manche trugen sogar Haare im Gesicht. Ihre Kleidung wirkte alt und zerschlissen, nur die Waffen schienen im guten Zustand zu sein. Was Mato-wea aber am meisten erstaunte, war die Tatsache, dass diese Männer stets ohne Frauen reisten. Wer flickte ihre Kleidung? Es war ja kein Wunder, wenn sie so zerrupft aussahen, denn wahrscheinlich mussten sie es selber tun. Überhaupt schienen nur die Anführer einen ordentlichen Eindruck zu vermitteln. Sie erkannte einen Mann, der ähnliche Kleidung trug wie damals Clark, der neben Sheheke shote stand. Auch er hatte einen seltsamen Hut auf dem Kopf. Seine Füße steckten in hohen Mokassins, und er hatte knappe Leggins an. Sie wusste inzwischen, dass die Weißen so etwas „Hosen“ nannten. Sie kicherte leicht, denn sie fand das Kleidungsstück sehr unpraktisch. Wie sollte denn der Mann sein Geschäft verrichten? Dazu musste er die Hose ja jedes Mal ausziehen.
„Warum lachst du?“, wunderte sich die Tante.
„Sieh mal, diese seltsamen Beinkleider … er muss sich ja immer entblößen, wenn sein Bauch ihn drückt.“
„Hasch!“, schimpfte die Tante. „Sei still. Was weißt du schon, was für diese Männer Sinn macht? Sie haben bestimmt ganz andere Sitten, und keiner weiß, welche Medizin sie schützt.“
Mato-wea verstummte und beobachtete, was weiter geschah. Einige Krieger waren an Bord der Boote geklettert und sahen sich dort neugierig um. Niemand hinderte sie daran, und die Krieger hoben stolz ihre Waffen, als