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Das Neue Testament und sein Text im 2. Jahrhundert


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in ein und demselben Manuskript6 beträchtlich. Besonders hervorzuheben ist dabei die frühe Präsenz der suspensiven Form ιη (für Ἰησοῦς), die gerade unter historischen Vorzeichen nicht nur als bloße Ausnahme von der (kontraktiven) Regel verzeichnet werden sollte.7

      Eine solche Befundlage ist meines Erachtens mit der Annahme, die nomina sacra seien – zumindest in ihrer Kerngruppe θεός, κύριος, Ἰησοῦς und Χριστός8 – Innovationen einer Edition (hier muss man sagen: erst) aus der Mitte des zweiten Jh., die überdies noch zur Verbreitung und Anerkennung gelangen muss, bereits grundsätzlich kaum zu vereinbaren.9 Um aber aus der Präsenz der nomina sacra einen Hinweis auf ein biblisches Editionsprojekt zu gewinnen, müsste darüber hinaus gezeigt werden, dass ihr Gebrauch anfänglich in herausgehobener Weise mit den später kanonischen Schriften verbunden war. Ähnlich wie die Verwendung des Kodex bilden die nomina sacra gerade aufgrund ihrer sehr frühen und breiten Verwendung kein spezifisches Kennzeichen neutestamentlicher (bzw. biblischer) Manuskripte und damit kein tragfähiges Indiz für deren einheitliche Redaktion im zweiten Jh.10

      2.4 Titel

      2 Petr ist die einzige Schrift des Neuen Testaments, deren Titel (in 𝕻72 als ΠΕΤΡΟΥ ΕΠΙΣΤΟΛΗ Β in in- und subscriptio präsent) sich sogar inklusive der Zählung direkt aus dem Text selbst ableiten lässt (vgl. 2 Petr 3,1). Aus dem Umstand, dass dies keine Selbstverständlichkeit ist, wurde ein weiterer Hinweis auf die Kanonische Ausgabe gewonnen:1

      „Die einheitlich strukturierten und in ihrer Funktion über die Einzelbeiträge hinausweisenden Titel wurden nicht von den Verfassern der einzelnen Schriften formuliert. Sie sind redaktionell. Auch können die Gattungsbezeichnungen, Verfasserangaben und die Struktur der Überschriften in den meisten Fällen dem Text nicht eindeutig entnommen werden. Es ist deshalb davon auszugehen, daß die Endredaktion der Titel nicht unabhängig voneinander stattgefunden hat, sondern auf eine Hand zurückgeht.“2

      Wenngleich man darüber diskutieren kann, welche Texte welche Titelinformationen selbst bereitstellen und welche nicht, verweisen die Bezeichnungen der später neutestamentlichen Texte sicherlich auf redaktionelle Phänomene. Die Diskussion über die Herkunft der auffälligen Evangelientitel oder die Einbindung von Texten wie Eph oder Hebr in die Überlieferung der Paulusbriefe verfügt entsprechend bereits über eine lange forschungsgeschichtliche Tradition.

      Um hieraus jedoch ein Argument für eine einheitliche Endredaktion des gesamten Neuen Testaments (resp. der christlichen Bibel) zu gewinnen, muss man voraussetzen, dass die Titel, die ja nur innerhalb der Teilsammlungen „einheitlich strukturiert[..]“3 sind, für alle Teilsammlungen auf ein und denselben Ursprung zurückgehen. Dies ist aber den unterschiedlichen Titelkonzeptionen selbst – (εὐαγγέλιον) κατά + Verfasser bei den Evangelien, πρός + Adressat(en) bei den Paulusbriefen (wobei ἐπιστολὴ Παύλου jeweils vorausgesetzt ist), Genitiv des Verfassers bei den Katholischen Briefen4 – gerade nicht zu entnehmen.5

      Dieses missing link in der Argumentationskette lässt sich nicht durch den Verweis auf intertextuelle Verknüpfungen, die ex post, also an einer bereits eruierten Schriftensammlung, festgestellt werden,6 ersetzen. Methodologisch richtig trennt Trobisch deshalb auch klar zwischen dem angestrebten Nachweis einer Endredaktion und der diesen Nachweis voraussetzenden Beschreibung eines redaktionellen Konzepts, wenngleich zum Teil doch durchscheint, dass bei der Bewertung des Titel-Arguments bereits an das später erhobene redaktionelle Konzept gedacht wird.7

      Wie hinsichtlich der Kodexform und den nomina sacra fehlt somit auch in Bezug auf die Titel der neutestamentlichen Schriften das Entscheidende, um aus einer aufschlussreichen Beobachtung am handschriftlichen Befund ein Indiz für eine gemeinsame Edition von 27 Texten werden zu lassen. War es dort jeweils die fehlende Abgrenzung gegenüber einer auch für andere frühchristliche Texte gebrauchten Praxis, so ist es hier der fehlende Nachweis, dass die unterschiedlichen Titelstrukturen der Teilsammlungen zusammen aus einer Hand stammen.

      2.5 Die Reihenfolgen der Einzelschriften

      Das mit Abstand stärkste Indiz für die Existenz der Kanonischen Ausgabe ist nach Trobisch1 die in großen Teilen der Manuskripttradition2 einheitliche Abfolge der Schriften innerhalb der biblischen Teilsammlungen.

      „Wenn Anzahl und Reihenfolge der Einzelschriften in den Abschriften einheitlich sind, so ist die Überlieferung der Sammlung auf einen gemeinsamen Archetyp zurückzuführen. Variiert dagegen der Umfang der Sammlung stark und lassen sich verschiedene redaktionelle Konzepte abgrenzen, so ist das Corpus das Ergebnis eines allmählichen Wachstumsprozesses, der an unterschiedlichen historischen Orten zu unterschiedlichen Ergebnissen geführt hat.“3

      Ausgehend von den vier großen Majuskelkodizes findet Trobisch eine solche einheitliche „Anzahl und Reihenfolge der Einzelschriften“ in den christlichen biblischen Textzeugen der ersten sieben Jahrhunderte weitgehend belegt, wobei abweichende Manuskripte – wie der 𝕻72 enthaltende Sammelkodex, der sogar auf zwei verschiedenen Entwicklungsstufen eine „falsche“ Einordnung des Jud bietet – einzeln diskutiert und als letztlich irrelevante Ausnahmen („mavericks“4) ausgewiesen werden. Im Folgenden soll zuerst die Argumentation zum Neuen Testament – in der 2 Petr und die Katholischen Briefe wieder einen besonderen Platz einnehmen – und dann die zum Alten Testament besprochen werden.5

      2.5.1 Die Reihenfolgen in neutestamentlichen Handschriften

      Bei einem im Wesentlichen statistischen Argument1 ist es besonders angebracht, genau auf die ins Spiel gebrachten Zahlenverhältnisse und die zugrunde gelegten Datenmengen zu achten, da es sonst schnell zu nicht zutreffenden Einschätzungen kommen kann. Wenn etwa David Trobisch im Laufe seiner Argumentation festhält, dass „nur 59 der etwa 5300 erhaltenen Handschriften … alle vier Sammlungseinheiten des Neuen Testaments [umfassen]“2 und schlussendlich folgert, dass sich „[b]is auf fünf Zeugen … alle ausgewerteten Handschriften der ersten sieben Jahrhunderte als Abschrift der gleichen Ausgabe interpretieren [lassen]“3, so sind die dabei genannten Zahlen durchaus nachvollziehbar, solange man beachtet, dass erstens Trobisch selbst sechs „Handschriften mit Anordnungen und Anzahl von Schriften, die nicht mit der Kanonischen Ausgabe übereinstimmen“4 einzeln bespricht und zweitens zwischen erhaltenen und ausgewerteten Handschriften ein signifikanter Unterschied besteht.5

      Doch schon in einer der ersten Rezensionen zu Trobischs Arbeit werden daraus die „rund 5300 nt.lichen HSS aus den ersten sieben Jhh. (dh. vor den byzantinischen Ausgaben)“6, was nahelegt, dass sich der bis auf fünf (bzw. sechs) Ausnahmen einheitliche Befund auf der Basis von mehreren tausend ausgewerteten Handschriften ergebe. Noch pointierter formuliert Matthias Klinghardt in einer jüngeren Darstellung von Trobischs Ergebnissen:

      „Nur fünf von rund 2500 Handschriften zeigen Abweichungen in der Reihenfolge der enthaltenen Schriften, während die restlichen (also beeindruckende 99,8%) den einheitlichen Befund bestätigen.“7

      Beachtet man allerdings, dass sich in dem von Trobisch zugrunde gelegten Referenzwerk von Kurt und Barbara Aland die Zahl der in die ersten sieben Jahrhunderte datierten neutestamentlichen Handschriften insgesamt auf nur etwa 250 beläuft,8 so wird deutlich, dass diese eindrucksvollen Zahlenverhältnisse nicht dem von Trobisch erhobenen Befund entsprechen können.

      Dieser kommt vielmehr dadurch zustande,9 dass Trobisch in einem ersten Schritt aus den in NA27 aufgelisteten Manuskripten der ersten sieben Jahrhunderte zuerst eine nicht benannte Anzahl von Texten ausscheidet, die seiner Einschätzung nach „nicht im Rahmen des antiken Buchwesens für den Vertrieb bestimmt waren“10. Sodann werden alle Manuskripte ausgeschlossen, die nur einen neutestamentlichen Text (bzw. Teile von einem solchen) wiedergeben und daher für die Frage nach der Reihenfolge der Texte unergiebig scheinen.11 Bis auf die dieser Gruppe zuzurechnenden Papyri werden diese Manuskripte auch einzeln aufgeführt. Ebenfalls einzeln gelistet und der Gruppe der „[n]icht auswertbare[n] Handschriften“12 zugeordnet werden jene Manuskripte, die mehr als einen neutestamentlichen