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Mehrsprachige Leseförderung: Grundlagen und Konzepte


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mehrsprachigen Leseförderung aus den beiden Perspektiven der Deutsch- und Fremdsprachendidaktik, indem sie die grundlegenden Verfahren zur Leseförderung beschreibt, die im Deutschunterricht eingesetzt werden. Sie diskutiert, inwiefern sich diese Verfahren insbesondere für mehrsprachige Schüler/innen eignen und ob ggf. auch mehrsprachige Texte hierbei einbezogen werden können. Die praktizierten Verfahren reichen von buchorientierten Vorgehensweisen, die auf die Lektüre von Kinder- und Jugendliteratur abzielen, über Verfahren, die Lesestrategien vermitteln, bis hin zu Verfahren, die die Verbesserung der Leseflüssigkeit zum Ziel haben. Bei ihrer Beschreibung berücksichtigt sie insbesondere die Förderroutinen von Viellese- und Lautleseverfahren und gibt einen Überblick zu empirischen Studien, die die Wirksamkeit dieser Verfahren zur Verbesserung der Leseleistungen untersucht haben.

      Daniela Elsner blickt aus der Perspektive der Fremdsprachendidaktik auf eine mehrsprachige Leseförderung mit Hilfe mehrsprachiger Texte. Sie widmet sich der Frage, ob und wie – aus empirischer Sicht – mehrsprachige Texte einen Beitrag zur Förderung von Mehrsprachigkeit leisten können. Zu diesem Zweck diskutiert sie das didaktische Potenzial sowie den übergreifenden Mehrwert mehrsprachiger Texte aus Sicht der Bildungspolitik und Sprachlehrforschung für die Entwicklung kommunikativer, interkultureller und methodischer Kompetenzen im Fremdsprachenunterricht. Ihre weiteren Ausführungen beinhalten zudem eine Systematisierung mehrsprachiger Texttypen sowie konkrete Beispiele für deren Einsatz in einem Fremdsprachenunterricht, der Mehrsprachigkeit als wichtiges Unterrichtsziel erachtet. Das Kapitel 2 schließt mit einem Einblick in die Ergebnisse verschiedener Untersuchungen zum Potenzial mehrsprachiger Lesetexte im Kontext des formalen Fremdsprachenerwerbs.

      Heiner Böttgers sowie Anja Steinlens und Thorsten Piskes Ausführungen beleuchten in den Kapiteln 3 und 4 neueste Forschungsergebnisse zur Entwicklung einer (mehrsprachigen) Lesekompetenz. Heiner Böttger nähert sich der Lesekompetenz aus der Perspektive der genderspezifischen Sprachentwicklungsforschung. Mit Hilfe einer analytischen Cross-sciences-Metastudie, die neben Erkenntnissen relevanter Bezugswissenschaften bildgebende Verfahren der neurowissenschaftlichen Spracherwerbsforschung einsetzt, zeigt er, dass während der frühen Alphabetisierung und beim Aufbau der frühen Lesekompetenz ein sensibler neurobiologischer Unterschied zwischen Mädchen und Jungen im Bereich der Verbindungen von Gehirnzellen in sprachrelevanten Gehirnarealen sowie bei der Verwendung beider Gehirnhemisphären entsteht. Dieser zeigt sich sowohl bei monolingual als auch bei mehrsprachig aufwachsenden Kindern. Vor diesem Forschungshintergrund leitet er erste sprachdidaktische Konsequenzen und Handlungsfelder ab und erläutert, welche Rolle dabei differenzierende Maßnahmen spielen können.

      Die Chancen, die Grundschulen mit bilingualen Angeboten für die Entwicklung der Leseleistungen mehrsprachig aufwachsender Schüler/innen im Vergleich zu einsprachig aufwachsenden Kindern bieten, beschreiben Anja Steinlen und Thorsten Piske. Dabei gehen sie nicht nur auf Leseleistungen im Deutschen, sondern auch auf Leseleistungen in der an Schulen häufig als erster Fremdsprache gelernten Sprache Englisch ein. Sie diskutieren mögliche Gründe, weshalb im Gegensatz zu den Ergebnissen von Studien, die an Schulen ohne bilinguale Angebote durchgeführt wurden, bei den Lesefähigkeiten von Lernenden in bilingualen Programmen bisher keine signifikanten Unterschiede zwischen den Leistungen von Kindern mit und ohne Migrationshintergrund festgestellt wurden. Abschließend geben sie Empfehlungen, wie es Lernenden mit und ohne Migrationshintergrund erleichtert werden kann, schon in der Grundschule von Anfang an in mehr als einer Sprache lesen (und schreiben) zu lernen.

      Der zweite Teil des Studienbuchs stellt praxisorientierte Konzepte vor, die unterschiedliche Aspekte der Leseförderung und -kompetenz sowie verschiedene Schülerschaften in den Blick nehmen. So thematisieren Sabine Kutzelmann, Ute Massler und Angelika Ilg in Kap. 5 den Erwerb einer angemessenen Leseflüssigkeit. Diese ist für die Entwicklung der Lesekompetenz sowohl in der Schulsprache als auch in der Fremdsprache von großer Bedeutung. Bislang spielt jedoch die Leseflüssigkeit in der Fremdsprache in der Forschung, aber vor allem in der Fremdsprachendidaktik und Unterrichtspraxis kaum eine Rolle. Die sprachübergreifende Förderung von Leseflüssigkeit und Lesemotivation in der Schulsprache und ein bis zwei Fremdsprachen, zu denen auch Herkunftssprachen zählen können, stehen im Zentrum des mehrsprachigen Förderkonzepts Mehrsprachiges Lesetheater (MELT). Die Autor/innen stellen eine neue mehrsprachige Variante des Lautleseverfahrens Lesetheater vor, das diese für die Schulsprache bewährte Fördermethode nutzt, die als ein Lautleseverfahren auch empirisch recht gut abgestützt ist. Anders als beim einsprachigen Lesetheater stehen als Lehr- und Lernmaterialien mehrsprachige Lesetheaterstücke zur Verfügung, anhand derer das Lesetraining stattfindet. Das Kapitel beschreibt detailliert die didaktisch-methodischen Merkmale des Mehrsprachigen Lesetheaters und erläutert, auf welche Weise Übungsformen wie wiederholtes und begleitetes (halb-)lautes Lesen die Leseflüssigkeit der Lernenden fördern können.

      Kerstin Theinert, Robert Hilbe und Klaus Peter präsentieren mit dem Mehrsprachigen Vorlesen durch die Lehrperson (MeVoL) ein neues Konzept der sprachübergreifenden Leseanimation (Kap. 6). Die Grundlage für die Arbeit mit dieser Fördermethode bildet ein mehrsprachig gestalteter Text, den die Lehrkraft ihrer Klasse vorliest. Beim Vorlesen wechseln sich Textabschnitte auf Deutsch (Schulsprache) mit Abschnitten in einer der schulisch geförderten Fremdsprachen (Englisch oder Französisch) ab. Dadurch wirkt das Deutsche als Brücke zum besseren Verständnis der fremdsprachlichen Textabschnitte. Aufbauend auf der theoretischen Legitimation des Mehrsprachigen Vorlesens stellt das Kapitel Gestaltungsprinzipien für die praktische Umsetzung im Unterricht dar. Diese beschreiben, wie geeignete Scaffolding-Maßnahmen eingesetzt werden, um die Motivation und das Verständnis der Schüler/innen beim Zuhören zu fördern, ihnen durch das Vorlesen eine positive literarische Erfahrung zu ermöglichen und ihr sprachliches Lernen zu begünstigen.

      Die Lesepraxis Jugendlicher ist stark von der Nutzung digitaler Texte geprägt, zu der auch Computerspiele zählen. Welche Potenziale Computerspiele zur Leseförderung insbesondere aufgrund ihrer Interaktivität und Multimodalität aufweisen, zeigt Judith Buendgens-Kosten am Beispiel des mehrsprachigen Computerspiels MElang-E, in dem eine Vielzahl von Sprachen auf unterschiedlichen Niveaus vorkommen, und in dem die Dialoge der Figuren sowohl als gesprochener als auch geschriebener Text angeboten werden (Kap. 7). Am Schluss werden darüber hinaus Möglichkeiten beschrieben, wie die Spielerfahrungen der Schüler/innen didaktisch sinnvoll in den Unterricht eingebettet werden können.

      Forschungsergebnisse deuten darauf hin, dass frühe literale Erfahrungen in der Familie eine wichtige Voraussetzung für den Bildungserfolg darstellen. Zudem lassen sich gut ausgebaute Kompetenzen in der Erstsprache, v.a. im Bereich der Schriftlichkeit, auf die Zweitsprache übertragen. Daher kommt der mehrsprachigen literalen Förderung einer kulturell und sprachlich heterogenen Schülerschaft eine große Relevanz zu. Bislang stellt diese jedoch nicht nur an Schweizerischen Primarschulen ein Desiderat dar, wie Trix Bürki und Katja Schnitzer ausführen (Kap. 8). Die Autorinnen erläutern daher, weshalb die mehrsprachige literale Förderung im Deutschunterricht unerlässlich ist und durch welche Konzepte sie unterstützt wird. Nach der Formulierung von Konsequenzen für die Ausbildung von Lehrpersonen schließt das Kapitel mit der Vorstellung zweier unterrichtlicher Umsetzungen. Da diese Unterrichtsszenarien durch Kooperationen zwischen Schulklassen und Seminaren der Lehrerausbildung realisiert wurden, dienen sie auch als hochschuldidaktische Seminarmodelle, die es Studierenden ermöglichen sollen, die in solchen Lehrveranstaltungen gewonnenen Kompetenzen in die Schul- und Leseförderungspraxis einfließen zu lassen.

      Das Potenzial mehrsprachiger Bilderbücher für die Sprach- und Leseerwerbsprozesse von neu zugewanderten Schüler/innen mit Deutsch als Zweitsprache steht im Fokus des Kapitels 9 von Juliane Dube und Erkan Gürsoy. Dieser Beitrag illustriert somit die Brückenfunktion, die mehrsprachigen Bilderbüchern zwischen der sprachlichen und der literalen Bildung zukommen kann. Darüber hinaus illustrieren die Autor/innen anhand ihrer Forschungs- und Entwicklungsarbeiten im Projekt MesH – Digitale Medien und sprachliche Heterogenität, wie hierbei individuell zu besprechende audio-digitale Hörstifte gewinnbringend für die sprachliche und literale Förderung eingesetzt werden können.

      Neuzugewanderte Kinder aus Ländern mit arabischem Schriftsystem stehen vor der Herausforderung, gleichzeitig mit dem Wortschatz und der Grammatik des Deutschen