Arikara, von den Lakota verächtlich nur Ree genannt, erkannten, dass die Situation sich zu ihren Ungunsten veränderte. Dieses Dorf würde sich in ein Hornissennest verwandeln! Sie stutzten kurz, doch dieses Zögern reichte einem der Hunkpapa, um nach Wambli-luta zu greifen und ihn auf ein Pferd zu ziehen. Vor den Augen der Feinde stießen die Krieger ihre Kriegsschreie aus, drohten mit ihren Waffen und galoppierten mit dem Verwundeten davon. Die Arikara antworteten ebenfalls mit Kriegsrufen, sprangen dann aber auf ihre Ponys und suchten das Weite. Eine größere Schar wütender Krieger hängte sich an ihre Fersen, während die vier Männer mit Wambli-luta ins Dorf zurückkehrten.
Wambli-luta krallte sich haltsuchend an den Schultern des Mannes fest, der ihn zu sich auf das Pferd gezogen hatte. Ihm schwindelte, und er brauchte all seine Kraft, um nicht wieder vom Pferd zu rutschen. Hoh! Erst langsam wurde ihm bewusst, dass seine Freunde im letzten Augenblick gekommen waren. Er erkannte seinen Freund Thimahel-okile, der die Gruppe angeführt hatte. Als sie das Dorf erreichten, war er es, der ihm vorsichtig vom Pferd half. Wambli-luta musste sich auf ihn stützen, sonst wäre er zu Boden gestürzt. Menschen liefen zusammen, und er erkannte auch seine Großmutter. Die Erleichterung ließ ihn erneut wanken. Die beiden hatten es also geschafft! „Takoza!“, rief die Großmutter bestürzt, als sie die schlimmen Wunden sah. Enkelsohn!
Wambli-luta machte eine beruhigende Handbewegung. „Es ist nichts!“
Die umstehenden Männer fanden ihren Humor wieder. „Woh, seht diesen jungen Krieger! Er hat sich gegen zwanzig Feinde gestellt! Seht seinen Mut!“ Die Frauen trällerten ihr hohes Lililil und einige Jungen drängten näher heran, um den tapferen Krieger zu sehen.
Wambli-luta dagegen kämpfte mit seiner Schwäche, aber auch seiner Erleichterung. „Hoh, gut, dass ihr rechtzeitig gekommen seid!“, meinte er dankbar.
Thimahel-okile winkte großzügig ab. „Deine Großmutter meinte, dass du Ärger hast und vielleicht unsere Hilfe brauchst.“ Seine tiefliegenden Augen schmunzelten vergnügt.
„Ärger?“ Wambli-lutas Stimme wurde hoch vor Empörung. Nach Ärger hatte das nicht ausgesehen!
Thimahel-okile grinste amüsiert. „Anders kann man die Ree kaum bezeichnen!“
Oh, da hatte er natürlich recht. Wambli-luta nickte bestätigend und ließ sich dann von seinem Freund in sein Zelt führen. Erst als er aus den Augen der anderen war, zeigte er seine Erschöpfung und ließ sich auf sein Lager plumpsen. „Hohch!“, stöhnte er unterdrückt. Sofort beugte sich die Großmutter über ihn und begutachtete die Wunden. „Hunhunhe!“, äußerte sie besorgt. „Das sieht schlecht aus! Wir holen besser den Pezuta-Wakan.“
Wambli-luta schloss die Augen und überließ sich den fürsorglichen Händen der Großmutter. Er sah nicht, wie auch sein Vater sich neben ihn setzte und die Mutter erschrocken die Hand vor den Mund hielt. „Wo ist meine Schwester?“, flüsterte er matt.
Die Schwester näherte sich aus dem Hintergrund des Tipis und strich ihrem Bruder ganz kurz über die Wange. „Ich bin hier!“, flüsterte sie leise.
Wambli-luta lächelte, ohne die Augen zu öffnen. „Das ist gut!“ Dann verließen ihn die Sinne. Seine Träume waren wirr und manchmal auch schweißtreibend. Immer wieder tauchten der Fuchs und der Adler aus seiner Vision auf, die um das Kaninchen stritten. Dann schreckte er auf, als wilde Krieger mit seltsamen Zeichnungen im Gesicht auf ihn einstürmten und ihn mit ihren Messern verletzten. Am wildesten waren jedoch die Träume, die ein Mädchen der Miwatani ihm schickte: Sie starrte ihn aus schwarzen Augen an, hob dann abwehrend die Hand und schleuderte ihm plötzlich einen Blitz entgegen.
Wambli-luta schlief fast zwei Tage, ehe er wieder orientierungslos die Augen öffnete. Das Einzige, woran er sich erinnerte, war ein greller Blitz, der seine Augen geblendet hatte, aber er hatte nichts mit dem tatsächlichen Geschehen zu tun. Seine Wunden waren gut versorgt, ohne dass er wusste, wer sich darum gekümmert hatte. Der Speerstich pulsierte unangenehm, obwohl die anderen Wunden gut zu heilen schienen. Die Mutter saß bei ihm und sah ihn mit großen Augen an. „Bist du wieder bei uns?“
Wambli-lutas Stimme krächzte etwas, als er antwortete. „Ich bin bei euch.“
„Das ist gut. Wir dachten schon, dass die Geister dich holen würden. Du hast mit ihnen gesprochen.“ Ihre Stimme klang hell und ängstlich.
Er machte mit der Hand ein Zeichen, dass er Durst hatte, und sie führte eine Schale mit Wasser an seine Lippen. Sogleich führte er sich besser und versuchte sich aufzurichten. Die Mutter stoppte diesen Versuch mit einer energischen Handbewegung. „Bleib liegen. Die Wunden sind schwer!“
„Hohch!“ Er stöhnte unwillig. Er war doch kein Baby, das man in der Trage festband. „Ich will sitzen!“, murrte er uneinsichtig.
„Dann roll dich auf die Seite und richte dich etwas auf. Du darfst die Rippen nicht anstrengen!“, sagte die Mutter streng. „Sonst geht die Wunder wieder auf. Der Pezuta-Wakan musste sie nähen.“
„Hohch! Ich bin doch kein Fell, das man zunähen kann.“
Zum ersten Mal kicherte die Mutter erleichtert. Wenn ihr Sohn dermaßen meckern konnte, dann musste es ihm besser gehen. „Doch!“, widersprach sie forsch. „Du hast so eine lange Narbe!“ Mit ihren Händen zeigte sie die Länge der Verwundung. Dann holte sie sein Backrest, damit er sich dagegenlehnen konnte. Stöhnend fiel der Körper des Sohnes dagegen und er schloss die Augen, um das Schwindelgefühl zu vertreiben. „Huh!“, meinte er kurzatmig.
Die Mutter wartete einen Augenblick, dann reichte sie ihm eine Schüssel mit Essen. Hungrig löffelte der junge Mann das Essen in sich hinein, und die beiden schwiegen. Nachdem er seinen Hunger gestillt hatte, erkundigte er sich nach den feindlichen Kriegern. „Habt ihr diese Hunde erwischt?“
Die Mutter senkte traurig den Blick. „Es waren viele! Sie hatten sich in mehrere Gruppen aufgeteilt“, erzählte sie. „Unsere Krieger haben sie verfolgt, dabei wurden Schneller-Dachs und Hohes-Pferd getötet. Die Ree hatten es auf unsere Pferde abgesehen. Sie haben viele Pferde geraubt und dabei zwei Jungen getötet.“
„Hunhunhe!“ Wambli-luta senkte traurig den Blick. „Wen haben sie getötet?“
„Graue-Wolke und Rennt-immer. Springender Büffelstier konnte gerade noch entkommen. Sein Vater Thimahel-okile hat die beiden getöteten Jungen gefunden. Die Familien sind in großer Trauer!“
Wambli-luta schluckte schwer. Springender-Büffelstier war keine neun Winter alt! Seine Freunde waren etwas älter, aber viel zu jung, um von Feinden getötet zu werden. Sie hatten noch nie eine Bisonjagd oder einen Kriegszug begleiten dürfen. Er fühlte Hass in sich aufsteigen, als er an die Kinder dachte. „Wir werden sie rächen!“, schwor er mit bitterem Herzen.
„Thimahel-okile will einen großen Kriegszug gegen die Ree anführen“, erzählte Hübsche-Nase. „Sie wollen sich die Pferde zurückholen und die Gefallenen rächen.“
Wambli-luta nickte. „Wir werden sie finden!“, meinte er kaltblütig. „Wir wissen, wo ihre Dörfer sind, und unsere Pfeile werden in ihren Körpern stecken.“
„Erst musst du genesen!“, warnte die Mutter. „Und die Ältesten sagen, dass wir zuerst die Bisons jagen sollten. Dann sei Zeit für den Kampf.“
Wambli-luta schloss die Augen. Bisons! Im Moment würde er diese Aufgabe wohl dem Vater überlassen müssen. Er konnte weder den Bogen spannen noch sein Pony mit den Schenkeln lenken.
Es dauerte einige Tage, ehe er in der Lage war, wieder an den Versammlungen der Tokala teilzunehmen. Seine Freunde hatten ihn regelmäßig besucht und sich nach seinem Befinden erkundigt. Sein Mut hatte sich wie ein Lauffeuer verbreitet, und die Tokala waren stolz, einen solchen Krieger unter sich zu wissen. Er hatte ohne zu zögern sein Leben gegeben, um seine Großmutter und Schwester zu retten, und alle wussten, dass er diesen Einsatz auch bei allen anderen gezeigt hätte. Als er wieder laufen konnte, wurde ihm zu Ehren ein Festessen gegeben, und der Herold verkündete seine Heldentaten. Wambli-luta nahm die Ehrung gelassen hin, denn er hatte tatsächlich ohne groß zu überlegen gehandelt. Seine Dankbarkeit