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Das Neue Testament und sein Text im 2. Jahrhundert


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bleiben schließlich 20 (21) Manuskripte, von denen nach Trobisch 15 die Anordnung der kanonischen Ausgabe bezeugen und fünf (sechs) eine andere Abfolge bieten.13 Zu beachten ist allerdings, dass nur wiederum zwei dieser 15 Zeugen – nämlich 𝕻74 (Apg + Katholische Briefe, 7. Jhdt.) und 022 (Evangelien, 6. Jhdt.) – im strengen Sinn als sichere Zeugen für die Anordnung der Kanonischen Ausgabe gelten können, da sie die exakte Reihenfolge aller Schriften einer Teilsammlung aufweisen. Als einen dritten Zeugen wird man 016 (Paulusbriefe, 5. Jhdt.) hinzuzählen dürfen, da zwar Röm zu Beginn fehlt, seine ursprüngliche Präsenz im Manuskript aber alle Plausibilität für sich hat. Immerhin zwölf Manuskripte bieten eine auch mit der Kanonischen Ausgabe kompatible Teilsequenz, wobei in 𝕻61 (Paulusbriefe, 7./8. Jhdt.) und 048 (Apg, Katholische Briefe, Paulusbriefe, 5. Jhdt.) die entscheidende Lokalisierung des Hebr (in 048 zusätzlich auch die der Apg) nicht mehr zu klären ist.14

      Unter Berücksichtigung der Altersgliederung der Handschriften – vor und nach der textgeschichtlichen „Grenze“15 des 3./4. Jhdts. – sowie der Differenzierung nach Teilsammlungen16 lässt sich dieser Befund folgendermaßen darstellen:17

      Bestimmbare Reihenfolgen in ntl Manuskripten (nach Trobisch, Endredaktion, 44–54):

1.–3. Jhdt. 4.–7. Jhdt. (ausgenommen 01, 02, 03)
ident mit KA kompatibel mit KA anders als KA ident mit KA kompatibel mit KA anders als KA
Evangelien --- 𝕻75 𝕻45? 022 042, 043, 064 05, 032
Paulusbriefe --- 𝕻30 𝕻46 016? 𝕻61, 015, 048, 0285 06
Apg + Katholische Briefe --- --- 𝕻45? 𝕻72 𝕻74 048, 0166, 0247, 0251 05

      Hinter den „ausgewerteten Handschriften der ersten sieben Jahrhunderte“18, mit denen das argument from sequence begründet wird, verbergen sich also letztlich nicht mehr als 21 Manuskripte, wobei überdies nur der deutlich geringere Teil von diesen – nämlich fünf – der entscheidenden Phase vor den für die Rekonstruktion der Kanonischen Ausgabe herangezogenen Unzialhandschriften des 4./5. Jhdts. zuzurechnen ist.19 Wiederum nur zwei dieser fünf Manuskripte – 𝕻75 (3. Jhdt.20) mit Lk/Joh und 𝕻30 (3. Jhdt.) mit 1–2 Thess – bieten eine mit der Kanonischen Ausgabe zumindest kompatible Teilsequenz. Auffällig ist zudem das Fehlen der Kombination von Apg und Katholischen Briefen vor den Unzialen: In 𝕻45 (3. Jhdt.) steht die Apg hinter den – ursprünglich vermutlich in der sogenannten westlichen Reihenfolge Mt, Joh, Lk, Mk angeordneten21 – Evangelien,22 während sich in 𝕻72 nur 1–2 Petr und Jud finden.

      Ein „einheitliches Bild“23, das dafür sprechen könnte, die übereinstimmenden Teil-Reihenfolgen in Sinaiticus, Vaticanus und Alexandrinus auf die bewusste Gestaltung von vier neutestamentlichen Teilsammlungen durch ein und dieselbe Gesamtredaktion bereits im zweiten Jh. zurückzuführen, ergibt sich durch diesen schmalen und divergenten handschriftlichen Befund gerade nicht. Vielmehr zeigt sich an dieser Stelle noch einmal besonders deutlich, wie sehr der Versuch einer möglichst plausiblen Rekonstruktion der neutestamentlichen Kanongeschichte darauf angewiesen ist, die Zeugnisse der (griechischen) Manuskripte mit dem Gesamt des historischen Quellenmaterials in Beziehung zu setzen.

      2.5.2 Die Reihenfolgen in alttestamentlichen Handschriften

      Betrachtet man nun die Situation in der alttestamentlichen Manuskriptüberlieferung, so wartet zunächst eine Überraschung:

      „Umfang und Anordnung der Schriften des Alten Testaments präsentieren sich in den großen Bibelunzialen nicht so einheitlich wie in ihrem neutestamentlichen Teil.“1

      Hinter dieser nüchternen Feststellung verbirgt sich für die These, die Redaktion der Kanonischen Ausgabe habe auch das Alte Testament umfasst und dort unter anderem „Titel und Gruppierungen festgelegt“2, natürlich eine enorme Herausforderung.3 David Trobisch stellt sich ihr, indem er in den alttestamentlichen Teilen von Sinaiticus, Vaticanus und Alexandrinus „fünf Sammlungseinheiten und drei Anhänge“4 beschreibt und deren Anordnung folgendermaßen tabellarisch darstellt:

      Atl Schriftenarrangement in den Unzialen des 4./5. Jhdts. (nach Trobisch, Endredaktion, 99):

Vaticanus 1 + a 2 3 4 5
Sinaiticus 1 + a 3 + b 5 4 2
Alexandrinus 1 4 5 3 + a + b 2 + c

      Durch die oben wiedergegebene Tabelle5 könnte der Eindruck entstehen, in Analogie zur Situation im neutestamentlichen Bereich der Unzialen, wo Apg und Katholische Briefe den Paulusbriefen folgen (Sinaiticus) oder voraufgehen (Vaticanus, Alexandrinus), aber innerhalb dieser Gruppen jeweils dieselben Einzelschriften in derselben Reihenfolge erscheinen,6 sei auch der alttestamentliche Bereich aus in unterschiedlichen Abfolgen angeordneten Textgruppen mit jeweils identischer Reihenfolge der enthaltenen Einzeltexte aufgebaut.

      Doch dem ist nicht so. Trobisch notiert selbst zum Sinaiticus: „Bar folgte nicht auf Jer und ist nicht erhalten“7. Das bedeutet aber, dass die Reihenfolge der prophetischen Schriften im Sinaiticus sicher nicht, so wie in Vaticanus und Alexandrinus, Jer-Bar-Klgl-EpJer gelautet hat8. Es finden sich zudem noch weitere Varianzen. So steht im Vaticanus Tob nach Jdt (Est-Jdt-Tob), während Sinaiticus und Alexandrinus die Abfolge Est-Tob-Jdt bieten. Das Buch Ijob ist sogar dreimal an unterschiedlicher Stelle eingeordnet: Im Sinaiticus nach Sir am Ende der poetischen Schriften (und damit in diesem Manuskript am Ende des gesamten Alten Testaments), im Vaticanus nach Hld und vor Weish, im Alexandrinus nach den hier auf die Psalmen folgenden Oden und vor Spr. Schließlich finden sich von den Makkabäerbüchern, die im Alexandrinus vollständig vertreten sind (1–4 Makk), im Sinaiticus nur 1 Makk und 4 Makk, während sie im Vaticanus gänzlich fehlen.

      Selbst wenn man also mit Trobisch die alttestamentlichen Schriften in „fünf Sammlungseinheiten und drei Anhänge“9 gruppiert, was keineswegs selbstverständlich ist,10 begegnen hinsichtlich Ijob in Sammlungseinheit 2 (diese ist im Alexandrinus noch um die Oden ergänzt), Tob in Sammlungseinheit 3 und Bar in Sammlungseinheit 5 auch innerhalb dieser Gruppen klare Varianzen in der Reihenfolge der Schriften.11 Eine einheitliche „Anzahl und Reihenfolge der Einzelschriften“12, die für das Editionsparadigma so hohe Relevanz besitzt, findet sich somit hinsichtlich der alttestamentlichen Texte nicht einmal in den die Ausgangsbasis der Argumentation bildenden großen Majuskelhandschriften.