kleine Mädchen hatte Tränen in den Augen und steckte den Daumen in den Mund. „Kommst du denn wieder?“, wollte es wissen.
„Bestimmt!“, meinte die Tante. „Sie kommt uns bestimmt besuchen.“
Mato-wea sah sie mit seltsamen Augen an. Es klang, als wäre es ein Abschied für immer.
Rache
Herbst 1809 bei den Tituwan
Wambli-luta blickte auf das Dorf der Palani, wie die Arikara von den Tituwan abwertend genannt wurden. Es gab auch andere Schimpfnamen für dieses Volk: Ree, Maisfresser … oder Erdlochbewohner. Die Tituwan sahen da keinen Unterschied zu den Mandan. Das Dorf der Feinde lag am Großen Schlammfluss, und eine einfache Palisade schützte es zur Landseite hin. Geringschätzig verzog Wambli-luta die Mundwinkel. Seine Wunden waren gut verheilt, und er gierte danach, es diesen Maisfressern heimzuzahlen! Sein Gesicht war gelb bemalt, und er trug nur einen einfachen Lendenschurz.
Die Arikara lebten ebenso wie Miwatani in Erdhäusern, deren Dächer über den Wall gut zu sehen waren. Im Überschwemmungsgebiet des Missouri lagen die Felder mit dem Mais, der kurz vor der Ernte stand. Mädchen und Kinder verjagten die Vögel, die sich bereits auf das Korn stürzten. Panik brach unter ihnen aus, als sie die herannahenden Reiter sahen. Wambli-luta ignorierte sie. Er hatte nicht vor, kleine Mädchen zu erschrecken! Er wollte den Kampf mit den Männern! Er sah auf Thimahel-okile, der den Kriegszug anführte. Dieser teilte die Männer in zwei Gruppen auf: Eine große Anzahl sollte unter Wambli-luta das Dorf angreifen, während er selbst die anderen Krieger zur Pferdeherde führen wollte. Sofort lösten sich einige jüngere Krieger, um den Frauen und Mädchen, die von den Feldern flohen, den Weg abzuschneiden. Sie erwischten zwei, die auf den entlegenen Feldern gearbeitet hatten, und töteten sie mitleidlos.
Ein Krieger erwischte ein Mädchen, das mit fliegenden Zöpfen vor ihm hergerannt war, und zog es zu sich auf das Pferd. Als sie sich wehrte, schlug er sie mit der Faust gegen die Schläfe, sodass sie in sich zusammensackte und wie leblos vor ihm auf dem Widerrist des Pferdes lag. Mit einem triumphierenden Schrei kehrte der Krieger um und galoppierte davon. Wambli-luta grinste breit, denn den Feinden die Frauen zu rauben, war eine gute Sache. Es nahm ihnen die Medizin und die Kraft.
Thimahel-okile befahl den Angriff, und auch Wambli-luta hob seine Keule und begann seinen Ritt gegen das Dorf. An die fünfzig Krieger folgten ihm, als er im halsbrecherischen Galopp den Hügel hinunterpreschte und gegen die Palisade ritt. Qualm stieg auf, als die Ree mit einer Salve aus ihren Gewehren antworteten. Sie richtete nicht viel Schaden an, denn einen Mann auf einem sich schnell bewegenden Pferd zu treffen, war reine Glückssache. Zwei Männer erlitten leichte Verletzungen, was sie aber nicht hinderte, den Angriff fortzusetzen. Sie schienen eher noch entschlossener zu sein und hieben ihren Ponys die Fersen in die Flanken. Das war auch sinnvoll, denn das Nachladen dauerte einen Augenblick. Wieder blitzte es auf, und neben Wambli-luta wurde ein Pferd getroffen. Der Reiter rollte über den Boden, rappelte sich auf und setzte den Angriff zu Fuß fort. Mit langen Sätzen erreichte er den Wall, kletterte hinüber und hieb auf den ersten Palani ein. Wambli-lutas Pferd setzte zum Sprung an und flog mit einem gewaltigen Satz über eine provisorische Stelle in der Palisade. Sie war hier nicht hoch. Immer in einigen Abständen waren Pfosten in den Boden gegraben worden, die einfach in den Zwischenräumen mit Ästen und Zweigen verstärkt worden waren. So etwas hielt vielleicht ein wildes Tier ab, aber sicherlich keine zu allem entschlossenen Angreifer.
Wambli-luta hieb mit seiner Steinkeule auf einen Mann ein, der sich ihm tapfer in den Weg stellte. Blut spritzte nach allen Seiten, dann brach der Mann wie vom Blitz getroffen zusammen und fiel zu Boden. Wambli-luta setzte seinen Angriff fort und preschte in das Dorf, in dem nun Frauen und Kinder schreiend die Flucht ergriffen. Einige versteckten sich in den Hütten, doch die Angreifer folgten ihnen und erschlugen sie mit ihren Keulen. Manchmal ließen sie Gnade walten, wenn ein Kind sich unter den Fellen oder Bettgestellen versteckte. Aber Frauen, die sich mit ihren Messern verteidigten, wurden ausnahmslos getötet. Die Tituwan wollten Rache für ihre getöteten Kinder und Männer. Es war schrecklich und glich in keiner Weise den ruhmhaften Heldentaten, die Wambli-luta sich vorgestellt hatte. Er konnte es nicht ändern, denn jeder Krieger tat, was ihm beliebte. Er dagegen suchte sich tapfere Männer als Gegner und erlaubte es, dass Frauen und Kinder fliehen konnten. „Wir kämpfen gegen Männer!“, rief er herausfordernd.
Inzwischen war es den Arikara gelungen, eine Verteidigungslinie innerhalb des Dorfes zu errichten. Sie gingen hinter zwei Erdhäusern in Deckung und kämpften mit dem Mut der Verzweiflung, um die Flucht der Frauen und Kinder zu decken. Das half zwar nicht denjenigen, die in den Hütten Zuflucht gesucht hatten, die nun von den Tituwan verwüstet wurden, doch die anderen hatten inzwischen den Missouri erreicht und retteten sich in ihren Bullbooten oder schwimmend an das andere Ufer. Einige Krieger gingen dort in Stellung und verhinderten, dass die Tituwan ihnen über den Fluss folgten. Nicht alle schafften es, denn die Krieger erreichten eines der Boote und hieben auf die Menschen darin ein. Eine Frau schrie gellend, als ihr Baby ins Wasser fiel und fast unter die Hufe eines Pferdes kam. Zwei weitere Kinder kippten mit dem Boot um und trieben hilflos im Wasser. Die Krieger töteten die Frau, dann griff einer nach dem Baby und zog es aus dem Wasser. Nach einem prüfenden Blick galoppierte er mit dem Kind im Arm davon. Die beiden anderen Kinder tauchten immer wieder unter, als sie paddelnd versuchten, das andere Ufer zu erreichen. Es war weit, und dazwischen hatte der Missouri eine größere Strömung. Die Kinder wurden schneller und trieben weiter ab, sodass sie aus der Kampfzone getragen wurden. Immer wieder wurden sie unter Wasser gedrückt, bis sie schließlich ganz in den schlammigen Fluten verschwanden. Vom anderen Ufer stürzte sich schließlich ein Mann ins Wasser und versuchte von dort die Kinder zu erreichen. Er schaffte es, eines an die Wasseroberfläche zu ziehen, doch das andere Kind blieb verschwunden. Die Tituwan ritten herbei, doch ihre Pfeile und Schüsse richteten keinen Schaden mehr an. Sie riefen Schmährufe und Beleidigungen gegen die Männer auf der anderen Seite, die von ebensolchen Rufen beantwortet wurden.
Im Dorf ging der ungleiche Kampf weiter. Einige Hütten waren überrannt und die Menschen darin niedergemetzelt worden. Die meisten Hütten lagen völlig in der Hand der Tituwan, die diese Überlegenheit gänzlich ausnutzten. Aus einer drang Wehklagen, als ein Krieger ein junges Mädchen unter einigen Fellen hervorzerrte und schließlich mit gefesselten Händen hinausführte.Eine ältere Frau war vor ihren Augen erschlagen worden, sodass ihr Klagen geradezu hysterisch wurde. Die Augen des Mädchens waren groß vor Angst und Pein, als sie zu den anderen Gefangenen gestoßen wurde, die mit Schlägen und Tritten vorwärtsgetrieben wurden. Ein Krieger ritt heran und drückte einem Mädchen ein Kind in die Arme, das er wohl mitnehmen wollte. Zwei Männer trieben die Gefangenen zur Eile an und verließen mit ihnen das Dorf. Die Krieger der Palani machten verzweifelte Anstalten, ihre Angehörigen zu befreien, aber die Tituwan ließen sie nicht durch. Immer wieder fielen Schüsse, und die Kriegsschreie nahmen nicht ab. Jeder Krieger wollte sich nach dem Kampf mit seinen Taten brüsten, und so ging der Kampf mit rücksichtsloser Härte weiter.
Wambli-luta verließ mit einigen Kriegern das Dorf und wandte sich einem weiteren Ziel des Angriffs zu: der Pferdeherde. Die meisten Tituwan hatten das Dorf längst verlassen und sich weiter stromaufwärts begeben, wo sich die Pferdeherde befand. Dort war unter der Führung von Thimahel-okile ein heftiger Kampf entbrannt, denn die Arikara versuchten, die Herde in Sicherheit zu bringen. Ein Teil schwamm bereits über den Missouri, doch die anderen Tiere waren von der Herde abgeschnitten worden. Die Ree kämpften verzweifelt gegen die Übermacht, die über sie herfiel, dann versuchten sie ihr Heil in der Flucht. Unter den triumphierenden Rufen der Tituwan zogen sie sich zurück und überließen die restlichen Tiere den Feinden. Wambli-luta war einer der Letzten, die noch am Ufer standen und ihre Pfeile den Fliehenden hinterherschickten. Er traf einen Krieger in den Rücken, dann wendete er das Pferd und galoppierte neben den anderen Männern her. Mit Rufen und Schreien trieben sie die erbeuteten Tiere vor sich her, die mit angelegten Ohren und rollenden Augen über die Prärie jagten. Was für ein Raub!
Wambli-luta fühlte, wie sein Blut durch die Adern rauschte und er sich in dem Gefühl des Sieges sonnte. Hokahey! Was für ein Sieg! Die Tituwan würden noch lange Lieder über diesen Sieg singen! An seiner