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Englisch ab Klasse 1 - Grundlage für kontinuierliches Fremdsprachenlernen


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bleibt festzuhalten, dass selbst Lehrer*innen, die sich regelmäßig vom Team beobachten und videografieren ließen, immer wieder auf den Aspekt „Schaustunde“ zurückkommen, wie die folgende Äußerung zeigt:

       Stimme 2

      Anna: I weiß noch nicht, was ich morgen machen werde. Ich muss da später darüber nachdenken. Ich dachte, dass ich dir zeigen könnte, was ich mir vorgestellt habe. Es ist nichts Besonderes. Aber ich dachte, dass das jetzt reichen muss. Ich habe dieses Mal keine Zeit etwas Besonderes vorzubereiten. Ich muss schon früher als normaler Weise da sein um diese Frau zu treffen, damit sie die Filmausrüstung aufbauen kann.

      Annas Anmerkung steht stellvertretend für andere, denn sie drückt die Sorge der Lehrer*innen aus, für die Beobachtung durch die professionellen Forscher*innen und vor allem bei geplanten Videoaufnahmen etwas Besonderes bieten zu müssen. Die Wertschätzung der alltäglichen Praxis und ihrer Routinen war deshalb eine permanente Aufgabe für das Forscher*innenteam und eine der Voraussetzungen für den Aufbau von Vertrauen.

      2.3.4 Der Aufbau vertrauensvoller Beziehungen

      Vertrauen ist eine entscheidende Bedingung empirischer fremdsprachendidaktischer Forschung, denn es berührt alle Phasen des Forschungsprozesses, den Zugang zum Feld, die Gewinnung und Analyse der Daten, die Präsentation der Ergebnisse und den Rückzug aus dem Feld. Vertrauen ist nicht automatisch gegeben, sondern muss erarbeitet werden und braucht Entwicklungszeit. Ferner ist es höchst anfällig für Störungen: “[It is] always a fragile and momentary accomplishment, subject often to rapid shifts within encounters and over time, and always vulnerable to exigencies“ (Candlin / Chrichton 2013: 5). Aus diesem Grund verlangt es nach kontinuierlicher Pflege und erfordert die Bereitschaft und Fähigkeit der Beteiligten, mit Vertrauenskrisen umzugehen.

      Die Herausforderung, vertrauensvolle Beziehungen zu schaffen und zu erhalten, begleitete das PROJEKT bis zu seinem Ende. Lehrer*innen artikulierten anfangs Enttäuschungen und Frustration über Wissenschaftler*innen, die im schulischen Kontext Daten erheben und danach nicht mehr gesehen werden: Denn fast alle hatten im Laufe ihrer Karrieren an Studien teilgenommen, ohne über Ergebnisse informiert oder in einen Diskurs über die Untersuchungen einbezogen worden zu sein. Immer wieder würden an sie Anfragen gerichtet, an einer Studie teilzunehmen:

       Stimme 3

      Anna: Oft sind die Umfragen ziemlich lang. Ich verstehe, warum nicht viele Lehrer antworten. Und dann machst du es und dann gibt es oft keinerlei Rückmeldung oder es dauert Jahre und dann hast du schon längst wieder vergessen, um was es in der Umfrage ging.

      Anna vermisst die direkte Rückmeldung, auf die Forschung mit Praktiker*innen gerade in Hinblick auf den Erhalt vertrauensvoller Beziehungen nicht verzichten darf. Direkte Rückmeldung, hot feeedback (Sarangi / Candlin 2003: 277), etwa nach Phasen der Datenerhebung, ist jedoch nicht immer leicht zu realisieren. Trotz großer Anstrengungen gelang es dem Forschungsteam nur teilweise, (Zwischen)Ergebnisse zeitnah in die Gesamtgruppe zurückzugeben.

      Besonders vertrauensbildend wirkte die Vereinbarung, dass Mitglieder des Forschungsteams Klassenzimmer grundsätzlich nur auf Einladung der Lehrer*innen betreten würden. Videoaufnahmen würden nur auf Wunsch und mit Zustimmung der Lehrkraft erfolgen, wenn gemäß den rechtlichen Bedingungen auch Schulleitungen, Schulkonferenzen und Eltern zustimmten. Die Vereinbarung betonte außerdem die Freiwilligkeit der Teilnahme an den einzelnen Forschungsaktivitäten.

      Als deutliches Zeichen des langsam gewachsenen Vertrauens darf der Umstand gelten, dass nach etwa zweieinhalb Jahren Projektarbeit Videodokumente, die im Unterricht einzelner PROJEKT-Schulen entstanden, Gegenstand des professionellen Austausches in der Gesamtgruppe wurden. Nachdem das Eis einmal gebrochen war, wurden die monatlichen Treffen zunehmend vom Austausch über den dokumentierten Unterricht bestimmt. Lehrer*innen wählten aus den Videodokumenten des eigenen Unterrichts, die ihnen das Forschungsteam zur Verfügung stellte, kurze Sequenzen aus und brachten den Dialog in Gang, indem sie die Auswahl begründeten und Fragen an die Gesamtgruppe formulierten.

      Vertrauensbildend war zudem, dass Mitglieder des Forscherteams geplante Vorträge und Seminare zum PROJEKT für nationale wie internationalen Kongresse mit den Lehrer*innen besprachen, sich Korrekturen und Anregungen erbaten und vor allem die Erlaubnis einholten, Videodaten zeigen zu dürfen.1 Da Lehrer*innen nur in wenigen Ausnahmen selbst an solchen Kongressen teilnehmen konnten, wurde ihnen durch die Vorbesprechungen und die Zurverfügungstellung von Präsentationen eine vermittelte Teilnahme ermöglicht. Für letzteres eigneten sich besonders die jährlichen Blockseminare. Dass das lokale PROJEKT auf der internationalen Bühne erörtert wurde, erfüllte die Gruppe sichtbar mit Stolz.

      Ferner müssen in diesem Zusammenhang Publikationen zu Lernaufgaben und zum Übergang von der Grundschule in die Sekundarstufe erwähnt werden, die während des Projektverlaufs entstanden.2 Auch wenn von Lehrer*innen nicht erwartet wurde, dass sie solche verfassten, waren sie an ihrer Entstehung und Fertigstellung maßgeblich beteiligt, denn sie lieferten nicht nur Materialien, die im Unterricht entstanden und erprobt wurden, sondern auch Rückmeldungen und Korrekturen, bevor Texte in Druck gingen.

      Aufbau und Pflege vertrauensvoller Beziehungen wurden schließlich von einer erfahrenen und unter den Kolleg*innen sehr geschätzten Lehrkraft entscheidend befördert, die eine Doppelrolle wahrnahm. Sie unterrichtete wie ihre Kolleg*innen und gehörte zugleich mit der Hälfte ihres Stundendeputats zum Forschungsteam. Sie lud zu den monatlichen Sitzungen und Jahrestagungen ein, die sie protokollierte, und nahm an den wöchentlichen strategischen Sitzungen teil. Als Begleiterin und Türöffnerin bei den ersten Unterrichtsbesuchen bestätigte sie, dass die Wissenschaftler*innen das Vertrauen der Praktiker*innen verdienten (Fetterman 2010). Was diese Lehrkraft ferner auszeichnete, war ihre Bereitschaft, Vertretungsunterricht zu übernehmen, damit die Kolleg*innen sich gegenseitig besuchen konnten.

      2.3 Die Gemeinschaft der Forschenden: Rollen, Aufgaben und Teilprojekte

      Das Zusammenspiel der oben skizzierten Parameter konstituiert und stabilisiert den von Bergold / Thomas (2012) apostrophierten sicheren Raum (safe space), in dem sich für das PROJEKT allmählich eine Handlungsgemeinschaft, a community of practice (Wenger 1998) etablieren konnte, deren Forschungsaktivitäten nur als Gemeinschaftsleistung in Erscheinung treten konnten und deren Erfolg von den Binnenverhältnissen der Beteiligten abhängt:

      Participatory research requires a great willingness on the part of participants to disclose their personal views of the situation, their own opinions and experiences. In everyday life, such openness is displayed towards good and trusted friends, but hardly in institutional settings or towards strangers. The fear of being attacked for saying something wrong prevents people from expressing their views and opinions, especially when they appear to contradict what the others think (Bergold / Thomas 2012: 12).

      Orientierung und Sicherheit der Beteiligten speisten sich darüber hinaus aus einer transparenten Arbeitsteilung mit entsprechend klaren Rollenbestimmungen, die wir bereits implizit angesprochen haben. Sie lassen sich wie folgt zusammenfassen:

      Lehrer*innnen, die Expert*innen für Unterricht, hatten die Aufgabe, wann immer möglich ihre Stimme zu erheben und dafür Sorge zu tragen, dass die Fragen, die sie interessierten, Gehör fanden und bearbeitet wurden. Sie waren in besonderem Maße dafür verantwortlich, dass das breite Spektrum unterrichtsbezogener Produkte, von Lehrer*innen und Schüler*innen produzierte schriftliche wie mündliche Texte, erfasst werden konnten. Da solche Texte während des täglichen Unterrichts in großer Zahl entstehen, müssen sie nicht extra erhoben werden, sondern sind einfach da (Caspari 2016b). Solche Texte zu sammeln, fragebezogen zu ordnen und in den Diskurs einzubringen, ist eine zumutbare und leistbare Arbeit, die wesentlichen Einfluss auf die Arbeit in den Gruppen hatte. Unterrichtsbezogene Produkte helfen dabei, im Sinne von Allwright / Hanks (2009) die Forschungsarbeit in die pädagogische Praxis zu integrieren. Sie ergänzten die von den Forscher*innen erhobenen Daten, zu denen u.a. die Videomitschnitte gehörten.

      Forscher*innen: