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Mehrsprachige Leseförderung: Grundlagen und Konzepte


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stellen in jüngster Zeit zunehmend Überlegungen an, wie im Fremdsprachenunterricht sinnvoll und effektiv mit mehreren Sprachen gearbeitet werden kann (zusammenfassend Blell/Doff 2014).

      So stellen z.B. Grünewald und Sass (2014) Überlegungen dazu an, wie man Englisch und Spanisch miteinander vernetzen kann. Die Autoren zeigen u.a. konkrete Beispiele, wie im Spanisch- oder Englischunterricht zweisprachige Songs, Videoclips, Spielfilme oder Jugendromane eingesetzt werden können, um beide Sprachen zu fördern. Leitzke-Ungerer entwirft mehrsprachige Aufgabenformate zur vernetzten Förderung sprachlicher Kompetenzen im Französischen und Englischen. Mehlhorn (2014) gibt Beispiele für die Erschließung unbekannter Texte mithilfe sprachfamilienübergreifender Interkomprehension im Russischunterricht. Kutzelmann/Massler/Peter/Götz/Ilg (2017) veranschaulichen wie man die Lese- und Sprechkompetenzen in vielen Sprachen gleichzeitig im Rahmen des Mehrsprachigen Lesetheaters fördern kann, und Elsner (2014: 2015) zeigt, wie man mehrsprachige Lesetexte für den Computer im Englischunterricht einsetzen kann.

      Bei diesen und anderen Unterrichtsvorschlägen für den mehrsprachigen Fremdsprachenunterricht werden zwei Dinge deutlich: Erstens eignen sich alle sprachvernetzenden Übungen und Aufgaben grundsätzlich dazu eine oder mehrere Aspekte der drei Kernkompetenzbereiche (kommunikative, interkulturelle, methodische Kompetenz) des fremdsprachlichen Unterrichts zu unterstützen. Dies bedeutet, dass mehrsprachige Unterrichtsansätze zwar mit mehreren Sprachen arbeiten, dabei aber niemals die Kernziele des Fremdsprachenunterrichts aus dem Blick geraten. Zweitens ist allen Unterrichtsideen gemein, dass die Arbeit mit Texten in verschiedenen Sprachen im Zentrum steht, seien diese mündliche oder schriftliche Texte, kurz oder lang, visuell, audio-visuell oder rein auditiv zu entschlüsseln.

      Dies ist wenig überraschend, denn Texte bilden erstens den Auslöser bzw. Motivator jeglicher fremdsprachlichen Kommunikation im Unterricht, zweitens können sie als mündliches oder schriftliches Produkt der Lernenden deren Entwicklung in der/den Fremdsprache/n sichtbar machen und drittens liefern Texte sprachlichen Input, welcher zur Weiterentwicklung in mehreren Sprachen dienlich sein und das Verständnis in der Zielfremdsprache unterstützen kann.

      Im Folgenden sollen systemtatische Überlegungen angestellt werden, wie mehrsprachige Texte methodisch für den Fremdsprachenunterricht aufbereitet werden können. Desweiteren soll gezeigt werden, welche Effekte der Einsatz solcher Texte in Bezug auf die Entwicklung fremdsprachlicher Kompetenzen, insbesondere der Lesekompetenz, haben kann.

      3. Mehrsprachige Texte im Fremdsprachenunterricht

      Wenn von mehrsprachigen Texten die Rede ist, so lassen sich vier unterschiedliche Formate finden.

      Mehrsprachige Texttypen

      Bei Texttyp 1 bezieht sich Mehrsprachigkeit darauf, dass der Text zunächst in einer Sprache verfasst und anschließend in andere Sprachen übersetzt wurde. Dieser Texttyp tritt in zwei Varianten auf.

      Bei Variante A liegen die verschiedenen Sprachausgaben als einzelne Produkte, Bildergeschichten, Aufsätze, Bücher, Filme, Informationstexte, Handbucheinträge etc. in verschiedenen Sprachausgaben vor und können als ganze Texte nacheinander oder abschnittsweise wechselweise gelesen, angesehen, angehört werden. Diese Texte können in Papierform oder in elektronischer Form vorliegen (z.B. My First Stories, Oldenbourg Verlag, Schülerenzyklopädie Britannica etc.).

      Bei Variante B des Texttyps 1 liegt der Text in mindestens zwei Sprachen vor, welche im Produkt parallel sichtbar sind. Kleinere Textabschnitte sind hier z.B. auf einer Seite (digital oder Papierform) sicht- oder hörbar. Dies ist z.B. bei zwei oder mehrsprachigen Bilderbüchern der Fall (z.B. die Bücher der Edition bi:libri) oder bei Filmen mit Untertiteln, in denen sich die gesprochene Sprache und die Sprache des Untertitels unterscheiden. Auch zweisprachige Wörterbücher (auch Bildwörterbücher) zählen zu diesem Texttyp.

      Texttyp 2 umfasst ebenfalls mehrere (mindestens zwei) Sprachen. Anders als bei Texttyp 1 werden die Sprachen jedoch hier jeweils auf der intersententalen oder der intrasententalen Ebene gewechselt (Version A). Diese Texte sind somit schriftliche Ausgaben des Phänomens Code-Switching und nutzen den Wechsel von Sprachen als Stilmittel. Ein gutes Beispiel hierfür sind z.B. das digitale Lernspiel MelangE (www.melang-e.eu), das Mehrsprachige Lesetheater von Kutzelmann/Massler/Peter/Götz/Ilg. (2017) oder mehrsprachige Gedichte und Romane (vgl. hierzu Elsner 2012).

      Auch in Version B des Texttyps 2 werden die Sprachen innerhalb eines Textes gewechselt, allerdings geschieht dies nicht auf der Satz- oder Wortebene, sondern jeweils nach längeren Textabschnitten (z.B. das Mehrsprachige Vorlesen durch die Lehrperson von Hilbe/Kutzelmann/Massler/Peter (2017a).

      Überlegungen zur praktischen Anwendung mehrsprachiger Texte im Unterricht

      Für Lehrkräfte stellt sich die Frage, wie und mit welchem Ziel die verschiedenen Textversionen im Unterricht eingesetzt werden können. Die folgende Systematik, welche sich an den Kompetenzfeldern des Fremdsprachenunterrichts orientiert, soll hier konkrete Hilfestellung leisten.

      Mehrsprachige Texte zur Entwicklung kommunikativer Kompetenz

      Steht im Zentrum des Unterrichts die Entwicklung kommunikativer Kompetenzen, so geht es um die Ausbildung der rezeptiven Kompetenzen des Hörverstehens/Hör-Sehverstehens und des Lesens, sowie um die produktiven Kompetenzen des Sprechens und Schreibens sowie elementare Formen der Sprachmittlung in der jeweiligen Zielsprache.

      Auf der rezeptiven Ebene sollen die Schüler/innen laut Bildungsstandards für die erste Fremdsprache im Bereich Hörverstehen „unkomplizierte Sachinformationen über gewöhnliche alltags- oder berufsbezogene Themen verstehen und dabei die Hauptaussagen und Einzelinformationen erkennen (…).“ (KMK 2003: 11)

      Im Bereich Lesen sollen die Lernenden „weitgehend selbstständig verschiedene Texte aus Themenfeldern ihres Interessen- und Erfahrungsbereiches lesen und verstehen.“ (KMK 2003: 12)

      Mehrsprachige Texte des Typs 1, seien diese kürzeren oder längeren Formats, können insbesondere Sprachlernanfänger/innen und schwächeren Schüler/innen, bei der Texterschließung ein große Hilfe sein. Denn – so stellt Butzkamm richtig heraus: „Sprache ist zuallererst Rede. Ihr Erwerb beginnt da, wo wir Sprache hörend (oder hörend und mitlesend) aufnehmen und verstehen. Wer nichts von dem versteht, was er hört, lernt auch nicht.“ (Butzkamm 2012: 87)

      Aber auch für leistungsstärkere Lernende können Texte in mehreren Sprachversionen (Typ 1A) beim Hörverstehen- und Lesen dienlich sein. So können sie die zweite Sprachversion im Anschluss an den Lese-, Hör-, Sehvorgang nutzen, um selbstständig zu überprüfen, ob sie global oder im Detail einen Text in der Fremdsprache richtig verstanden haben, und dabei zeitgleich ihr Lese- und Hörverstehen in anderen, bereits vorhandenen Sprachen trainieren (vgl. hierzu Buendgens-Kosten/Elsner 2014).

      Mehrsprachige Lese- oder Hör-/ und Sehtexte des ersten Typs können darüber hinaus allen Lernenden auch bei der Erschließung von Einzelwörtern helfen und zu Sprachvergleichen anregen, welche die Entwicklung der Sprachbewusstheit fördern kann. Letzteres ist insbesondere dann der Fall, wenn es sich bei den verschiedensprachigen Texten nicht um Texte eines Wörterbuchs handelt, sondern um längere Texte. Denn hier müssen die Lernenden mit der unterschiedlichen Syntax verschiedener Sprachsysteme vertraut sein oder sich dieser bewusst werden, um den Text in der anderen Sprache zur Erschließung von unbekannten Wörtern in der Zielsprache zu nutzen, wie im folgenden Beispiel ersichtlich wird:

      Ich mag kein Gemüse.

      I don’t like vegetables.

      Je n’aime pas les legumes.

      Auf der produktiven Ebene sollen Lernende im Bereich Sprechen „Erfahrungen und Sachverhalte zusammenhängend darstellen, z.B. beschreiben, berichten, erzählen und bewerten“ (KMK 2003: 13) können und im Bereich Schreiben „zusammenhängende