G. D. Brademann

Comanchen Mond Band 2


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zu reden, zwei Mal so dreist ignoriert hatte. Dark-Night war ihm nicht wichtig, Light-Cloud umso mehr. Der würde nicht eher ruhen, bis er sie aus dem Tipi ihres Ehemannes herausgeholt hatte. Es würde weiterhin Ärger geben – sehr großen Ärger. Bevor sich auch nur einer der Freunde entfernen konnte, übernahm er das Kommando und ritt mit ihnen hinunter ins Lager. Es stellte sich heraus, dass weder Icy-Wind noch die junge Frau seit dem vergangen Tag gesehen worden war. Niemand wusste etwas.

      Die Frauen, die etwas wussten, schwiegen betroffen. Niemand mischte sich gern in die Angelegenheiten der anderen ein. Allmählich jedoch kippte die Stimmung. Je mehr Zeit verstrich, ohne dass man Dark-Night oder ihren Ehemann zu Gesicht bekam, desto unruhiger wurde das gesamte Lager. Es gingen sogar schon Gerüchte um. Am meisten litt Light-Cloud, denn er machte sich inzwischen große Sorgen.

      Mitten in diese Unruhe hinein platzte Icy-Wind. Hoch erhobenen Hauptes schritt er den Hauptweg entlang, der dem Flussufer mit den Tipis vorgelagert war. Ohne sich umzusehen oder mit jemandem zu reden, erreichte er sein Tipi und verschwand im Innern. Die, die das beobachtet hatten, waren ratlos. Doch es traute sich auch niemand, ihn nach dem Verbleib seiner Ehefrau zu fragen.

      Der halbe Tag war bereits vorüber und Dark-Night noch immer nicht wieder aufgetaucht. Da machten sich einige der älteren Frauen unter der Führung von Light-Clouds Tante, die alle hier nur „Großmutter“ nannten, endlich auf, um nach ihr zu suchen. Dream-In-The-Day schloss sich ihnen mit einigen jüngeren Frauen an. Danach war das gesamte Lager in Aufruhr. Old-Antelope schickte einen eilig zusammengestellten Suchtrupp hinunter zum Fluss. Great-Mountain, ihr Friedenshäuptling und gleichzeitiger Medizinmann, begann die Trommel zu schlagen. Er zog sich in sein Tipi zurück, um seine Geister um Beistand zu bitten. Noch immer fragte niemand Icy-Wind. Niemand wagte es, unaufgefordert sein Tipi zu betreten. Nicht einmal Great-Mountain wäre das eingefallen. Es gab schließlich nicht den geringsten Hinweis darauf, dass er für Dark-Nights Verschwinden verantwortlich war. Jetzt ging es erst einmal darum, sie zu finden. Die Suche blieb jedoch weiter ohne Ergebnis. Dann begann es.

      Die Sonne stand bereits tief im Süden, da ging Icy-Wind zum Tipi von Light-Cloud, der kurz zuvor erschöpft von der Suche nach Dark-Night dort eingetroffen war. Icy-Wind war prächtig gekleidet, als gelte es, einen großen Empfang zu geben. Breitbeinig baute er sich vor dem Eingang auf, sein Gewehr lässig in der Hand, und rief herausfordernd nach Light-Cloud. Das nächste Tipi, außer dem von Großmutter, war etwa 80 große Schritte entfernt; man konnte seine Stimme bis dorthin hören.

      „He, du Sohn einer räudigen Hündin! Deine Mutter taugte schon nichts, und du bist ihr Ebenbild! Die Reste meiner Frau liegen im Canyon, wenn sie nicht schon dort herausgekrochen ist wie eine Kröte aus dem Schlamm!“ Mit diesen Worten warf er das grüne Band von Dark-Night, das sie immer in ihren Haaren trug, gegen die Klappe des Tipis. Light-Cloud war bereits nach seinen ersten Worten heraus gekommen. Während er jetzt das Band ergriff, schnauzte Icy-Wind: „Damit kannst du deine Tränen trocknen!“

      Wie erstarrt betrachtete der jüngere Mann zuerst das Band und dann den Peiniger seiner Liebsten.

      „Das ist meine Antwort auf ihre Ehrlosigkeit! Doch es ist noch nicht zu Ende. Du hast meine Ehre beschmutzt, und dafür sollst du ebenfalls büßen“, rief Icy-Wind so laut und deutlich, dass jeder, der sich in der Nähe aufhielt, es hören musste. Dann schritt er erhobenen Hauptes wieder fort.

      Light-Cloud starrte ihm immer noch nach, obwohl er schon nicht mehr zu sehen war. Unwillkürlich ballten sich seine Hände zu Fäusten. Dann ging ihm auf, was soeben passiert war. Die Entscheidung – sie war gefallen und es gab kein Zurück mehr.

      Storm-Rider, gerade auf dem Weg zu ihm, hatte alles gehört. Schon war er bei ihm, packte ihn an den Schultern und schüttelte ihn heftig. Beide blickten sich kurz in die Augen; dann nickte Light-Cloud, dem alle Farbe aus dem Gesicht gewichen war. Großmutter tauchte aus ihrem in der Nähe stehenden Tipi auf. Die alte Frau verschwendete keine Zeit mit unnützen Worten – hatte sie doch die Beleidigungen ebenfalls gehört und bereits nach ihrem Pony gerufen. Augenblicke später stürmten die drei auf ihren Pferden in Richtung Canyon.

      Erst nach einer gefühlten Ewigkeit kehrten sie zurück, denn sie hatten Dark-Night nicht gleich finden können. Sie lag noch immer dort, wo Icy-Wind sie verlassen hatte. Bewusstlos, mehr tot als lebendig. Jetzt hielt Light-Cloud eine schwerverletzte Dark-Night vor sich auf dem Pferd. Großmutter, mit wie zu Stein erstarrtem Gesicht, ritt hinter ihm. Storm-Rider machte den Schluss. Er hatte die Augen zusammengekniffen, seine Miene bedeutete nichts Gutes. Für ihn hatte Icy-Wind mit dieser Tat eindeutig eine Grenze überschritten. Es wäre besser gewesen, die Einladung der Krieger anzunehmen, um diese Angelegenheit mit Anstand und Ehre zu Ende zu bringen.

      Die Nachricht von Dark-Nights Rückkehr und ihrem Zustand ging wie ein Lauffeuer durch das Lager, und die, die noch immer nach ihr suchten, kehrten zurück. Nur zögernd zerstreuten sich die Menschen, aber neugierig waren sie doch. Jetzt war man gespannt, was weiter passieren würde. Dass eine Entscheidung anstand, war allen klar. Die Mutmaßungen, was Dark-Night und Light-Cloud anging, wurden zur Gewissheit.

      Vor Großmutters Tipi hielten die drei ihre Pferde an. Light-Cloud übergab Dark-Night in die Arme der alten Frau, dann verschwand er mit Storm-Rider zur Beratung in seinem eigenen Tipi. Viele, die ihnen auf ihrem Weg begegnet waren, sahen kurz darauf Icy-Wind in stolzer Haltung und in seinem Festgewand vor dem eigenen Tipi stehen. Noch immer fühlte er sich im Recht. Crow-Wing, die sich nicht einmal die Mühe machte, ihre Schadenfreude zu verbergen, kam gerade von einer Runde durch das Lager zurück. Auch sie wusste inzwischen von der Neuigkeit, dass man Dark-Night gefunden und in Großmutters Tipi gebracht hatte. Eifrig öffnete sie die Klappe ihres Tipis, ließ Icy-Wind vorangehen und schlüpfte nach ihm hinein.

      Die Worte von Icy-Wind, die er zu Light-Cloud gesagt hatte, wanderten von Mund zu Mund. Ihm Dark-Night jetzt auszuliefern, sie zu ihm zu bringen, das konnte sich keiner hier vorstellen. So blieb nur ein Weg, den Light-Cloud betreten musste. Und das hatte Icy-Wind wohl auch bezweckt.

      Gray-Wolf, obwohl er oft die dümmsten Ideen hatte, war diesmal weitsichtig genug, um den Häuptling zu informieren. Schnurstracks ritt er zum Tipi von Old-Antelope, der den Suchtrupp nicht begleiten konnte, da ihn wieder einmal sein Rheumatismus plagte.

      Auf einmal tauchte Icy-Wind auf einem seiner Ponys auf, überquerte die seichte Furt bis auf die andere Seite des Flusses und ritt zur Pferdeherde. Das Pony dort gegen seinen besten Hengst, einen wunderschönen Schecken, tauschend, ritt er wieder über den Fluss zurück. Nachdem er lange in seinem Tipi verschwunden war, kam er waffenstarrend heraus. Diesmal hatte er keine Festkleidung an, sondern war wie ein Krieger, der sich einem Feind stellt, gekleidet. Er trug sein scharf geschliffenes Kriegsbeil in seinem Gürtel, ebenso steckte ein Messer mit kupfernem Griff, der dunkel wie Blut schimmerte, als ihn ein rötlicher Strahl der Abendsonne traf, daneben. Im gestreckten Galopp verschwand er im nahen Wäldchen und kam kurz darauf mit seiner Kriegslanze in der Armbeuge wieder heraus. Er ließ seinen Mustang herausfordernd nur wenige Schritte von seinem Tipi tänzeln, auf ein lautloses Kommando hin wenden und steigen. Dann wartete Icy-Wind regungslos wie ein Fels auf Light-Cloud. Nur die Mähne seines Pferdes und seine eigenen langen Haare wehten im Abendwind. Er hatte keine Aufforderung aussprechen müssen; seine Absicht lag klar auf der Hand.

      Niemand erschien. Niemand wagte sich auch nur in die Nähe. Da setzte sich Icy-Wind in Bewegung. Langsam ritt er den Hauptweg hinunter, bis er etwa in Höhe von Light-Clouds Tipi war. Sein Pferd durch dichtes Gebüsch bis zum Fluss hinüber lenkend, kam er in Sichtweite von dessen Tipi. Er tat das mit einem Gesichtsausdruck, als gelte es, die ganze Welt umzubringen. Jetzt hielt er an. Im nächsten Moment galoppierte er direkt auf das Tipi zu, seine Herausforderung laut herausschreiend. „Komm schon, du Feigling, ich warte nicht länger!“ Er wollte diesen Kampf. Jetzt, sofort – nicht morgen, nicht am nächsten Tag, sondern jetzt! Und schon gar nicht wollte er sich Ort und Zeitpunkt von anderen bestimmen lassen.

      Kurz vor dem Tipi riss er den Mustang zurück, ließ ihn steigen und wieder wenden; dann jagte er am Fluss entlang, einen schmalen Pfad einschlagend, zum Hauptweg zurück. Er schwang sein Kriegsbeil und stieß weiter seine herausfordernden Schreie aus. Er tat das bis zum Ende des Hauptweges, hielt dort, wo die Ebene begann, wendete und ritt wieder zurück. Zum zweiten Mal baute er sich vor