G. D. Brademann

Comanchen Mond Band 2


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– oder dieser eine Wahl. Doch darauf schien das hier hinauszulaufen. Erbost, ungeduldig, völlig aus dem Konzept gebracht blickte er sich um. Zu seinem Verdruss kam Old-Antelope zu ihm heran. Wenn der jetzt auch noch mit dem Finger auf ihn zeigte, würde er die Beherrschung vollends verlieren. Alle schauten ihn an und schienen auf seine nächsten Worte gespannt zu sein. Er war in die Falle getappt, in die Großmutter ihn so geschickt hineingeführt hatte.

      Sich in die Brust werfend, hochmütig bis in die Zehenspitzen, den schmallippigen Mund herablassend verzogen, sagte er schließlich genau das, was sie erwartet hatte. Es blieb ihm ja auch gar nichts anderes übrig.

      „Die Mexikanerin interessiert mich nicht mehr. Sie ist weniger wert als ein Haufen Hundescheiße.“ Den Kopf den Umstehenden zuwendend, fixierte er einen nach dem anderen mit eng zusammenstehenden Augen. „Einen Haufen Hundescheiße spieße ich nicht einmal mit einem Stock auf. Soll sie doch verrecken. Und wenn du, alte Frau, denkst, dass ihr nach meinem Zweikampf mit Light-Cloud noch einen Versorger habt, dann täuscht ihr euch gewaltig. Sucht euch schon einmal einen Platz zum Sterben draußen in der Prärie, bei den Coyoten.“

      Leicht mit den Fersen seinem Mustang gegen die Flanke tippend, drehte er ihn, jetzt triumphierend, weil ihm diese Antwort noch rechtzeitig eingefallen war, einmal um sich selbst. Doch ein bitterer Nachgeschmack blieb zurück. Er wusste, dass die alte Frau ihn hintergangen hatte, ja, mit äußerster Schläue überlistet. Wütend biss er sich auf die Lippe. Am liebsten hätte er sich auf sie gestürzt oder sie einfach mit seinem Mustang niedergeritten. Stattdessen stob er aus dem Stand heraus los. Grasbatzen stoben hinter ihm hoch. Nicht einen Augenblick länger hätte er es in der Gegenwart von Großmutter ausgehalten. Seine Hand war schon bereit gewesen, nach dem Schlachtbeil zu greifen, um ihr den alten Kopf damit zu spalten; seine Finger zuckten noch jetzt, als er an die eben erlittene Niederlage dachte.

      Doch das wäre Mord gewesen – Mord, der mit seinem eigenen Ausschluss aus der Gemeinschaft geendet hätte. All das ging ihm durch den Kopf, während er auf das Geröllfeld mit dem auf ihn wartenden Light-Cloud zuritt.

      Erst jetzt hörte er die Trommelschläge, die schon eine Weile von flussabwärts heraufklangen. Great-Mountain, ging ihm auf – er ruft die Geister. Kurz blickte er zurück, aber das Tipi des Friedenshäuptlings war von hier aus nicht zu sehen. Während er weiterritt – jetzt etwas langsamer, um zur Ruhe zu kommen – wippte sein nackter Rücken bei jedem Schritt, den sein Mustang machte. Seine schwarzen, schon mit grauen Strähnen durchzogenen Haare wehte ein sachter Windzug zur Seite. Er machte mit seinen einundfünfzig Wintern noch immer eine gute Figur. Unbestritten war er ein großer Krieger, voller Kraft – und hier und jetzt fest dazu entschlossen, die Schmach, die ihn schon seit vielen Wintern quälte, endlich mit Blut auszulöschen. Sun-In-The-Red-Hairs Sohn – sein Blut wollte er.

      Großmutter, die unbeweglich, doch mit heftig klopfendem Herzen auf ihrem Platz ausgeharrt hatte, zog die Unterlippe nach innen und biss darauf. Sie wartete, bis sie Icy-Wind nicht mehr sehen konnte, dann verschwand sie rückwärtsgehend in ihrem Tipi. Inzwischen löste sich auch der Rest der Versammlung auf, um mit Old-Antelope zum Geröllfeld zu eilen. Großmutter atmete auf, während sie die Klappe hinter sich schloss. Wenigstens für Dark-Night, die Light-Cloud alles bedeutete, hatte sie etwas tun können. In ihrer unerschütterlichen Zuversicht glaubte sie fest, dass er sich gegen Icy-Wind behaupten würde. Und wenn nicht? Hatte er überhaupt einmal daran gedacht? Still in sich hineinlächelnd wusste sie, dass das überhaupt keine Rolle mehr spielte. Die Würfel waren gefallen. Sie war eine alte Frau – aber was würde aus Dark-Night werden? Sie brauchte ihn – jetzt noch mehr als jemals zuvor. Großmutter schaute kurz nach der Frau, die völlig apathisch auf weichen Fellen lag. Moon-Night war ebenfalls hier und kümmerte sich um sie. Sich davon überzeugend, dass sie nicht gebraucht wurde, huschte sie wieder hinaus. Eine in ihrer Nähe grasende Stute ergreifend, ritt sie in Richtung Geröllfeld.

      In gebührendem Abstand zu dem von Light-Cloud ausgesuchten Kampfplatz sah sie schon von weitem eine große Anzahl älterer Männer stehen. Jüngere auf ihren Mustangs hatten sich in einem Halbkreis näher postiert. Darunter waren viele Freunde Light-Clouds. Weiter entfernt standen sogar einige jüngere Frauen um Dream-In-The-Day gruppiert – hinter Gebüsch etwas verborgen. Großmutter suchte sich einen Platz, von dem aus sie ihren Jungen beobachten konnte, sie jedoch selbst nicht zu sehen war. Plötzlich hörten die Trommelschläge auf. Auch Great-Mountain machte sich auf den Weg hierher.

      Der Kampf hatte bereits begonnen. Light-Cloud, auf seinem besten Kriegspony, mit Beil und Lanze bewaffnet, schrie Icy-Wind, der ihn auf seinem Mustang in immer enger werdenden Kreisen umrundete, seine ganze Verachtung entgegen. Gerade wich er dem Schlachtbeil seines Gegners aus, indem er sich, sich nur mit einem Fuß in einer Schlinge am Pferderücken haltend, nach unten fallen ließ. Schnell kam er auf der anderen Seite wieder hoch. Das Manöver war schnell und gekonnt ausgeführt worden und brachte ihm die Bewunderung der Menge ein. Sein Kriegspony machte auf der Hinterhand kehrt und umrundete Icy-Wind, der seinem Gegner mit obszönen Handbewegungen zeigte, was er von ihm hielt. Hoch aufgerichtet im Sattel sitzend, wartete er auf eine Blöße Light-Clouds; immerhin besaß er eine größere Kampferfahrung als der Jüngere. Doch auch der konnte auf viele Kämpfe zurückblicken. Ruhig und besonnen, wenn auch innerlich völlig aufgewühlt, wartete auch er auf einen Fehler seines Gegners. Beide umkreisten sich weiter.

      Etwa zwölf Schritte eine Böschung hinauf begann das Geröllfeld, auf dem Icy-Wind vor nicht allzu langer Zeit eine Blamage erlitten hatte. Dies wurmte ihn immer noch gewaltig. Johlend zeigte jetzt Light-Cloud nach oben, ihn daran erinnernd. Bisher erschien ihr Kampf eher wie ein Geplänkel zwischen Halbwüchsigen. Das änderte sich auch nicht nach dieser Provokation. Icy-Wind hatte nicht vor, sich zu einer unüberlegten Handlung hinreißen zu lassen. Das mit Großmutter hatte ihm vor Augen geführt, wie schnell man seinen Kopf verlieren konnte.

       2. Kapitel

      Jenseits der Senke begannen die Zuschauer inzwischen, Wetten abzuschließen. So ernst das auch alles war – davon ließen sich die wenigsten abhalten. Wetten abzuschließen, das war ein Vergnügen, dem sich kein Comanche so leicht entziehen konnte. Noch umkreisten die beiden Gegner einander und warfen sich gegenseitig Schimpfwörter zu. Es hagelte Beleidigungen der übelsten Art. Je einfallsreicher sie sich dabei anstellten, desto mehr Zustimmung erhielten sie von den Zuschauern. Noch immer machte es den Eindruck, als wäre das hier nur ein Schaukampf – ein Kräftemessen zweier Krieger, die gerade nichts Besseres zu tun hatten. Das Gegenteil war der Fall. Hier traf seit langem aufgestauter Hass auf unbezähmbare Wut. Da waren zwei Krieger, die sich nichts schuldig bleiben würden, denen es nicht nur darum ging, einander zu verletzen. Icy-Wind wollte Light-Cloud tot sehen, und auch Light-Cloud dachte nicht daran, Icy-Wind zu verschonen.

      Great-Mountain drängte sich nach vorn neben Red-Eagle. Offen zeigte er seinen Zorn; alle konnten es sehen. Er missbilligte diesen Kampf aufs Schärfste. Nur mit größter Mühe gelang es dem neben ihm stehenden Kriegshäuptling, ihn daran zu hindern, nicht einfach auf den Kampfplatz zu stürmen – Regeln hin oder her. Immerhin waren sich beide darin einig, dass man das anders hätte regeln können. Great-Mountain machte sich jetzt Vorwürfe, den Einsatz der jungen Männer nicht unterstützt zu haben. Zu seiner Entschuldigung musste er sich zugute halten, dass er davon nichts gewusst hatte. Trotzdem – Great-Mountain war sehr, sehr aufgebracht.

      Soeben tänzelte Light-Clouds rotbrauner Mustang auf der Stelle – ging rückwärts, dann wieder nach vorn. Mit gelangweilter Miene wog sein Reiter die Lanze in der Hand. Wachsamen Auges beobachtete er jede Bewegung des Gegners. Plötzlich – kaum dass die Zuschauer es wahrgenommen hatten – wich der gut trainierte Mustang bereits dem Ansatz eines Angriffs aus. Begeistertes Kopfnicken der umstehenden Männer folgte auf die Reaktionsschnelle des Pferdes und seines Reiters. Sie bekundeten damit Light-Cloud ihren Respekt, als ginge es hier um weiter nichts als eine Zurschaustellung seines Könnens. Erneut stürmten beide Gegner aufeinander los. Ihre Kriegsponys prallen hart zusammen, Schlachtbeile sprühten Funken. Das schabende Geräusch Stahl auf Stahl wurde nur durch das laute Schnauben der Pferde übertönt. Ein Raunen ging durch die zuschauenden Männer. In diesem Moment wurde auch dem Letzten klar, dass es sich hier nicht um ein bloßes Gerangel handelte.

      Light-Cloud