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Systemische Erlebnispädagogik


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schon eher in Richtung 80, als Gast und Spross dieses Planeten verstehe.

      Der Autodidakt hat sich also in die Lernerfahrung eines Outdoor-Didakten gewagt. Da lässt sich fragen, wie sich diese Erfahrung einfügte in das zuvor Gelernte, und gleich noch konkreter: Wie verbinden sich die Erkenntnisse und Erlebnisse aus dem Krpg-Lehrgang mit meinem Verständnis von Organisationsberatung und Führungsbegleitung, in der ich während Jahrzehnten tätig war und noch immer bin?

      Dieser Frage werde ich im Folgenden nachspüren, und ebenso der Frage, wie sich Krpg im Selbstgebrauch nutzen lässt – womit sich der Kreis vom Outdoor- zum Autodidakten wieder schließen lässt. Dazu vorweg eine Beobachtung an mir selbst und anderen während des Lehrgangs: Keiner durchlief diese zwei Jahre unverändert, jeder und jedem sah man bestimmte Wirkungen des Lernprozesses an, in der Haltung und nicht nur in der methodischen Kompetenz. Diesem Zusammenhang zwischen Haltung und Methode begegne ich in der Führungsbegleitung ganz stark. Die Qualität des Führens verbessert sich nie primär durch die Anwendung neuer Methoden und Modelle, sondern durch die klarere, einfühlsamere Haltung der Leitenden gegenüber den Mitarbeitenden. Dies also vorweg, nun aber „der Reihe nach“.

      Während Jahrzehnten habe ich Menschen in Organisationen, das heißt im Erfahrungsfeld Leistung / Zusammenarbeit / Wirtschaftlichkeit in ihren vielfältigen Erscheinungsformen beraten, begleitet. Die Kompetenz für mein Mitwirken erwarb ich mir Schritt für Schritt, im Lernen durch das Tun, autodidaktisch eingeschworen, im Austausch mit Berufskollegen, im Studium der Fachliteratur und natürlich im Besuch ungezählter Kurse, Tagungen usw.

      Noch wichtiger als die beruflich-fachliche Kompetenz war mir, schon frühzeitig und mit den Jahren immer bewusster, die Wahrnehmung und Würdigung der Menschen, die meine Mithilfe beanspruchten. Die Rolle des Experten, der sein (oftmals praxisfernes) Fachwissen für teures Geld an gutgläubige Klienten verkauft, lag mir nie. Mich interessierten die Menschen, mit ihren Bedürfnissen und Fähigkeiten, in ihren so unterschiedlichen Leistungs- und Wirkungsfeldern. Als Lernender unter Lernenden versuchte ich meine Rolle je nach Auftrag so zu gestalten, dass aus dem Auftragsverhältnis auch so etwas wie eine „gute menschliche Begegnung“ erwuchs.

      Dies, so erscheint es mir heute deutlicher denn je, ist ein zentraler Ansatz des Führens, dem wir auch im Krpg-Lehrgang sehr wachsam nachgegangen sind. Das Wort „ressourcenorientiert“ darf nicht zum trendigen Schlagwort verkommen. Es verlangt vom Führenden (Leitenden wo und wann auch immer) zunächst eine besondere Haltung sich selbst und anderen gegenüber. Ich bin erst dann ressourcengerichtet, wenn ich die Menschen wahrnehme und würdige, mit ihrem jeweils besonderen Potenzial, ihrer Einzigartigkeit (bis hin zum Fingerabdruck!), ihrem Lebensanspruch und Selbstwert.

      Menschen so zu sehen und zu leiten ist keineswegs leicht, weil diese sich selbst oftmals nicht so einschätzen und aufführen. In der Tat wollen Menschen oft direktiv und als „unmündige“ Wesen be-handelt werden. Sie fordern die Leitenden auf, klar und deutlich auszusprechen, was sie von ihren „Untergebenen“ erwarten und verlangen. Das Dilemma der Leitenden ist es dann, zwischen direktiven Weisungen und zumutender (sprich: ressourcengerichteter) Aufgabenstellung das gute Maß zu finden. Manche der Methoden, die wir im Lehrgang kennen lernten, dienen gerade dazu, dass sich Menschen, zumindest für einige Momente, aus ihren selbstbegrenzenden Mustern herauslösen, mit ihren wirklichen Ressourcen vertrauter werden.

      Anhand einiger Arbeitssituationen im betrieblichen Zusammenhang möchte ich die Bedeutung des Gesagten veranschaulichen.

      Leitung von Arbeitsteams: Vorgesetzte, die im täglichen Kontakt mit Mitarbeitenden Leitungsverantwortung tragen, haben großen Einfluss darauf, ob sich die Mitarbeitenden verstanden, ernst genommen, als ganze Menschen wahrgenommen fühlen. Dies macht den Vorgesetzten noch keineswegs zum „Sozialarbeiter“ – Fordern und Fördern gehen in der Praxis Hand in Hand. Entscheidend finde ich die – jeden Tag erneuerte – Ausrichtung auf den Mitarbeiter als Ressource, als vielleicht noch nicht entdeckten Schatz, als wertvoll. Aus vielen Teambegleitungen weiß ich, wie sich dieses im besten Sinne zumutende Führungsverständnis auszahlt, menschlich und wirtschaftlich.

      Mitarbeitergespräch: Über die Wünschbarkeit solcher (periodischer) Gespräche ist längst alles gesagt, was es zu sagen gibt. Dennoch überwiegt manchenorts bei Leitenden so etwas wie Berührungsangst. Hundert Vorwände und nicht zuletzt der Zeitdruck (auch ein Vorwand!) versetzen das Mitarbeitergespräch in die Kategorie der „aufgeschobenen = aufgehobenen“-Dinge. So wird dann das obligatorische, jährliche Qualifikationsgespräch zum Horror für alle Beteiligten. Dabei könnte auch hier die Ausrichtung auf den Mitarbeiter als Ressource viel Gutes bewirken.

      Weiterbildungsprogramme: Weiterbildung hat zu tun mit Anforderungen, Veränderungen und menschlichen Potenzialen. Die Anforderungen ergeben sich aus den zu erfüllenden Aufgaben, die Veränderungen hängen damit zusammen, dass sich Bedürfnisse (der Kunden) ändern, aber auch die Rahmenbedingungen der Leistung (Konkurrenz, behördliche Sparprogramme usw.). Um mit Veränderungen Schritt zu halten, sind oft Anforderungen zu erfüllen, die über schon Gelerntes hinausgehen, eventuell auch davon abweichen. Damit sind wir bei den Potenzialen der Mitarbeitenden, den Ressourcen. Weiterbildung, die den Namen verdient, findet nur statt, wenn sie von den beteiligten Menschen bejaht und mitgetragen wird. Daran führt kein Weg vorbei. Verordnete Weiterbildung ist keine, mögen die Programme noch so gescheit abgefasst sein.

      Führen beginnt also damit, andere wahrzunehmen, die Realität und Potenzialität der anderen zu erkennen und zu schätzen. Nun ist Wahrnehmung anderer eng verknüpft mit dem Wahrnehmen seiner selbst, dem eigenen Selbstkonzept. Banal und doch wie wahr: Wer sich selbst nicht mag, wird kaum je andere mögen. Und wer zu seinen Ressourcen keinen Zugang hat, wird sie anderen nicht zugestehen oder allenfalls die Ressourcen anderer missbrauchen.

      Die ganze Arbeit mit Kreativ-ritueller Prozessgestaltung hängt sehr davon ab, ob die Anleitenden selbst in der Achse sind, will heißen: bei sich und ihren Ressourcen. Fehlt diese Sender-Qualität, verkommt die Anleitung sehr bald zur bloßen Technik, eventuell zur Manipulation.

      Psychotherapeutische Ansätze verfolgen, übers Ganze gesehen, ein ähnliches Ziel, nämlich die Befreiung des Individuums zu sich selbst. Im heute aktuellen Wortgebrauch lässt sich formulieren: Erst die Verbindung von Emotionaler Kompetenz mit Sozialer Kompetenz (uff!) begründet die Fähigkeit, andere zu würdigen. Sinn und Wirksamkeit der psychotherapeutischen Disziplinen stehen hier nicht zur Debatte. In Organisationen und Arbeitskontexten sind sie kaum anwendbar, im Unterschied zu manchen Methoden der Krpg, die niedrigschwelliger und spielerischer in die verschiedenen Bereiche der Führungspraxis eingebracht werden können.

      Nun zu einem anderen zentralen Begriff: der systemischen Sicht. In der Führung von Organisationen hat diese Sicht schon seit langem ihre Entsprechung: Führen wird heute weithin charakterisiert als: in vernetzten Bezügen bewusst denken und handeln. Eine Zeit lang war dafür noch der Begriff des „Ganzheitlichen“ gebräuchlich.

      Wer, in welcher Bildungsarbeit auch immer, den ganzen Menschen erreichen und bewegen will, kommt an der systemischen Betrachtungsweise nicht vorbei. Ganz ist der Mensch ja eben darin, dass er nicht nur für sich besteht, sondern Teil eines sich selbst organisierenden Universums ist. (Rupert Sheldrake hat dafür den Begriff der morphogenetischen Felder eingeführt, in deren Resonanz und Wandel sich die Evolution des Kosmos als unablässiger Lernprozess abspielt.)

      In der Führungspraxis gerät dieses Denken und Handeln in Zusammenhängen leider nicht selten ins Hintertreffen. Kurzfristige (kurzsichtige) Handlungszwänge oder Erfolgsverheißungen engen das Visier ein. Der Virus des „Zupackens, ohne lange zu fackeln“ greift um sich, die „Macher“ beherrschen die Szene. Dabei ist gegen „zupackendes Führen“ (vgl. „in die Handlung gehen“) nichts einzuwenden. Nur bleibt der Stellenwert dieses Handelns zu prüfen, der Reifegrad, und es stellt sich die Frage, ob auf dem Deck des sturmgepeitschten Schiffes überhaupt noch jemand die Aufgaben des Weitblicks und des Steuerns wahrnimmt.

      Dem „Systemischen“ ordne ich auch folgenden Gedanken zu: Unternehmen und Organisationen jeder Art sind so etwas wie Kreuzpunkte (oder eher: Kreuz-Räume) von Laufbahnen, Biografien, Reisen vom Ich zum Du, Lernfelder für soziales Zusammenleben. Dieses Biografie-Bewusstsein kann zur