war, dass wir aber manchmal bei dem Versuch, immer besser zu werden, unsere grundlegenden Instinkte und Fähigkeiten ignorierten. Ein Bereich, in dem wir uns damit schadeten, war die Elternschaft. Wie zwei Väter in meiner Studie feststellten, ist Elternsein mit einer steilen Lernkurve verbunden, und am Anfang kann es sein, dass man Fehler macht. Aber der Instinkt, Vater zu sein, ist stark und wird den Mann letztlich auf den richtigen Weg führen:
Noah: Man macht Sachen verkehrt, aber solange man nicht wirklich Schaden anrichtet, ist es einfach unvermeidlich […]
Adrian: Als sie zu uns gekommen ist, vielleicht vier Tage später, setzten wir sie zum ersten Mal in ihren Buggy und machten einen richtig langen Spaziergang. Alle sollten unser wundervolles Kind sehen […] [Irgendwann sagten wir:] »Sieht sie nicht ziemlich rot aus?!« Eineinhalb Stunden später fragten wir uns: Haben wir sie ausreichend mit Sonnencreme eingecremt? Sie war ziemlich rosa! Und dann gab es den Tag, als wir sie im Park hin und her schwenkten, und weil wir nicht wussten, wie stark wir waren, haben wir sie ziemlich rumgewirbelt und dachten schon, wir hätten ihr die Schulter ausgekugelt! Das haben wir nie wieder gemacht.
Noah und Adrian, Papas von Judy (sieben)
Die Botschaft lautet: Hören Sie auf Ihren Bauch. Lauschen Sie auf Ihren inneren Primaten, und dann wissen Sie, wie Sie Ihr Kind am besten aufziehen. Alle Eltern sind anders und erreichen ihre Ziele im Umgang mit ihren Kindern auf unterschiedliche Weise. Aber ihre Anatomie, ihr Gehirn, ihre Gene und ihre Hormone wurden alle von der Evolution für das Elternsein angelegt. Der Instinkt und die Fähigkeit zum Elternsein sind da, man muss nur darauf achten. Das gilt auch für Väter.
In den weiteren Kapiteln dieses Buchs bleiben wir fest in der Gegenwart. Wir schauen uns an, wie die Evolution massiv darin investiert hat, Männer zu Vätern zu machen – neurologisch, genetisch, physiologisch und psychologisch –, und wie heutige Väter, wenn sie bei ihren Kindern bleiben, Vorteile sammeln, die nicht nur für sie selbst und ihre Kinder wertvoll sind, sondern für unsere Gesellschaft insgesamt. Aber die Botschaft aus unserer evolutionären Vergangenheit lautet: Väter sind nicht nur Anhängsel der Mütter, gelegentliche Babysitter oder Taschenträger. Sie sind das Ergebnis von 500.000 Jahren Evolution, und sie bleiben ein entscheidender Teil der Geschichte der Menschheit.
TEIL ZWEI
EMPFÄNGNIS UND SCHWANGERSCHAFT
KAPITEL ZWEI
BABYS IM SINN
Schwangerschaft, Identität und den Mutterleib umarmen
Es gibt die oft zitierte, aber schlecht belegte Meinung, Muttersein sei etwas Instinktives – Frauen sind dafür geboren, Kinder zu wollen, und perfekt dafür ausgestattet, sich um Kinder zu kümmern. Als Mutter von zwei kleinen Töchtern kann ich versichern, dass es nichts Instinktives ist. Ich werde nie die steile Lernkurve nach der Geburt meiner ersten Tochter vergessen, als es eine so unüberwindliche Aufgabe schien, für ein Neugeborenes zu sorgen, dass ich es nicht einmal schaffte, mir die Zähne zu putzen oder die Spülmaschine auszuräumen. Und dabei hatte ich einen Vorsprung gegenüber meinem Ehemann. Schwangerschaft, Geburt und Stillen sind intensive emotionale und physische Erfahrungen; wir Frauen schwimmen dabei in einem Meer wundervoller Hormone, die dazu da sind, unseren Körper auf die Mutterschaft vorzubereiten, die Schmerzen und das Trauma der Geburt zu lindern, und die uns motivieren, schnell eine tiefe Bindung zu unseren Neugeborenen aufzubauen – lebenswichtig, damit wir uns trotz des Schlafmangels und der ständigen Forderung nach Nahrung weiter um sie kümmern. Väter hingegen haben keine derartigen Erfahrungen, die sie unterstützen, und zumindest oberflächlich betrachtet könnte es scheinen, dass die neun Monate der Schwangerschaft an dem werdenden Vater weitgehend spurlos vorbeigehen, abgesehen von ein paar anstrengenden Besuchen bei Ikea und Versuchen, ein Kinderbett zusammenzubauen. Scheinbar kann der Prozess, ein Elternteil zu werden und eine Bindung zum Kind zu entwickeln, für Väter erst richtig nach der Geburt beginnen.
Wann wird ein Mann zum Vater? Schauen wir uns die Möglichkeiten an. Es könnte an dem Tag sein, an dem er den Wunsch nach einem Kind ausdrückt. Oder im Augenblick der Zeugung. Vielleicht passiert es auch in der Schwangerschaft, wenn ihm dämmert, dass er eine neue Identität annehmen muss. Oder es beginnt erst mit der Geburt. In diesem Kapitel will ich untersuchen, was während der Schwangerschaft mit einem Vater passiert. Ich betrachte seine Biologie, seine Psychologie und sein Verhalten. So versuche ich zu verstehen, wie er das entscheidend wichtige Band zu seinem ungeborenen Kind aufbaut, wie er mit seiner Partnerin zusammenarbeitet, um ein Elternteam zu werden, und wie er seine neue Identität als »Papa« entwickelt. Lange Zeit meinte man, ein Mann würde erst zu einem Vater, wenn er sein neugeborenes Kind im Arm hält und die Beziehung zu dem Baby beginnt. Bis dahin war die Schwangerschaft etwas, das eindeutig einer anderen Person widerfuhr. Aber wäre es so überraschend zu hören, dass angesichts der folgenreichen Veränderungen in Anatomie und Verhalten, die Ursache und Folge des Entstehens der Vaterschaft waren, die Evolution auch dafür gesorgt hat, dass die Papas schon vor der Geburt fest in die Familie eingebunden wurden?
Das Hormon Oxytocin hat eine vielfältige Rolle. Gebildet wird es von einer kleinen Ausstülpung an der Unterseite des Gehirns, der sogenannten Hirnanhangdrüse, und im Körper erfüllt es mehrere wichtige Aufgaben. Es ist verantwortlich für den Beginn der Wehen, für die Milchproduktion und die Bildung und Beweglichkeit der Spermien – alles wichtige Etappen bei der Reproduktion. Aber seine wahre Macht entfaltet Oxytocin im Gehirn. Denn Oxytocin ist das Schmiermittel bei der Entstehung neuer Bindungen: zwischen Liebenden, zwischen Eltern und Kind, zwischen engen Freunden. Es wirkt ein bisschen wie Alkohol, baut Hemmungen ab, neue Partnerschaften einzugehen, und sorgt dafür, dass Sie quer durch einen Raum marschieren, um mit dem Objekt Ihrer Begierde ein Gespräch zu beginnen. Wir alle haben einen Grundspiegel des Hormons, und dass der von Individuum zu Individuum variiert je nach genetischer Ausstattung und Umgebung, bedeutet, dass wir alle unterschiedlich darin sind, wie wir mit unserer Schüchternheit umgehen und wie wir uns in neue Beziehungen stürzen. Das gilt auch für die Beziehung zwischen Vater und Kind. In späteren Kapiteln werden wir sehen, wie die jeweiligen Eigenschaften eines Mannes sich auf sein Verhalten als Vater auswirken und darauf, wie leicht er eine Bindung zu seinem Baby herstellt.
Oxytocin arbeitet außerdem eng mit einem weiteren wichtigen neurochemischen Botenstoff zusammen, dem Dopamin. Dopamin wird oft als Belohnungshormon bezeichnet und wirkt in einem Teil des Gehirns, das Belohnungszentrum heißt; die Freisetzung von Dopamin verursacht intensive Glücksgefühle und Euphorie. Der Genuss beim Essen von Schokolade oder dem liebsten Snack – das ist Dopamin. Dopamin und Oxytocin haben eine wunderbare Arbeitsbeziehung, besonders wenn sich eine neue Bindung bildet. Erstens machen sie in Kombination das Gehirn plastischer, das heißt, es wird leichter, seine neuronale Struktur zu verändern – entscheidend wichtig, wenn man neue Erinnerungen abspeichern oder neue Fakten über jemanden lernen will. Zweitens ergänzen sich Oxytocin und Dopamin richtig gut. Ich beschreibe ihre Beziehung gern als »guter Cop« und »begeisterter Cop«. Dopamin – der begeisterte Cop – verleiht uns den Elan und die Motivation, vom Sofa aufzustehen und eine neue Beziehung einzugehen. Aber Begeisterung kann manchmal bedeuten, dass die feineren Aspekte bei der Bildung einer Beziehung im Eifer des Gefechts untergehen. Das Oxytocin – das unsere Angstkreisläufe unterbricht und unsere Bindungskreisläufe verstärkt (die uns motivieren, Beziehungen zu knüpfen und zu erhalten) – dämpft die extremeren Auswirkungen von Dopamin auf unsere Konzentrationsfähigkeit und verschafft uns die nötige Ruhe im Kopf, damit die Beziehung funktioniert.
Viele Jahre lang galt Dopamin wegen seiner Verbindung mit Geburt und Stillen als das weibliche Liebeshormon, aber in letzter Zeit ist klar geworden, dass seine Rolle bei männlichen Beziehungen genauso wichtig ist wie bei weiblichen. Und es ist entscheidend für die Bildung des Elternpaars. Aktuelle Forschungen haben gezeigt, dass Väter und Mütter, die während der Schwangerschaft zusammenleben, ähnliche Oxytocinspiegel im Blut aufweisen. Leiterin des Teams, das das herausgefunden hat, ist Professor Ruth Feldman, Entwicklungspsychologin an der israelischen Bar-Ilan-Universität. Feldman und ihre Forschergruppe haben wohl die meisten und die wichtigsten Erkenntnisse zu unserem Wissen über die neurochemischen Seiten der Vaterschaft beigetragen. Sie sind eine herrlich vielfältige Gruppe,