Edlen Wahrheiten sprechen: die Wahrheit des Leids, die Wahrheit des Ursprungs des Leids, die Wahrheit der Beseitigung des Leids und die Wahrheit des Weges. Im zweiten Teil werde ich besonders auf den Weg des Mahayana eingehen. Diese Unterweisungen werden nicht akademischer Natur sein, sondern auf jenen Aspekten des Dharma beruhen, die für die meisten von uns hier von größtem Nutzen sind. Das ist alles, was ich einleitend sagen möchte.
Bildseiten
Buddha Schakyamuni
Der Gründer des Buddhismus. Diese Statue ist die zentrale Figur des Haupttempels von Rabten Choeling.
Dsche Tsongkhapa
Ein Händler, der ein Schüler von Dsche Tsongkhapa war, fand in wundersamer Weise eine Statue seines Lehrers in einem See. Von dieser Statue liess er eine Gußform herstellen, die Dsche Tsongkhapa selbst segnete und die Worte sprach: ,,Oh Händler, das ist eine heilsame Handlung.” Seit dann sind Statuen aus dieser Gußform, wie auf diesem Bild gezeigt, als Tsong Poen Geleg (Heilsamer Händler) bekannt. Es gibt nur wenige dieser Statuen, die in Tibet sehr verehrt werden.
Ehrwürdiger Gesche Rabten Rinpotsche
Ehrwürdiger Rabten Tulku Rinpotsche
Die Wiedergeburt des Ehrw. Gesche Rabten Rinpotsche, geboren 1987 in Nordindien. Zur Zeit lebt er in der Schweiz unter der Fürsorge des Ehrw. Gonsar Rinpotsche.
Glück und Leid
Alle Lebewesen auf dieser Welt sind ständig mit körperlichen, sprachlichen und geistigen Tätigkeiten beschäftigt. Alle diese Tätigkeiten sind darauf ausgerichtet, Glück zu erlangen und Leid zu vermeiden, denn wir suchen immer nach dem, was angenehm ist, und möchten vermeiden, was unangenehm ist. Glück behagt uns, und Leid ist das, was uns Unbehagen verursacht. Alle Wesen wünschen Leid zu vermeiden. Daß menschliche Wesen Leid zu vermeiden wünschen, ist ganz offensichtlich, und wenn wir einen frierenden, nassen Hund sehen, der vor dem Regen draußen an ein warmes Feuer flüchten will, erkennen wir, daß auch Tiere dieses Verlangen haben. Ungeachtet unserer ethnischen Herkunft oder unserer gesellschaftlichen Stellung wünschen wir alle, Leid zu vermeiden, und unternehmen zu diesem Zweck große Anstrengungen.
Das Gegenteil trifft auf das Glück zu. Sowohl kleine wie auch große Tiere suchen, was angenehm ist, sei es etwas zu fressen, zu trinken oder einen behaglichen Unterschlupf. Das ist leicht verständlich und uns allen klar. Dasselbe trifft auf menschliche Wesen zu. Wir suchen so viel Glück wie möglich. Doch wenn wir es erlangen, wollen wir noch mehr. Und wenn wir mehr bekommen haben, bleibt in uns ein ungestilltes Verlangen nach weiteren befriedigenden Erfahrungen ohne Ende. Was immer wir auch erreichen, wir wollen mehr und sind nie zufrieden. Daran können wir erkennen, daß alle unsere Beschäftigungen und weltlichen Angelegenheiten von einem oder von beiden dieser zwei Faktoren motiviert sind, dem Wunsch nach Glück und dem Wunsch, Leid zu vermeiden. Auch wenn dies Ihnen allen klar sein mag, ist es doch sehr wichtig, immer wieder darüber nachzudenken, um Ihr Verständnis zu vertiefen.
Die drei Arten von Leid
Es gibt viele Arten von Leid, und wenn wir tiefer darüber nachdenken, sehen wir, daß sie in drei Arten eingeteilt werden können. Die erste Art ist das Leid, das alle Wesen als solches erkennen. Die zweite und dritte Art sind viel schwieriger zu verstehen.
1 Leid der Schmerzen
Die erste Art von Leid wird als Leid der Schmerzen bezeichnet oder als offensichtliches Leid. Das ist uns allen deutlich – unsere körperlichen Schmerzen wie Krankheit, Knochenbrüche, Krebs und Herzanfälle zum Beispiel, und unsere geistigen Schwierigkeiten – Sorgen, Enttäuschung, Kummer und Angst. Wir alle können solche Erfahrungen als Leid erkennen, und es ist diese Art von Leid, die wir ständig zu vermeiden und zu beseitigen versuchen. Tiere versuchen ebenfalls, ihm zu entrinnen, aber in dieser Hinsicht sind die Menschen überlegen. Aufgrund ihrer Fähigkeit zu denken und zu folgern haben sie viel raffiniertere Mittel ersonnen, um Leid zu erleichtern. Ein Tier mag fähig sein, augenblickliches Leid zu hemmen, aber es ist unfähig, Vorkehrungen zu treffen, um Leid in der Zukunft zu vermeiden. Menschliche Wesen verfügen über diese Fähigkeit, zu denken und vorauszuplanen. Wenn wir das erkennen, müssen wir uns bemühen, diese Möglichkeit voll auszuschöpfen und unseren Geist mit allen seinen Fähigkeiten einzusetzen.
Wozu sollen wir unseren Geist benützen? Wir werden ihn dazu benützen, Leid zu beseitigen. Nicht nur unser gegenwärtiges Leid, sondern auch das, das sonst in der Zukunft entstehen könnte, in diesem Leben und in zukünftigen. Es gibt Zeiten in unserem Leben, in denen unser Leid aufzuhören oder nachzulassen scheint, wie zum Beispiel, wenn wir zum Arzt gehen und von einer Krankheit geheilt werden, aber auf diese Weise kann Leid nicht für immer ausgemerzt werden. Wenn wir es ganz entwurzeln möchten, müssen wir Dharma anwenden. Leben wir weiterhin so wie in der Vergangenheit, dann gibt es keine Möglichkeit, Leid zu beenden. Es mag zeitweise abnehmen oder subtiler werden, aber es verschwindet nicht und wird uns nur einen vorübergehenden Aufschub gewähren. Selbst wenn wir frei von körperlichen Krankheiten sind, werden wir oft von geistiger Unruhe gequält. Wenn nicht durch unseren Körper, dann sind wir durch unseren Geist in diesem Netz von Sorgen gefangen. Das sollte uns allen klar sein. Unsere Hoffnung liegt in der Tatsache, daß wir Leid vollständig zerstören können, indem wir unseren Geist benützen und ihn entwickeln.
Von den beiden Arten von Leid, dem körperlichen und dem geistigen, ist es für uns viel wichtiger, das geistige zu beseitigen. Denn geistiges Leid ist schwerer zu ertragen. Auf die gleiche Weise ist geistiges Glück viel dauerhafter und stärker als körperliches Wohlbefinden. Aus diesem Grund steht der Geist in der Anwendung von Dharma an erster Stelle. Erfährt jemand geistigen Schmerz, dann wird er sich auch in der allerschönsten Umgebung elend fühlen. Das sollte uns aus unserer eigenen Erfahrung klar sein. Wenn man dagegen einen friedlichen und ausgeglichenen Geist hat und körperliche Härte und Not erfährt, ist es viel leichter zu ertragen, und zwar weil der Geist zufrieden ist. Deshalb ist es wichtig, daß wir geistiges Leid beseitigen und Frieden im Geist erlangen. Da es mit Hilfe des Dharma möglich ist, dies zustande zu bringen, können wir also durch die Anwendung von Dharma glücklich werden und allem Leid ein Ende setzen.
Um dies klarer zu verstehen, können wir folgendes Bild verwenden. Auch wenn eine Person unermeßlich reich ist, solange ihr Geist nicht ruhig und glücklich ist, wird sie nie wirklich zufrieden sein. Ein vertrautes Beispiel sind Leute in politischen Machtpositionen. Ein Mann oder eine Frau mag Präsident oder Premierminister werden und von vielen geachtet und geehrt werden. Aber es wird für sie außerordentlich schwierig sein, sich wirklicher geistiger Ruhe zu erfreuen, solange sie sich mit Politik beschäftigen. So kann es sein, daß trotz der Autorität, die sie vorübergehend innehaben mögen, trotz ihres Reichtums, ihr Geist ruhelos bleibt. Wenn wir darüber nachdenken, wird uns die Bedeutung klar. Dagegen wird eine Person mit einem glücklichen und ruhigen Geist, auch wenn sie nicht genügend Nahrung und Kleidung hat, trotz solcher Schwierigkeiten glücklich sein.
Wir wenden Dharma an, um Leid zu beseitigen und um Glück zu erlangen, um geistigen Schmerz zu beenden und geistiges Wohlbehagen zu erreichen. Das Dharma ist das einzige Mittel, mit dem dieses Ziel verwirklicht werden kann. Die erste Art des Leids, das Leid der Schmerzen, sollte jetzt klar sein. Es bezieht sich auf körperliches und geistiges Leid, auf Krankheit, Hunger, Durst, Depression, Verzweiflung und so weiter. Sie alle haben solches Leid erfahren, und so ist es nicht nötig, näher darauf einzugehen.
2 Leid der Veränderung
Die zweite Art von Leid ist schwieriger zu verstehen. Sie wird Leid der Veränderung genannt und ist das, was im allgemeinen als Glück betrachtet wird. Wir mögen zwar denken, daß das, was wir gewöhnlich Glück nennen, tatsächlich Glück ist, in Wirklichkeit ist es jedoch nicht ein Zustand dauernden und beständigen Glücks. Wenn das, was wir Glück nennen, wirklich Glück wäre, müßten wir es unendlich lange Zeit genießen können. Es würde sich nie verändern, und wir könnten immer in demselben glücklichen Zustand bleiben. Aber wir wissen aus unserer eigenen Erfahrung, daß es nie anhält. Langsam ändern sich die Umstände, und unser Glück verschwindet, und statt dessen bleiben wir in einem Zustand von Gleichgültigkeit oder