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Englisch ab Klasse 1 - Grundlage für kontinuierliches Fremdsprachenlernen


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Frage nachging, wie Lehrer*innen Lernaufgaben im Englischunterricht der Grundschule inszenieren, Brennpunkte solcher Zusammenarbeit. Der Beitrag schließt mit Überlegungen, ob und wenn ja, in welcher Weise dieser konkrete Fall Anstöße für Folgeprojekte kollaborativer Forschung liefern kann.

      1 Das PROJEKT1. Ein Fall

      Der Kontext: In der deutschen Großstadt (ca. 740 000 EW), in der dieser Fall situiert ist, wird Englisch gemäß den Richtlinien des zuständigen Kultusministeriums (Schulgesetz) verbindlich ab der dritten Jahrgangstufe an allen Grundschulen unterrichtet. Angeregt durch eine Gruppe bildungsinteressierter Eltern haben drei Grundschulen eine Initiative gestartet, Englisch schon ab Klasse 1 anzubieten. Nach zwei Jahren Erprobung auf der Basis selbst entwickelter Curricula und Materialpakete stellen die Schulen beim Ku ltusministerium den Antrag auf Förderung des PROJEKTS durch eine weitere Zuweisung zusätzlicher Stunden für die Klassen 1 und 2. Das Kultusministerium stimmt dem Antrag unter der Bedingung zu, dass das PROJEKT über den Zeitraum von zunächst drei Jahren wissenschaftlich begleitet wird.

      Der Auftrag: Die wissenschaftliche Begleitung (WiBe) soll die PROJEKT-Schulen kontinuierlich beraten, den von den Kindern am Ende von Klasse vier erreichten Leistungsstand einschätzen und untersuchen, welche Formen der Weiterführung der Programme in Klasse 5 etabliert werden. D.h. es gilt darzulegen, wie die Grundschulen mit den weiterführenden Schulen zusammenarbeiten und mit welchen Maßnahmen die aufnehmenden Sekundarstufenschulen die erreichten (Teil)Kompetenzen der Kinder systematisch weiterentwickeln. Die Leistungsfähigkeit der jeweils realisierten Modelle für die Weiterführung in Klasse 5 ist einzuschätzen. Dabei sollen die besonderen Bedingungen einer Großstadtregion berücksichtigt werden (freie Schulwahl für die Sek I).

      Das Team: Das Kultusministerium beauftragt eine Forschergruppe (bestehend aus einer Juniorprofessorin, einem Professor und einer Wissenschaftlichen Mitarbeiterin). Diese nimmt den Auftrag unter der Bedingung an, dass mindestens eine weitere Grundschule aus einem deutlich bildungsferneren Umfeld der Großstadt mit einer Gesamt- und einer Realschule als aufnehmende Schulen in das PROJEKT integriert werden. Das Kultusministerium stimmt zu. Allerdings zieht sich die Integration der weiteren Schulen fast zwei Jahre hin. Am Ende des zweiten Projektjahres gehören fünf Grundschulen, drei Gymnasien, eine Real- und eine Gesamtschule zum PROJEKT. Eine Lehrkraft einer der PROJEKT-Schulen wird mit Projektbeginn mit halber Stelle für die Koordination der Aktivitäten auf Schulebene und die Kommunikation zwischen den Schulen und der WiBe freigestellt. Zwei weitere Grundschulen schließen sich dem PROJEKT an und werden in die Förderung aufgenommen. Damit arbeiten schließlich 7 Grundschulen in dem PROJEKT mit. Die Juniorprofessorin wird zwischenzeitlich auf eine W3-Professur an eine andere Hochschule berufen. Sie ist bereit, die Zusammenarbeit fortzusetzen.

      Die Arbeitstreffen: Während der Schulzeit treffen sich Vertreter*innen aller beteiligten Schulen und die WiBe einmal pro Monat für zwei Stunden abwechselnd an einer der PROJEKT-Schulen. Einmal pro Schuljahr findet eine Klausurtagung von 1 ½ Tagen in einem Bildungszentrum des Bundeslandes statt. Vertreter*innen der Schulverwaltung und des Kultusministeriums nehmen regelmäßig an diesen Treffen teil.

      Die Genehmigungen: Mit der Erteilung des Auftrags zur WiBe genehmigt das Kultusministerium Unterrichtsbeobachtungen in allen Schulen, Videoaufnahmen, die Durchführung von Interviews mit Schüler*innen und Lehrkräften und die Durchführung von Tests.

      Die Laufzeit: Nach 6 Jahren endet das PROJEKT mit einer öffentlichen Abschlussveranstaltung an einer der PROJEKT-Schulen. Die beteiligten Grundschulen erhalten weiterhin je eine Extrastunde für die ersten beiden Schuljahre zur Fortführung des Englischunterrichts ab Klasse 1. Die zweite Stunde müssen sie aus dem Stundenkontingent der Schule für die Profilbildung bestreiten. Eine darüberhinausgehende Verstetigung seitens der Schulbehörde findet nicht statt.

      Im Folgenden sollen forschungsmethodische, forschungsstrategische und forschungsethische Aspekte und Herausforderungen erörtert werden, die sich im Zusammenhang mit diesem besonderen Fall, dem PROJEKT, ergaben und die über diesen hinaus für ähnliche Konstellation beachtenswert sind, nämlich für Projekte, in denen Lehrer*innen und professionelle Forscher*innen gemeinsam forschen, indem sie versuchen eine Gemeinschaft der Forschenden (community of inquiry) zu bilden.

      2 Kollaborative Forschung

      2.1 Wissenschaftliche Begleitung, Lehrer- und Praxisforschung

      Unterschiedliche Interessen treffen bei der formalen Konstituierung des PROJEKTS und seiner wissenschaftlichen Begleitung aufeinander. (1) Die Lehrkräfte der Kerngruppe (unterstützt durch die Schulleitungen und Eltern), die das Projekt in Gang setzten und über zwei Jahre Schulcurricula für Englisch ab Klasse 1 und entsprechende Materialpakete entwickelt hatten, erwarteten zu Recht intensive Unterstützung und fachkundige Beratung mit dem Ziel, die begonnenen Schulprogramme zu verstetigen und weiter zu entwickeln. (2) Das staatliche Schulamt, das das PROJEKT aktiv unterstütze, erwünschte sich kritische Einsichten in die Realisierbarkeit von Profilbildungen „Englisch ab Klasse 1“ im Verbund von ausgewählten Grundschulen und weiterführenden Schulen in einer Großstadtregion, in der weiterhin der allgemeine Einstieg in die englische Sprache in Klasse 3 erfolgte. Solche Profilbildungen schienen vor allem deshalb von großem Interesse, weil zahlreichen Neugründungen von Privatschulen im Stadtbereich alle bereits ab dem ersten Schuljahr eine Fremdsprache, in der Regel Englisch, verpflichtend machten. (3) Das Kultusministerium, das die Finanzmittel für die zusätzlichen Stunden, die Mittel für die Projektkoordination (1/2 Stelle einer Lehrkraft) und die Mittel für die wissenschaftliche Begleitung bereitstellte, erwartete nicht nur valide Auskünfte über den erreichten Leistungsstand der Kinder am Ende von Klasse 4, sondern auch substantielle Erkenntnisse zu Formen der Weiterführung des in der Grundschule Begonnenen. Zu dokumentieren und kritisch zu erörtern waren demnach die von den Schulverbünden entwickelten und erprobten Konzeptionen des Übergangs, die als Modelle für vergleichbare Profilbildungen in städtischen Regionen des Bundeslandes fungieren konnten. (4) Schließlich sind die Interessen der Fremdsprachendidaktiker*innen zu nennen, denen sich im Kontext der wissenschaftlichen Begleitung und der intensiven Zusammenarbeit mit den Lehrkräften die Chance bot, eigene Forschungsvorhaben im Forschungsfeld des frühen Fremdsprachenlernens neu zu konturieren und weiterzuverfolgen, bzw. neue Forschungsprojekte anzustoßen.

      Obwohl die Initiative für das PROJEKT von den Lehrkräften und Schulen ausging, war mit seiner Formalisierung die Erwartung verbunden, dass den professionellen Forscher*innen von nun an die Verantwortung übertragen war, Initiativen für den Einstieg in die gemeinsame Arbeit zu ergreifen, den Arbeitsprozess zu strukturieren und zu leiten. Dabei galt es, ein ganzes Bündel Fragen im Auge zu behalten, von denen hier nur einige genannt werden: Wie könnte es gelingen, den unterschiedlichen Interessen gerecht zu werden? Welche besonderen Chancen brachte das komplexe Setting für Forschungen zum frühen Englischunterricht mit sich? Wie könnten sie genutzt werden? Welche Herausforderungen waren zu beachten und wie konnten sie gemeistert werden? Wie müssten die mit dem Auftrag verbundenen Aufgaben und Untersuchungen konkretisiert werden, damit sie unter den gegebenen Bedingungen auch bearbeitet werden konnten? Welche Schwerpunkte sollten gebildet werden? Wer würde für was im Laufe des PROJEKTS Verantwortung übernehmen? Und vor allem: Welche Rolle(n) könnten und wollten die Lehrer*innen, die die wichtigsten Aktanten des PROJEKTS waren, übernehmen? Wie das Forschungskonzept der Gruppe im Einzelnen auf diese und weitere Fragen zu antworten versuchte, wird im Teilkapitel 2.2 dargelegt. Zunächst soll das Verhältnis der professionellen Forscher*innen zu den Lehrer*innen unter Berücksichtigung verschiedener Forschungsansätze, die Anstöße für die Konkretisierung des Forschungskonzepts boten, erörtert werden.

      Das Verhältnis von Theorie und Praxis, von Forschung und Unterricht ist seit Langem Thema fremdsprachendidaktischer und erziehungswissenschaftlicher Diskurse. Nicht nur die Frage, wer unter welchen Bedingungen befähigt ist, fachdidaktisches Wissen zu generieren, sondern wie dieses Wissen zu kategorisieren und zu bezeichnen ist, spielt dabei eine zentrale Rolle (Appel 2000). Clarke hat in einem viel beachteten Beitrag vor mehr als 20 Jahren argumentiert, dass der etablierte Theorie-Praxis-Diskurs der Disziplin für Lehrer*innen dysfunktional sei. Denn diejenigen, die Forschung betreiben und Theorien über