Ziel ist es, eine grobe Story (oft auch Epic genannt) zu verfeinern und in einer Art Landkarte darzustellen, die zum einen Teilaspekte sichtbar macht, zum anderen aber auch mögliche Versionen des Produkts, die man nacheinander veröffentlichen könnte.
An einem Beispiel von Jeff Patton können Sie sehr schön sehen, wie eine User Story Map aufgebaut wird und wie man damit arbeiten kann. Unsere kleine Abwandlung dieses Beispiels lautet: „Als VUCA-Held möchte ich mein Haus verlassen, damit ich zu meiner Arbeit gehen kann“. Dies stellt Ihr Epic dar. Jetzt dürfen alle Teammitglieder auf Karten notieren, welche Tätigkeiten ihrer Meinung nach durchgeführt werden müssten, um die Wohnung morgens zu verlassen. Diese können auch gleich als User Story formuliert werden. Im Anschluss schauen Sie sich an, welche User Stories entstanden sind und ob sich hier grobe Kategorien bilden lassen. Sie könnten zum Beispiel Stories zusammenfassen, die sich mit Kaffeekochen, Frühstücken oder Pausenbrote schmieren befassen. Dies könnte eine Kategorie „Verpflegung“ sein. Der morgendliche Ablauf könnte beispielhaft aus „Aufstehen“, „Hygiene“, „Verpflegung“, „Packen“ und „Verlassen“ bestehen. Dies stellt einen groben Ablauf dar und wird von Patton als „Backbone“ bezeichnet. Sozusagen ein Grundgerüst, dem sich die konkreten Stories zuordnen lassen.
Schauen Sie sich nun einmal die User Stories an, die vom Team zusammengetragen wurden. „Als Ehemann schalte ich den Wecker aus, damit meine Frau noch ein wenig weiterschlafen kann“, könnte eine mögliche Story sein. Ein anderes Teammitglied könnte eine Story hinzufügen, die in etwa so aussieht: „Als Hundebesitzer gehe ich eine schnelle Runde Gassi mit meinem Hund, damit dieser es aushält, bis ich wieder nach Hause komme“. An dieser Stelle können Sie sehen, dass es unterschiedliche Zielgruppen für das zu entwerfende Produkt geben kann. Das hilft dabei zu überlegen, ob eine erste Version des Produktes vielleicht nicht erst für die wichtigste Zielgruppe erstellt werden sollte.
Ein wichtiger Aspekt im agilen Umfeld ist das schnelle Gewinnen von Feedback. Dafür ist es hilfreich, sich zu überlegen, was minimal vorhanden sein müsste, damit man ein erstes Feedback von Anwendern bekommen könnte. Dafür überlegen Sie sich einen minimalen Anwendungsfall, der für sich genommen schon einen Mehrwert bringt. Stellen Sie sich vor, Sie bekommen nun die Information, dass Sie verschlafen haben. Aber es ist ein ganz besonderer Tag, denn in fünf Minuten kommt ein Taxi, das Sie abholen und zum Flughafen bringen soll. Sie haben einen wichtigen Termin mit einem Kunden, den Sie auf keinen Fall verpassen dürfen. Welche der User Stories aus unserem Beispiel ist nun noch von Belang, damit Sie das Haus innerhalb von fünf Minuten verlassen können? In einer solchen Situation wird wahrscheinlich ein Großteil der Stories unwichtig erscheinen.
Diese minimale Variante der User Story wird MVP (minimum viable product), das minimal funktionsfähige Produkt, genannt. Patton sieht das MVP als den minimalen Stand an, zu dem man sich schnellstmöglich Feedback einholen kann. Das heißt nicht, dass man hier auch schon ein zu kommerzialisierendes Produkt hat. Dieser Schritt folgt erst darauf.
Für eine erste Produktversion bietet es sich an, zu überlegen, für welche Zielgruppe diese erstellt werden sollte. Eine gängige Praxis dafür ist die Verwendung sogenannter Persona.
Eine Persona ist ein fiktiver Benutzer des Produkts, der ein bestimmtes Bedürfnis und einen definierten Hintergrund hat. In der Tabelle finden Sie drei mögliche Persona als Beispiele, die in der beschriebenen StorymapStorymap eine Rolle spielen könnten. Für kreative Teams ist es oftmals hilfreich, sich mit einem bestimmten Anwendertyp etwas besser identifizieren zu können, um aus seiner Sicht das Problem bestmöglich zu lösen.
Im weiteren Verlauf fügen Sie, angepasst an die Zielgruppe, die Stories hinzu, die für eine erste Version in Frage kommen. Auf diese Art und Weise sind Sie nun in der Lage, eine Roadmap zu erstellen und verschiedene Produktveröffentlichungen zu planen. Wie eine solche User Story Map am Whiteboard aussehen könnte, sehen Sie in Abbildung 16.
Persona | Beschreibung | Bedürfnis | Kontext |
Lisa | Lisa schläft gerne lange, frühstückt ausführlich und kümmert sich morgens um ihre beiden Katzen Bijou und Felix. | stressfreier Morgen, mit reichhaltigem Frühstück und Zeit für die Katzen | Lisa lebt mit ihrem Mann zusammen, der immer nach ihr das Haus verlässt. |
Hans | Hans steht früh auf und frühstückt nie. Er liebt seine Arbeit und verbringt gerne seine Zeit dort. | schnell und gepflegt aus dem Haus zur Arbeit gelangen | Hans lebt allein und hat auch keine Haustiere. Er ist ein Karrieremensch. |
Peter | Peter ist alleinerziehender Vater, der seine zwei Kinder morgens aufweckt und ihnen Frühstück macht. Er verlässt das Haus gemeinsam mit ihnen und setzt sie auf dem Weg zur Arbeit in der Schule ab. | glückliche Kinder | Peter hat die Verantwortung für seine beiden Kinder. Die Schule der beiden liegt auf seinem Arbeitsweg. |
Tab. 5:
Beispiele für Persona
Darstellung einer User Story Map
Design Thinking
Design ThinkingDesign Thinking ist, auch wenn es erst in den letzten Jahren zu seiner großen Bekanntheit gelangt ist, kein ganz junger Ansatz mehr. Schon seit 1991 finden Tagungen zu dem Thema statt. Zu den Vordenkern und Verbreitern von Design Thinking gehören David Kelley, Terry Winograd und Larry Leifer von der Stanford Universität. Kelley ist auch Gründer des Unternehmens IDEO, das für den Design Thinking Ansatz steht.
Im Design Thinking spielen interdisziplinäre Teams und die direkte Nähe zum Kunden und seinen Bedürfnissen eine tragende Rolle. In Abbildung 17 sind die einzelnen Schritte im Design Thinking Prozess schematisch dargestellt.
Design-Thinking-Schritte
Die ersten beiden Schritte, Understand (Verstehen) und Observe (Beobachten) werden gerne auch durch ihre enge Verbundenheit als ein Schritt zusammengefasst (Empathie). Gestartet wird mit einem interdisziplinären Team, in dem viele unterschiedliche Perspektiven zusammentreffen. Je diverser, desto besser. Im ersten Schritt müssen alle Teammitglieder Wissen zum Umfeld aufbauen. Der Kontext wird geklärt und Fragen beantwortet. Das Team erlangt ein einheitliches Verständnis und klärt Begrifflichkeiten.
Der zweite Schritt besteht darin, die Zielgruppe möglichst genau kennenzulernen. Dies geschieht durch direkten Kontakt. Das Team kann die Zielgruppe bei der täglichen Arbeit beobachten und so die Probleme selbst wahrnehmen. Oder es kann die Zielgruppe (oder Vertreter dieser Gruppe) befragen und in den direkten Austausch treten. Vielleicht ergeben sich sogar Möglichkeiten, selbst am Alltag der Zielgruppe teilzunehmen und somit ein noch tieferes Verständnis für die Bedürfnisse aufzubauen. Dabei sollten dem Team möglichst wenig organisatorische Grenzen gesetzt sein. Je freier es sich bewegen kann, desto besser.
Im dritten Schritt, der Synthese, werden nun die Beobachtungen, Annahmen und Hypothesen, die die einzelnen Teammitglieder gewonnen haben, mit den anderen geteilt und zusammengeführt. Ziel ist es, ein Gesamtbild zu erstellen, welches von allen geteilt wird. Diese Aktivitäten werden unterstützt durch Praktiken und Methoden, wie zum Beispiel Storytelling,