Astrid Lehmann

Tradition und Leidenschaft – Handwerkskünstler im Schwarzwald


Скачать книгу

image

      Die Idee, Dächer und Hausfassaden mit den isolierenden und wetterfesten Schindeln zu bedecken, gab es schon vor Jahrtausenden. Im Schwarzwald wurden früher vor allem in den Höhenlagen des Schwarzwalds, in denen Stroh nicht ausreichend zur Verfügung stand, die großen Dächer, aber auch die Hausfassaden der Schwarzwaldhöfe mit Holzschindeln bedeckt. Schließlich wächst der Rohstoff direkt vor der Haustür. Einst wurden die Schindeln im Winter von den Bauern selbst hergestellt. So war es auch bei Ernsts Großvater, der die Schindeln in der Stube für den Eigengebrauch schnitzte.

image image

      Heute werden Schindeln im großen Stil industriell produziert und gesägt. Die Fasern rauen dadurch auf und saugen das Regenwasser auf. Auch kommen viele Schindeln aus Osteuropa und noch ganz anderen fernen Ländern. »Dabei haben wir vor Ort wunderbares Holz« – Ernst hält kurz beim Abziehen inne. Da das traditionelle Herstellen jedoch zeitaufwendig ist, experimentiert Ernst momentan an einer teilmaschinell hergestellten Schindel, aus heimischer Weißtanne natürlich. Wer weiß, vielleicht kommen so in Zukunft mehr Menschen in den Genuss einer Schwarzwaldschindel. Ihm ist die Wertschätzung des einzigartigen Mittelgebirges mit seinen Baumschätzen sehr wichtig. Die Kunst des Schindelmachens beherrschen heute nur noch sehr wenige Handwerker. Ihm schwebt vor, in einigen Jahren Kurse anzubieten, damit das Schwarzwälder Traditionshandwerk bewahrt wird und möglichst viele Menschen die Kunst des Schindelmachens schätzen lernen. Doch vorerst warten noch viele Dächer und Hausfassaden auf Ernsts handwerklich hergestellte Schindeln, damit ein weiteres hölzernes Wetterkleid einen Schwarzwaldhof schmückt und ihn so vor Wind und Wetter schützt.

      Kontakt

       Firma Karle

      Ernst Karle

      Oberhäuserstraße 26a

      79674 Muggenbrunn

      Tel.: 0172 7493001

      E-Mail: [email protected]

       www.karle-bedachungen.de

      Stefan, Frank und Sebastian – die Ofenbauer

image Ich hab’ dich so lieb! Ich würde dir ohne Bedenken Eine Kachel aus meinem Ofen schenken.« (Joachim Ringelnatz, 1883–1934)

      Bei einer so charmanten Ansage lässt man sich gerne am wohligen Kachelofen nieder. Heiße Kacheln wärmen unseren Rücken und schenken uns neben der Wärme Glücksgefühle und Geborgenheit. Diese Art des Heizens ist unvergleichlich: Die große Fläche an Kacheln nimmt die Wärme auf und gibt sie über einen langen Zeitraum in den Raum ab. Gemütliche Stunden sind garantiert! Außen tobt der Wind und prasselt der Regen, innen lodert und knistert das Feuer im Ofen, und seine Strahlungswärme zieht uns magisch an. Der Kachelofen ist im Winter der schönste Platz auf Erden – ein Lieblingsplatz! Und diesen Traum von einem wohligen und gemütlichen Abend am Kachelofen verwirklichen gleich drei Generationen: die Männer der Familie Gehring in Winden – dreifach geballte Erfahrung, fundiertes Wissen und feurige Leidenschaft. Angefangen hat das lodernde Feuer bei Stefan Gehring, Senior und Ofenbauer-Geselle. Jahrzehntelang in Freiburg bei einer Ofenbaufirma beschäftigt, ist er nach der Meisterprüfung und der Selbstständigkeit seines Sohnes Frank bei ihm in den Familienbetrieb eingestiegen. Komplettiert wird die Mannschaft durch Sebastian, den Enkel, nun ebenfalls Ofenbaumeister. Die feurige Leidenschaft brennt also weiter …

image

      Der Kachelofen als Heizquelle hat im Schwarzwald lange Tradition. Als Herzstück stand er in der Stube, befeuert wurde er von der Küche aus. Der Rauch zog durch die Züge im Innenleben des Ofens, erwärmte die Kacheln und die Kunst, die Bank neben dem Ofen, bevor er in der verrauchten und rußigen Küche wieder austrat. Ohne Rauchabzug und Schornstein räucherte der Rauch den Speck und die Würste, die in der Küche an der Decke hingen, bevor er sich dann seinen Weg durch das ganze Haus bahnte, bis er an einer Dachöffnung entweichen konnte. Neben dem Räuchern diente der Rauch mit seiner imprägnierenden Wirkung auch dem Schutz des Holzes und somit des gesamten Gebäudes. Die wohlige Stube war der einzige rauchfreie Raum. Im Wärmefach wurden Speisen und Wasser warmgehalten oder Kirschkernkissen aufgewärmt. Auf einem Gestell über dem Ofen konnte man die Wäsche zum Trocknen aufhängen und direkt über den warmen Kacheln das Obst zum Dörren ausbreiten.

image

      Seitdem sind nicht nur längst Schornsteine in unsere Häuser eingezogen, auch die heutige Heiztechnik hat sich stark gewandelt, um den aktuellen Anforderungen und Normen gerecht zu werden. So ist der Ofenbauer Maurer, Gipser, Maler, Elektriker, Gasinstallateur, Schweißer, Blechner und Restaurator in einem. Und die Beratung ist ein wichtiges Spektrum in dem Aufgabengebiet, denn jeder Ofen ist einmalig und den häuslichen Gegebenheiten und den individuellen Bedürfnissen perfekt angepasst. Es gibt hauptsächlich zwei Arten von Öfen: den Speicherofen mit einer fertigen Feuerstelle, der dann mit Kacheln verkleidet werden kann, oder den Grundofen mit gemauerten Rauchgaszügen. Diese Züge werden mit Schamottesteinen gebaut und können schon mal bis zu zehn Meter lang sein, bevor sie anschließend den Schornstein erreichen. Insgesamt kann dann so ein Koloss bis zu 5 Tonnen Gewicht auf die Waage bringen. Verkleidet wird der Grundofen in der Regel mit neuen Kacheln. Doch die Gehring-Männer verstehen sich auch auf die Restauration alter Kacheln, die dem Ofen ein ganz besonderes Hair geben. Das Elztal zum Beispiel hatte traditionell schwarze Kacheln mit Waffelmuster, das Markgräflerland rot-schwarz marmorierte Keramik. Auch der Sockel war von den lokalen Gegebenheiten abhängig: entweder aus Sandstein oder aus Granit. Heute sind alte Kacheln schwer zu finden. In den siebziger Jahren galten Kachelöfen als rückständig, Ölöfen waren die neue Heizmode. »Und so wurden reihenweise alte Kachelöfen aus den Häusern gerissen«, weiß der rüstige Senior Stefan. Der 81-Jährige erinnert sich noch an ganz andere Bräuche, die heute selten gepflegt werden: Nach Fertigstellung des Ofens und vor seiner Feuertaufe betritt nur der Ofenbauer die Stube, mit einer Flasche Schnaps im Gepäck. Allein im Raum spricht er dann einen geheimen Ofenbauer-Spruch und bringt anschließend den Ofen, und vielleicht auch ein bisschen sich selbst, mit dem Hochprozentigen zum Glänzen. Alsdann darf die Familie die Stube betreten. »Angefeuert wird der Ofen von einer Jungfrau, so will es der alte Brauch«, lacht Frank und fügt hinzu: »So habe ich auch meine Frau vor vielen Jahren kennengelernt. Ich habe bei ihrer Familie einen Ofen gebaut, und am Ende sind die Funken hochgeflogen, nicht nur im Ofen.«

image image image

      Dass die Familie Gehring ein warmes Herz hat, zeigen ihre vielen karitativen Tätigkeiten. In seiner Freizeit hat Frank bereits mehrere Male in Litauen und Rumänien gemeinsam mit anderen Ofenbauern in Kinderheimen Heizquellen eingebaut. Bemalt wurden die Kacheln von der Schule in Winden. Und so trägt er den Traum von Geborgenheit und Wärme in die Welt hinaus. Kundschaft haben die Männer aus Winden übrigens in ganz Europa: Auf Sylt im hohen Norden, in der Schweiz und sogar auf Mallorca stehen Schwarzwälder Kachelöfen.