2. Ordnung anzeigen, wenn der häufige Ausdruck von Begeisterung und Freude in der Gesellschaft für Frauen als normal eingespielt ist. Dann kann er auch für ParodiezweckeParodie genutzt werden.
Da die meisten Namen eindeutig auf ein Geschlecht verweisen (Nübling et al. 2015, hier Kap. 8), sprechen wir mit Silverstein (1976) von „referenzieller Indexikalität“ oder von Indexikalität 1. Ordnung. In der Grammatik des Deutschen verweisen Pronomen der dritten Person Singular direkt auf das Geschlecht von Personen und Genus des Substantivs (Kap. 4). Auch Verwandschaftsbezeichnungen wie MutterMutter, VaterVater, Onkel, Tante usw. verweisen direkt auf Geschlecht (Kap. 7).
Selbst die Verbindung von Gattung und Geschlecht kann einfach und direkt sein, wenn bestimmte Gattungen gesellschaftlich fest an eine GeschlechterrolleGeschlechterrolle gebunden sind (etwa die Predigt in der katholischen Kirche). Oft sind kommunikative Gattungen allerdings nur im Rahmen patriarchaler Ideologien genderisiert. Klatsch wurde oft als weibliches Betätigungsfeld abgewertet, was sowohl in der Zuordnung falsch ist (Johnson/Finlay 1997), als auch in der generellen Abwertung (Bergmann 1981). Lamentationen beispielsweise werden in vielen Kulturen ausschließlich von Frauen praktiziert (Kotthoff 2002b) und bestimmte Jagdgesänge oder verbale Angriffsspiele nur von Männern. Für bestimmte Tätigkeitskomplexe hat sich eine exklusive geschlechtliche Arbeitsteilung herausgebildet, innerhalb derer die kommunikative Gattung dann funktioniert (Günthner 2001). Wenn die in der Gattung ausgedrückten Emotionen, z.B. die der Trauer in georgischen Lamentationen, eher mit Frauen als mit Männern assoziiert werden, fungieren sie als ein Genderindex zweiter Ordnung.
Der Emotionenausdruck der Trauer ist nicht exklusiv weiblich, jedoch historisch eher mit dem öffentlich sichtbaren Trauern von Frauen verbunden. Bis ins letzte Jahrhundert hinein trugen Witwen beispielsweise länger die schwarze Trauerkleidung als Witwer. Mit Cameron (1997) plädieren wir dafür, bei der Erforschung von Sprechen und Geschlecht nicht von stabilen Korrelationen auszugehen, sondern eher davon, dass Stile (und meist auch Gattungen und andere Sprechaktivitäten) in soziale PraktikenKommunikative Aktivität eingebettet sind, in denen auch Gender (neben anderen sozialen Parametern) relevant gesetzt werden kann, aber nicht muss. Eckert/McConnell-Ginet (1992) betonen, dass unser Sprachverhalten von den Aktivitäten geprägt ist, in denen wir uns engagieren und soziale Beziehungen eingehen. Cameron (1997, 34) unterstreicht, dass durch den Begriff der kommunikativen PraxisKommunikative Praktik die Relationen von Sprache, Sprechen und Geschlecht zu vermittelten Relationen werden.
2.3 Indexikalität erster und zweiter Ordnung
Wir erkennen seit einiger Zeit, dass Geschlecht im Sprachverhalten kaum kontextübergreifend immer auf dieselbe Art und Weise symbolisiert wird (Günthner/Kotthoff 1991), aber dass es doch stilistische Verfahren gibt, die im Zusammenhang von Handlungen auch auf Gender verweisen. Wenn spezifische Sprechaktivitäten und ihre stilistischen Realisierung in der Gesellschaft mit historisch entstandenen Assoziationen verbunden sind, können sie u.a. eine besondere Ausprägung von Gender indizieren (eine über Interpretation hergestellte Indexikalität zweiter Ordnung). So entstandene Genderfolien eignen sich dann für die Inszenierung verschiedener Identitäten. Mit einem zurückhaltenden Gesprächstil (der traditionell eher als feminin gesehen wird) kann ein Mann sich z.B. in einem bestimmten Kontext als „Nicht-Macho“ oder als „neuer Mann“ inszenieren, eine Frau sich hingegen mit der gleichen Verhaltensweise als traditionelle Frau, da herkömmlich verschiedene Anzeichen für verbale Zurückhaltung am stärksten bei Frauen gefunden wurden. Ochs (1992, 337) versteht es so, dass Gender mit bestimmten PraktikenKommunikative Aktivität und Verhaltensweisen in eine assoziative Verbindung tritt, die kulturtypisch ist.
Pavlidou (2011, 412) erläutert die Position von Ochs zu indirektem Indizieren so, dass dies über Normen, Erwartungen und Präferenzen, die in einer spezifischen Handlungsgemeinschaft erkennbar sind, Aktivitäten mit Images von Männern und Frauen verbindet. Dann haftet ihnen Genderisierung an. Das wird nun an einem Beispiel verdeutlicht.
2.3.1 Jungen inszenieren eine weiblich assoziierte kommunikative Gattung
Gobiani/Kotthoff (2014) diskutieren einige Freizeitszenen aus einer georgischen Schülerclique, in der einige Jungen mit einem weiblich konnotierten Klagediskurs einen anderen Jungen aufziehen, der sich verletzt hatte und Schmerzenslaute von sich gab. Schmerzenslaute und -formeln sind in Georgien weiblich assoziiert (vgl. z.B. Kotthoff 2007). Dies streichen die Jungen heraus, indem sie im ironischen AufziehenAufziehen des verletzten Freundes Formeln verwenden, die sich in Georgien hochfrequent in den Lamentationen von trauernden Frauen finden (Kotthoff 2001). Für die Jungen ist es ein „weibliches Verhalten“, körperlichen Schmerz zu zeigen; sie beginnen in einer langen Interaktionssequenz, den verletzten Freund spöttisch mit den typischen Formeln lamentierender Frauen („Dein Leid mir“) indirekt zu verspotten. Sie imitieren Frauenstimmen und ihre Formeln aus rituellen Zusammenhängen der stark genderisierten Trauerklage. Solche Klageformeln verwenden georgische Mütter auch zur Warnung, wenn ihre Kinder gefährdet sind oder sich kritikwürdig verhalten, z.B.: deine MutterMutter soll dir sterben; warum bin ich am Leben; weh meinem Herzen (Kotthoff 2002b). Durch die Aufführung von mit Frauen assoziierten Lamentationselementen „verweiblichen“ die männlichen Jugendlichen den verletzten Freund symbolisch und beleidigen ihn scherzhaft, indem sie um ihn herum einen in der georgischen Kultur im Bereich weiblicher Aktivitäten angesiedelten Diskurs entfalten. Man muss wissen, dass auf dem georgischen Land bei einem Tod tagelange Lamentationen von Frauen aufgeführt werden. Es ist somit für die Jugendlichen leicht, eine Sprechweise zu parodieren, die mit den „fremden StimmenStimme“ der Frauen spielt. Jede/r in der georgischen Kultur kann diese Stimmen sozial zuordnen. Im deutschen Sprachraum gibt es kaum etwas Vergleichbares. Für unsere Argumentation ist bedeutsam, dass die Gattung der Lamentation, der Emotionsausdruck starker Trauer und ihr Formelrepertoire in Georgien weiblich assoziiert sind. Dieses Konglomerat an Aktivitäten und Emotionsausdrücken lässt sich zu verschiedenen Zwecken nutzen, z.B. dazu, dem demonstrativ bemitleideten Jungen indirekt die Männlichkeit abzusprechen (bei uns könnte man sagen, dass er zu einem „Weichei“ gemacht wird), indem man ihn in einen weiblich assoziierten Diskurs integriert. Sekundäre IndexikalisierungIndexikalisierung wird hier genutzt, um in einem bestimmten Kontext jemanden zu einem sozialen Typussoziale Typisierung zu machen, indem ihm ein genderisiertes Verhalten zugesprochen wird, das an seine Verletzung anknüpft und seine Geschlechtsklasse bedroht.
2.3.2 Jugendliche in Detroit inszenieren Schicht und Gender
Eckert (2000) zeigt indexing gender in einer varietätenlinguistischen Studie über Jugendliche in Detroit, die eine sog. „Belten High School“ („all white community“) besuchen. Unter anderem mittels kleidungsstilistischer, phonologischer und grammatischer Variablen betreiben die Jugendlichen soziale Selbstpositionierungen. Eckert führt eine qualitative Ethnografie der Milieus durch, in denen die Jugendlichen leben. Unter den Schülern und Schülerinnen ist die Einteilung in „jocks“ und „burnouts“ zentral. Die „jocks“ sind pro-schulisch eingestellt, rauchen nicht und orientieren sich insgesamt eher an globalen Mittelschichtswerten. Die rauchenden „burnouts“ verkörpern dagegen eher eine Art lokale Arbeiterklassenkultur. Mit Schule haben sie nicht viel am Hut. Die Autorin bemüht Bourdieus HabitusHabitus-Konzept (1976), um die lokalen Konstruktionen von Unterschieden verstehen zu können, die alle eine Geschichte haben und deshalb nicht „lokal“ beschränkt sind. Sprachverhalten bettet sich in die semiotische Differenzarbeit ein. Die „jocks“ betreiben z.B. eher eine hintere Aussprache der Vokale /e/ und /a/, flesh klingt bei ihnen wie flush, lunch mehr wie launch. Die Mädchen praktizieren dies in beiden Gruppen mehr als die Jungen. Dies gilt als chic.
Genderideale sind mit SchichtenspezifikSchichtendifferenz so verbunden, dass Mädchen der Mittelschicht bestimmte mit Weiblichkeit assoziierte Merkmale stark betonen und Jungen der Mittelschicht davon punktuell abweichen. Doing being male wird semiotisch über Anleihen am „unfeinen Sprechen der Unterschicht“ geleistet (Kotthoff 1992b). Wir finden in einem mittelschichtsorientierten semiotischen Komplex somit Indices, die gleichzeitig auf ein männlich und unterschichtig assoziiertes