H. D. Kittsteiner

Out of Control


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Werk und kennzeichnet seinen intellektuellen Entwicklungsweg. Denn bedenkt man, wo dieser seinen Ausgang nahm, war eine solche Überzeugung keineswegs selbstverständlich. Vielleicht aber kann man sie als naheliegend bezeichnen: Kittsteiner, 1942 geboren, begann sein Studium 1962 in Tübingen bei Ernst Bloch, wechselte bald nach West-Berlin und wuchs so in die Studentenbewegung hinein. Wie er in autobiographischen Texten wiederholt betonte,3 kannte er den Impuls, Geschichte ‚machen‘ zu wollen oder vermeintlich gar zu müssen, aus eigener Erfahrung. Die Negation dieser Möglichkeit war also auch eine Revision vergangener eigener Überzeugungen und ihre Dringlichkeit für Kittsteiner erschließt sich daraus, dass er sie ins Zentrum seiner Arbeit rückte.

      In Out of Control versammelte Kittsteiner 2004 zehn seit 1996 geschriebene Aufsätze, die er mit einer den Gesamtzusammenhang dieser Texte umreißenden Einführung und einem skeptischen Blick auf die ungebrochene Euphorie des ‚Geschichte machens‘ in neuerer postmoderner Theorie, also einem Ausblick in die Gegenwart, einfasste.

      Die Zeichnung Giorgio de Chiricos auf dem Buchumschlag zeigt ein chaotisches Firmament, ein wahres Weltentheater, das dem Betrachter – mit wenig hilfreichen Antennen auf dem Kopf steht er am Bildrand – zwar viel Geschehen bietet, doch wenig Sinn. Sterne stürzen durcheinander, Saturnringe und Sonnen kreisen. Das Buch beginnt, wo das Denken des Betrachters einsetzt. Seine Setzungen, seine Suche nach einem Sinn dessen, was sich vor seinen Augen entfaltet, sind Thema der hier folgenden Texte.

      In dieser intellektuellen Sozialisation liegt auch die eigentümliche Doppelstruktur von Kittsteiners Denken begründet. Denn während Kittsteiner Geschichtsvorstellungen analysierte, nahm er selbst an, dass es einen bestimmenden und dynamischen, wenn auch zielloschaotischen Motor des Geschehens gebe, der in und hinter dem verworrenen Treiben der menschlichen Akteure wirke. Hierin folgte er selbst einem Bild von der Geschichte. Es war ein von seinen Marxlektüren geformtes Geschichtsdenken. „Die Form der Geschichte“: für Kittsteiner ist es ihre – oft schwer erträgliche – Ziel- und Sinnlosigkeit, ihre Unverfügbarkeit.