Anna Machin

Papa werden


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bringe sie ins Bett […] jeden Abend, und das soll noch lange so gehen […] Ich will hier sein, [um] in Erinnerung [zu] bleiben.

       Mark, Papa von Emily (sechs Monate)

      Die Schwangerschaft gehört zu den wenigen Ereignissen im Leben, bei denen wir uns wirklich Zeit nehmen können, um uns auf eine größere Veränderung der Lebensumstände vorzubereiten. Die anderen wichtigen Übergänge – Pubertät, die erste Liebe, der erste Verlust – sind nicht so absehbar. Eltern haben die Chance, sich in den neun Monaten Schwangerschaft praktisch und emotional auf den Neuankömmling einzustellen. Wie aus den Berichten der Papas hervorgeht, die wir in diesem Kapitel gehört haben, ist es für viele Väter ein wichtiger Teil der Vorbereitung, sich zu überlegen, welche Art Vater sie sein wollen. Diese Gedanken über die Identität sind höchst wichtig für die Bindung, aber auch für das Selbstverständnis des Mannes und die Beziehung zu seiner Partnerin oder seinem Partner; alles wichtige Faktoren, wie gut ein Mann den Übergang zum Vatersein bewältigt. Hier spielt die Fantasiekraft eine ganz entscheidende Rolle:

      Bevor ich ein Kind hatte, träumte ich davon, dass ich mit meiner Kleinen in ihrem Zimmer bin, weil sie ein bisschen unruhig ist, und ich wiege sie in einem Schaukelstuhl. Bevor also mein kleines Mädchen angekommen ist, habe ich den Schaukelstuhl meiner Mutter geholt und ins Kinderzimmer gestellt. Als er da stand, war es wie: »Endlich! Ich sitze in einem Schaukelstuhl! Und halte ein Baby in den Armen!« So wie Menschen von der Hochzeit ganz in Weiß träumen, war das mein Traum, wie es sein würde, wenn ich ein Baby habe.

       Adrian, Papa von Judy (sieben)

      Schließlich hat noch ein äußerer Faktor erheblichen Einfluss auf die Bindung zu dem ungeborenen Kind, und das ist die Beziehung zur Partnerin oder dem Partner. Wenn die Beziehung zwischen werdenden Eltern stark und gut ist, mit einem hohen Grad an Zufriedenheit und gegenseitiger Unterstützung für die Rolle des jeweils anderen, entwickeln Väter stärkere Bindungen an ihre ungeborenen Kinder als die Väter, die eher Distanz zur Partnerin spüren. Offensichtlich ist es für jedes Paar schwierig, ein Baby in eine bestehende Beziehung zu integrieren, aber je mehr Gemeinsamkeit man auf diesem Weg empfindet, desto besser für die Familie.

      Bei der Mehrheit der Väter wird mit dem Fortschreiten der Schwangerschaft die Bindung an das ungeborene Kind intensiver. Doch bei manchen Vätern klappt es mit der Bindung nicht so reibungslos. Manchen Männern wie Jim fehlt ein geeignetes Rollenvorbild als Vater, andere haben mit seelischen Problemen zu kämpfen, wieder andere erleben eine Krise in der Beziehung zur Mutter des Kindes.

      Bevor mein Sohn geboren wurde, habe ich viel darüber nachgedacht, was ich für ihn sein soll, was meine Rolle ist. Meine Eltern ließen sich scheiden, als ich noch ganz klein war, deswegen war es für mich sehr hart, denn ich hatte wirklich kein Rollenmodell im Kopf, wie ein guter Vater ist […] Mein Vater war der fremde, lustige Kerl, der an den Wochenenden auftauchte, aber ich möchte mich um meinen Sohn kümmern und Zeit mit ihm verbringen. Anders als mein Vater, der nicht die Gelegenheit dazu hatte.

       Jim, Papa von Sean (sechs Monate)

      In Fällen wie diesen kann die Stärke der Bindung des Vaters an das ungeborene Kind ein Indiz für künftige Probleme in dieser Beziehung sein, die wiederum Auswirkungen auf die Gesellschaft insgesamt haben. Wie wir in Kapitel zehn sehen werden, hat die Beziehung des Vaters zu seinem Kind das Potenzial, einen starken Einfluss auf seine verhaltensmäßige, emotionale und psychische Entwicklung auszuüben, der anders ist als jeder Einfluss, den die Mutter haben kann. Wenn die Bindung stark ist, fördern Väter die seelische Gesundheit, ermutigen zu Unabhängigkeit und unterstützen die Verhaltens- und Sprachentwicklung. Aber wenn diese Bindung unzulänglich ist, können die Folgen nicht nur für das Kind und seine Familie negativ sein, sondern auch für die Gesellschaft insgesamt. Kinder mit unsicheren Bindungen an ihre Eltern haben ein erhöhtes Risiko, antisoziale Verhaltensweisen oder eine Sucht zu entwickeln oder an seelischen Problemen zu leiden. John Condon hat in seinen Untersuchungen über die Bindung vor der Geburt herausgefunden, dass neben der Qualität der Beziehung zwischen Mama und Papa die Bindung des Vaters an sein Kind der stärkste Prädikator dafür ist, ob er nach der Geburt eine gute Beziehung zu seinem Kind aufbauen wird. Das ist eine ungeheuer wichtige Erkenntnis, denn sie bedeutet, dass wir ein Instrument haben, das uns erlaubt, schon vor der Geburt Fälle zu identifizieren, die bei der Entwicklung der Beziehung Hilfe brauchen werden.

      * * *

      Das vorgeburtliche Band zwischen Vater und Kind hängt wesentlich von der Vorstellungskraft des Vaters ab und ist harte Arbeit: sich das Kind und die künftige Beziehung ausmalen, Gelegenheiten suchen, um mit dem Kind im Mutterleib zu interagieren, und sich die Zeit nehmen, um zu überlegen, welche Art von Vater man sein will. Tim berichtet:

      Ich hoffe, dass ich langsam beginne, eine Beziehung zu dem Baby aufzubauen […] Es ist schwer, es fühlt sich an, als ob du zu einem Ding sprichst, das keine Vorstellung hat, wer du bist und was du tust. Aber ich spreche ziemlich viel mit ihm, ich fasse es auch viel an. Es gefällt mir, einbezogen zu sein, wenn ich da bin. Vor ein paar Tagen haben wir High Five gemacht, ich habe es getätschelt, und es hat zurückgetätschelt […] Vielleicht hatte es auch bloß Schluckauf, aber es war toll, einfach großartig.

       Tim, werdender Papa

      Wir wissen, dass die neurochemischen Botenstoffe, die für Schwangerschaft und Geburt stehen – Oxytocin und Dopamin – auch der Vater hat, aber in viel geringerer Konzentration als die Mutter und nach viel mehr Zeit und Einsatz (ganz abgesehen von der Geburt!). Aber die Evolution speist die Väter nicht mit einer Schwangerschaft nur in der Fantasie ab – sie hat noch einen wunderbaren Trick im Ärmel, um Männern beim Übergang in die Vaterrolle zu helfen.

      Viele sagen, Testosteron sei das Hormon, das einen Mann zum Mann macht. Wenn es zwischen der sechsten und zwölften Schwangerschaftswoche im Mutterleib freigesetzt wird, entwickeln sich bei einem männlichen Fötus Penis und Hoden, und überdies hat es Einfluss auf die Entwicklung des Gehirns. Nach der Geburt, so heißt es, würden das Testosteron und sein Einfluss auf die Gehirnentwicklung und das Verhalten dafür sorgen, dass kleine Jungen sich männliche Spielzeuge aussuchen und jeder Stock für sie zu einem Schwert oder Gewehr wird. In der Pubertät ist Testosteron für die Verteilung von Fett und Muskelgewebe und die Entwicklung der Knochen zuständig; Kiefer, Schultern und Brustkorb werden breiter, auf der Brust, im Gesicht und im Genitalbereich wachsen Haare. Und Testosteron entscheidet, wie gut ein Mann als Liebhaber und Vater sein wird.

      Lange galt, dass Männer mit einem höheren Testosteronspiegel als Partner erfolgreicher und attraktiver sind. Das könnte mit zwei Dingen zusammenhängen: einer durch Testosteron gesteuerten höheren Motivation, nach Frauen Ausschau zu halten, und einer Präferenz der Frauen für Partner mit breiten Kiefern und Brustkörben – die bessere Beschützer und Ernährer sind. Doch wenn ein Mann sich entscheidet, bei einer Frau zu bleiben und eine Familie zu gründen, wird der hohe Testosteronspiegel, der früher ein Vorteil war, hinderlich. Während er versucht, sich auf seine neue Rolle als hingebungsvoller Partner und Vater zu konzentrieren, drängen ihn seine Hormone, sich weiterhin nach anderen Partnerinnen umzusehen. Für Nachwuchs, der auf seine Fürsorge angewiesen ist, wäre das schädlich. Diese Konstellation ist als »Herausforderungshypothese« bekannt, und eine Herausforderung ist es in der Tat. Aufgestellt hat die Hypothese der britische Zoologe John Wingfield; dabei geht es um die schwierige Frage, wie ein Mann die Anforderung, ein erfolgreicher Liebhaber zu sein, bevor er Kinder hat, mit der Herausforderung, anschließend ein erfolgreicher Vater zu sein, ausbalancieren kann. Und wie lautet die Antwort? Das Testosteron muss weichen.

      Und es weicht tatsächlich. In so unterschiedlichen kulturellen Umfeldern wie bei polygynen senegalesischen Ackerbauern, Israelis der Mittelschicht, sehr aktiven philippinischen Vätern, Kanadiern der Mittelschicht, jamaikanischen Vätern, die nicht mit den Müttern ihrer Kinder zusammenleben, und in meiner Gruppe englischer Papas haben Väter signifikant niedrigere Testosteronspiegel als Nichtväter, unabhängig davon, ob sie mit ihren Kindern zusammenleben oder nicht. Und wir wissen, dass Männer mit niedrigeren Testosteronspiegeln stärker auf das Weinen eines Kindes reagieren, eher aktiv an der Erziehung ihres Kindes mitwirken wollen und mehr Empathie und Zuneigung gegenüber ihren Kindern an den Tag legen als Männer mit