Gesche Rabten

Schatz des Dharma


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das Wetter zu genießen und natürlich, um glücklich zu sein. Das betrachten sie alle als wirkliches Glück. Aber wenn wir so denken, überlegen wir falsch. Es ist wahr, daß wir uns, wenn wir an unserem Lieblingsferienort ankommen, für eine Weile ganz glücklich und zufrieden fühlen können. Aber wenn wir gezwungen wären, für unbestimmte Zeit in dieser Situation zu bleiben, würde sich unser Glück langsam in Niedergeschlagenheit verwandeln, und aus Unzufriedenheit und Langeweile heraus würden wir uns danach sehnen, woanders hinzugehen. Bei manchen würde diese Unrast als eine Folge körperlicher Mühsal entstehen, und sie würden beginnen, die Bequemlichkeiten daheim zu vermissen. Bei anderen wäre die Unzufriedenheit geistiger Art. Sie würden sich rastlos und gelangweilt fühlen und etwas anderes unternehmen wollen. Auf die eine oder andere Weise würde das Glück abnehmen und sich schließlich in das Gegenteil verwandeln. Wenn es wahres Glück wäre, müßte es unbegrenzt fortdauern und immer befriedigender werden. Daher wird diese Art von Leid als Leid der Veränderung bezeichnet. Zuerst ist das, was wir erfahren, angenehm und erfreulich, doch im Lauf der Zeit verwandelt es sich schließlich in Unzufriedenheit.

      Wenn es uns an einem Hochsommernachmittag wie diesem zu heiß ist und wir uns nicht wohl fühlen, denken wir daran, wie schön es wäre, unten am See zu sein, und wir sind unglücklich, weil wir nicht dorthin gehen können. Und wenn wir zum See gingen und in das kühle, erfrischende Wasser untertauchen könnten, wäre es für eine Weile angenehm. Müßten wir aber eine oder zwei Stunden im See bleiben, würde das bald zur Quelle wirklichen Leids werden. Dieses gleiche Prinzip gilt für Besitz, Reichtum, gesellschaftliche Stellung und so weiter. Wenn wir diese Dinge nicht haben, sehnen wir uns sehr danach und sind überzeugt, daß sie die wirkliche Ursache wahren Glücks sind. Aber auch wenn wir tatsächlich erlangen, was wir wünschen, und eine kurze Zeit der Befriedigung erleben, scheint oft etwas schiefzugehen, und bald beginnen wir, uns zu ärgern und mit unserem Glück unzufrieden zu sein. Früher oder später wird es zur Quelle von Leid. Ich übertreibe das nicht. Wenn Sie Ihre eigenen Erfahrungen im Leben ins Gedächtnis zurückrufen und tief darüber nachdenken, werden Sie selbst sehen, daß es so ist.

      Bis jetzt haben wir alle das, was wir Glück nennen, als wahres und beständiges Glück betrachtet und endlose Stunden damit verbracht, ihm nachzujagen. Jeder kann die erste Art des Leids verstehen; es ist ganz offensichtlich. Aber es bedarf gründlichen Nachdenkens und Überlegens im Licht von Dharma-Unterweisungen, um zu erkennen, daß die zweite Art von Leid, das Leid der Veränderung, das wir für gewöhnlich als Glück betrachten, ebenfalls eine Art von Leid ist.

      3 Umfassendes Leid

      Die dritte Art von Leid ist noch schwerer zu verstehen. Sie wird umfassendes Leid genannt oder das Leid, das unserem Körper und Geist, den Aggregaten, innewohnt. Tatsächlich ist verhältnismäßig leicht zu erkennen, daß das, was wir gewöhnlich Glück nennen, nicht etwas Beständiges und Dauerhaftes ist, sondern sich schnell verändert und sich leicht in Schmerz verwandeln kann. Aber zu verstehen, daß unser Körper und unser Geist, daß alles, was unsere Persönlichkeit ausmacht, von Leid durchdrungen ist, ist viel schwieriger. Wenn wir zum Beispiel eine Verletzung an unserem Arm haben und Salbe auftragen, läßt der Schmerz nach, und eine angenehme Empfindung entsteht. Wenn wir dagegen auf die Wunde schlagen oder Salz darauf streuen, verursacht das sehr großen Schmerz. Die Verletzung ist die Grundlage, auf der die beiden Empfindungen, das Vergnügen und der Schmerz, entstehen. Ihre eigentliche Natur ist Leid, aber wir spüren nichts, bis ein äußerer Faktor dazukommt, der eine angenehme oder unangenehme Reaktion hervorruft. Der Schlag auf die Wunde ist ein Beispiel für das Leid der Schmerzen. Wenn wir die Verletzung mit Salbe behandeln und ein angenehmes Gefühl entsteht, ist das ein Beispiel für das Leid der Veränderung. Wenn wir die Wunde einfach nicht beachten und weder Vergnügen noch Schmerz empfinden, veranschaulicht dies das umfassende Leid, weil die Verletzung in ihrer eigentlichen Natur Leid ist.

      Das ist eine kurze Erklärung der drei Arten von Leid. Alles in allem läßt sich über unsere Situation sagen, daß wir ständig mehr oder weniger Leid erfahren. Es ist immer gegenwärtig in unserem Leben und durchdringt unser ganzes Sein. Sie sollten über diese Tatsache tief nachdenken. Wenn es keine Möglichkeit gäbe, solches Leid zu beseitigen, hätte es keinen Sinn, daß Sie hierhergekommen sind. Tatsächlich gibt es aber eine Möglichkeit, es zu beseitigen, und jeder von uns ist dazu fähig. Die Methode liegt in uns selbst. Sie besteht im wesentlichen aus dem richtigen Gebrauch der Urteils- und Denkfähigkeit unseres Geistes. Es ist nicht etwas, das wir von anderen bekommen oder in einem Fachgeschäft kaufen können. Das wäre etwas anderes. Wer wir auch sein mögen, wir haben diese Fähigkeit. Jeder ist fähig, sich aus der Herrschaft des Leids zu befreien und es vollständig zu beseitigen, ganz gleich, ob er reich oder arm, jung oder alt, Mann oder Frau ist. Die Methode besteht darin, unseren Geist für die Anwendung von Dharma zu benützen. Dazu müssen wir zuerst Kontrolle über unseren Geist gewinnen und dadurch Selbstbestimmung darüber erlangen, wie wir ihn gebrauchen. Gegenwärtig ist es, als sei unser Geist außer Kontrolle – er denkt, was er will, ohne daß wir ihn wirklich beherrschen und lenken können. Wir brauchen ihn nur ein paar Augenblicke lang zu beobachten, um zu sehen, wie wahr das ist. Mit Hilfe unserer Anwendung des Dharma versuchen wir, unseren Geist unter Kontrolle zu bringen und seiner Herr zu werden. Zur Zeit ähnelt unser Geist einem wilden Elefanten, der beim geringsten Anlaß durchgeht und eine Gefahr für uns selbst und für andere ist. Aber dieser wilde Elefant ist nicht ganz außerhalb unserer Kontrolle. Wir können ihn einfangen, zähmen, und schließlich wird er unser Diener werden, der uns in der Anwendung des Dharma hilft. Wir werden sein Meister werden und ihn führen und lenken, wie wir es wünschen.

      Die Methode, um Herrschaft über den Geist zu gewinnen, ist Meditation. Wenn wir genügend Zeit hätten, würde ich Ihnen alle Stufen in der Anwendung von Meditation ausführlich erklären, und danach könnten Sie darangehen, sie anzuwenden. Da unsere Zeit jedoch begrenzt ist, werde ich Sie eine Meditationstechnik lehren, und dann werden wir sie üben. Später werde ich Sie noch eine lehren, und wir werden wieder meditieren. Auf diese Weise kann ich Ihnen mehrere Meditationsanwendungen erklären, und Sie können diejenigen benützen, die Sie für Ihre Entwicklung am hilfreichsten finden.

      Die Meditationshaltung

      Meditation ist ein Mittel, um den Geist unter Kontrolle zu bringen, ihn zu zähmen und schließlich umzuwandeln, so daß die nötige Freiheit erreicht werden kann, die es ermöglicht, Leid zu beseitigen. Die am besten geeignete Meditationshaltung ist diejenige, die als voller Lotussitz bekannt ist. Wenn es Ihnen schwerfällt, auf diese Weise zu sitzen, genügt auch der halbe Lotussitz. Die Hauptsache ist, bequem zu sitzen, sei es auf dem Boden oder auf einem Stuhl. Wenn wir versuchen, in einer bestimmten Haltung zu sitzen und Schmerzen in den Beinen und Knien spüren und es uns unmöglich ist, ruhig zu sitzen, ist unsere Meditationssitzung vergeudet, und das einzige, woran wir denken, sind unsere Schmerzen.

      Die Hände sollten in der Höhe des Nabels liegen, die rechte in der Innenfläche der linken, wobei die Daumen zusammen mit den Handflächen ein Dreieck bilden. Falls Sie Schwierigkeiten haben, die Hände längere Zeit in dieser Stellung zu behalten, können Sie ein kleines Kissen als Stütze unterlegen. Die Arme sollten in einem leichten Abstand vom Körper gehalten werden, damit die Luft besser zirkulieren kann. Die Schultern sollten aufrecht sein, die Wirbelsäule gerade. Der Kopf sollte leicht nach vorn geneigt sein. Sie sollten Ihren Augen nicht erlauben zu wandern, sondern sie entspannt und halb geschlossen ungefähr zu Ihrem Schoß hin richten. Wenn Sie versuchen, den Blick auf die Nasenspitze zu lenken, werden Sie ermüden, und die Augen werden zu schmerzen beginnen. Die Zunge sollte leicht am Gaumen liegen, Mund und Zähne sollten in einer natürlichen Stellung sein.

      Der Grund für diese Sitzhaltung ist, daß man bei längeren Meditationen dazu neigt, den Körper zu vergessen, und diese Stellung einem erlaubt, bequem aufrecht zu bleiben, ohne eine bewußte Anstrengung machen zu müssen. Die Tatsache, daß sich der Nabel innerhalb des aus den bogenförmigen Daumen und der Handfläche der rechten Hand geformten Dreiecks befindet, wird bei zukünftigen Anwendungen nützlich sein. Der Körper wird aufrecht gehalten, damit die Kanäle im Körper gerade sind und das Luftelement, das in ihnen zirkuliert, frei durch sie hindurchströmen kann. Wenn wir richtig atmen und das Luftelement einwandfrei durch die Kanäle fließen kann, wird unser Geist klarer, und unsere Meditation wird entsprechend gewinnen. Der