in other words: fundamental phenomena solely inherent to the Realm of Rights and Justice which are completely independent of the prevailing external power relations? Taking up the ground-breaking investigations of Adolf Reinach (23.12.1883 – 16.11.1917), the following applies with respect to relative rights:
1. There exist, indeed, legal structures complying to essentially intrinsic laws which remain independent of external influences, and, above all, are unaffected by any kind of arbitrariness.
2. In the case of a relative legal structure beginning with a promise and leading to a contract, the latter’s validity rests on a social act encompassing the following steps:
a) The person who has decided to promise something to another individual must express either verbally or in writing, what he is willing to promise;
b) The addressee must learn, i.e. become aware of the expressed promise, and understand it.
3. The addressee’s claim – or rather, the liability assumed by him who promised, can be discharged in two ways:
a) If he who made the promise, has kept it;
b) If the addressee renounces to the fulfilment of his claim.
4. When the addressee renounces his claim, he asserts an absolute right – there being nothing equivalent to it on the side of him who bound himself with his promise. From a psychological viewpoint, he who renounces dissolves the relation he had tied on behalf of the promise, whereas he who meets the claim lifts, i.e. cancels with the fulfilment the relation.
5. The actual legal validity of a promise or a contract does also depend on its real content: it can be reduced in scope or completely abolished on two grounds:
a) If the content of the promise or contract stands in overt contradiction to the acknowledged fundamental principles of law and – or rather – does not respect the ethical conventions the community in question unanimously holds to be basic.
b) If the positive, established law of a community of rights contains determinative regulations, which prevent that certain formal a priori or material implications be derived from a promise or a contract that has come about.
6. Looking at what has been referred to in points 4. and 5., we are consequently led to a further fundamental legal phenomenon – that it is neither feasible to adequately consider a concrete promise nor to judge correctly a definite contract without taking into account the entire Realm of Rights and Justice they are embedded in.
7. The fundamental phenomena I have dealt with are of a strictly a priori nature, but they concern only relative legal structures – insofar as they entail a content of positive social character. In stark contrast to this quality, I have also hinted at the absolute right to renounce a claim, which offers a remarkable example of a fundamental legal phenomenon the content of which comprehends a clearly negative social character. This finding raises two questions:
(i) Can we conceive absolute rights having a content with a definitely positive social character?
We have furthermore seen that if promises and contracts are to be accepted and be valid in a given legal community, their real content has to be in accordance with certain legal principles and ethical views the community considers to be essential. This carries us to a second question:
(ii) Providing that we conceive the human individual as a putative personality rooted in a potentially perennial individuality, wherefrom it emerges, develops, and progresses – can we then establish absolute legal structures, essential for an individual person, which are completely independent of the various, mutually differing legal communities?
These questions open a vast field of investigations I’m partly outlining in the following two essays.
Einleitung
«Alle Begründungen von bestimmten Rechten, wie sie z.B. die Naturrechtlehrer versuchten, sind Sophistereien. Alles Recht hat seinen Ursprung in der Macht. Der Stärkere überwindet den Schwächeren und drängt ihm seinen Willen auf. Dieser richtet sich nach jenem; was der erstere will, gilt als Recht. Nachdenken darüber, ob jemand ein Recht wirklich zustehe, beruht auf einem Verkennen dieses Charakters des Rechtes. Wie lange ein Recht gilt, kann nur davon abhängen, wie lange derjenige, der sich das Recht erobert hat, es zu verteidigen im Stande ist.» Diese Sätze schrieb R. Steiner (1861–1925) als erläuternde Fußnote zu J. W. v. Goethes (1749–1832) Aphorismus: «Welches Recht wir zum Regiment haben, danach fragen wir nicht – wir regieren. Ob das Volk ein Recht habe, uns abzusetzen, darum bekümmern wir uns nicht – wir hüten uns nur, dass es nicht [sic!] in Versuchung komme, es zu tun»2.
Gehen wir von diesen Behauptungen bzw. Maximen aus, so müssen wir annehmen, dass weder der gefeierte Entdecker der Existenz von Urphänomenen sinnlicher Modalität, der auch den Ausdruck ‹Urphänomene› geprägt hat3, noch sein namhafter Interpret, dessen erklärtes Ziel es war, die dem phänomenologischen Ansatz Goethes entsprechende Erkenntnistheorie zu formulieren, in Hinblick auf die Rechtssphäre das Bestehen – geschweige die Relevanz – eines Sachverhaltes anzuerkennen bereit gewesen wäre, der dem Einen wie dem Anderen im Bereich des Physikalisch-Chemischen als das Wertvollste gegolten hat: das Vorhandensein sachbezogener, objektiver Urphänomene oder Grundgesetze. Es sei denn, wir fassten als rechtliches Urphänomen eben dies auf, dass jegliche effektive Rechtssatzung die aktuellen Machtverhältnisse widerspiegle, eine Lesart, die freilich dazu führte, dass wir dem Terminus ‹Urphänomen› in rechtlicher Hinsicht einen bloß übergeordnet-formalen Sinn, nicht jedoch eine inhaltlich-konkrete Bedeutung zuerkennen würden.
Hervorheben möchte ich, dass die zitierte Aussage Steiners nicht episodischer Natur ist. So bemerkt er an anderer Stelle: «Es gibt keine allgemeinen Gesetze darüber, was man tun soll und was nicht. Man sehe nur ja nicht die einzelnen Rechtssatzungen verschiedener Völker als solche an. Sie sind auch nichts weiter als der Ausfluss individueller Intentionen. Was diese oder jene Persönlichkeit als sittliches Motiv empfunden hat, hat sich einem ganzen Volke mitgeteilt, ist zum Recht dieses Volkes geworden»4. Damit zusammenhängend, geht Steiner so weit, dass er der Rechtskunde jeglichen Wissenschaftscharakter abspricht: «Die Jurisprudenz ist keine Wissenschaft, sondern nur eine Notizensammlung jener Rechtsgewohnheiten, die einer Volksindividualität eigen sind»5.
Die angeführten Überlegungen Steiners gehören dem Frühwerk an, stammen aus seinem Wirken vor der Jahrhundertwende. In seinen späteren Jahren hat er bei seinem Entwurf einer Dreigliederung des sozialen Organismus eine Sphäre – Steiner spricht von ‹System› – öffentlichen Rechts definiert, «wo man es zu tun hat mit dem rein menschlichen Verhältnis von Person zu Person», und in diesem Kontext habe man «zu erstreben die Verwirklichung der Idee der Gleichheit»6. Aber auch dieser Idee kommt nur eine allgemeine regulative Bedeutung zu; sie ist ein Leitgedanke, kein inhaltlich konkretes Urphänomen.
Nicht nur lehnte es Steiner ab, anzuerkennen, dass es der Rechtssphäre eigentümliche, allgemein gültige Grundgesetze gibt, er verwarf auch jegliche Ethik als Normwissenschaft7. Diesbezüglich war Goethe weniger explizit; irritierend wirkt allerdings, dass er beispielsweise nichts von den Vorstößen hielt, die Kapitalstrafe nicht mehr zu verhängen. So notierte er: «Wenn man den Tod abschaffen könnte, dagegen hätten wir nichts; die Todesstrafen abzuschaffen, wird schwer halten. Geschieht es, so rufen wir sie gelegentlich wieder»8. Und: «Wenn sich die Sozietät des Rechtes begibt, die Todesstrafe zu verfügen, so tritt die Selbsthilfe unmittelbar wieder hervor, die Blutrache klopft an die Tür»9. Steiner, der ansonsten sehr beflissen war, Goethes Sprüche in Prosa ausführlich zu kommentieren, hat sich über diese von kühler Skepsis oder bloßem Regierungskalkül diktierten Zynismus hinweggeschwiegen; was um so auffallender ist, als er die den zitierten Sprüchen unmittelbar vorangehenden und die auf sie folgenden