gewährleistete (vermeintlich) barrierefreie Verständigung innerhalb der wissenschaftlichen ›Community‹ und die Chance auf eine möglichst breite Rezeption von Fach-Publikationen. Zunehmenden Einfluss gewinnt das Englische aber inzwischen auch in philologischen Disziplinen, wenngleich insbesondere diese Entwicklung durchaus kritisch gesehen wird.
Hervorzuheben ist der besondere ›Marktwert‹ des Englischen, seine »reale politische und psycho-soziale Macht« (LeitnerLeitner, Gerhard, Weltsprache Englisch, 20) gegenüber anderen Sprachen. Insbesondere an die Kompetenz der englischen Sprache knüpfen sich vorwärtsweisende bildungspolitische Konzepte der Teilhabe an einer breiten internationalen (und interkulturellen) Alltagskommunikation, an Ausprägungen der (vor allem westlichen) Kultur, des Tourismus, der Informationstechnologie, insbesondere aber Bestrebungen in Hinblick auf eine konkurrenzfähige wirtschaftliche Entwicklung im Rahmen der Globalisierung.
Ein begünstigender Faktor für die zunehmende Verbreitung des Englischen kann auch in der vergleichsweise einfachen und daher lerngünstigen grammatischen Struktur gesehen werden sowie in der damit einhergehenden Möglichkeit, sich dieser Sprache als Instrument des Ausdrucks der eigenen Kultur zu bemächtigen (empowerment). Sprachtypologisch ist das Englische heute zu den isolierenden Sprachen zu zählen. So sind aufgrund sprachhistorischer Prozesse die Flexive weitgehend abgebaut, ebenso die Genusdifferenzierungen. Die Pluralkategorie wird ebenso wie das Tempussystem weitgehend regelmäßig gebildet. Auch der Wortartwechsel ist häufig ohne spezifische Wortbildungsmorpheme möglich (I read a book vs. I book a flight). Der Nachteil der deutlich unphonetischen Schreibung fällt dagegen kaum ins Gewicht.
Die Bedeutung des Englischen zeigt sich nicht nur in seiner Funktion als globale Lingua Franca, sondern auch in Hinblick auf seine Rolle als Gebersprache. So ist etwa auch im Deutschen ein zunehmender Einfluss von Anglizismen, insbesondere auf das Lexikon, erkennbar. Während eine bereits ältere Schicht mit Wörtern wie Sport, Keks oder Streik heute als unproblematisch angesehen wird, gilt dies für jüngere Entlehnungen wie Event, Brainstorming oder Meeting nur bedingt. Sprachpflegerische und sprachpuristische Ambitionen führen hier mitunter zu einer kritischen Reserve. In historischer Sicht hat das Englische auch hier andere Sprachen (hauptsächlich Französisch und Latein) als Hauptgebersprachen verdrängt.
Die insgesamt breite Akzeptanz des Englischen als Weltsprache und Lingua Franca verhindert nicht das Festhalten an der eigenen Muttersprache im alltagssprachlichen Bereich, da primär diese als soziales und kulturelles Identifikationsmedium dient. Aus diesem Grund wird Mehrsprachigkeit in aller Regel als Mehrwert verstanden, trotz aller damit notwendig einhergehenden Anstrengungen. So fordern in der oben genannten Allensbach-Umfrage nur 13 % eine Einheitssprache innerhalb der EU (11 % Englisch, 2 % Deutsch), aber 78 % sprechen sich dagegen aus (HobergHoberg, Rudolf/Eichhoff-CyrusEichhoff-Cyrus, Karin M./SchulzSchulz, Rüdiger, Wie denken die Deutschen, 44).
Unter literaturwissenschaftlicher Sicht ist die Rolle der Weltsprachen (im weiten Sinn) für die Literaturproduktion und Rezeption herauszustellen. Indiz hierfür ist die Verteilung der Literaturnobelpreise. Diese gingen bisher weit überwiegend an Autoren mit englischem, französischem, deutschem und spanischem Sprachhintergrund. Kleinere Literaturen und Sprachen sind demgegenüber unterrepräsentiert.
Die Stellung von Sprachen im Sinne von Weltsprachen ist kein allein neuzeitliches Phänomen, sondern findet Parallelen bereits in der Antike und im Mittelalter. In der Antike treten mit Blick auf den Hellenismus und das römische Reich Griechisch und Latein als Linguae Francae und Weltsprachen hervor. Auch im Mittelalter bleibt dieser Status erhalten, wenngleich weitgehend eingeschränkt auf die Bildungs-Eliten und unter zunehmendem Verlust des Muttersprachcharakters. Insbesondere das mit hohem sozialdistinktivem Prestige verbundene Latein dominiert im europäischen Mittelalter als Sprache des Klerus, der Wissenschaft und der Verwaltung, der gegenüber sich die Volkssprachen erst allmählich zu vollwertigen Literatursprachen etablieren müssen. So bleibt Latein auch lange die vorherrschende Schreib- und Druckersprache. Mit Blick auf den deutschen Sprachraum überwiegen beispielsweise erst im späteren 17. Jahrhundert deutsche gegenüber lateinischen Drucken. Auch an den Universitäten ist Latein bis in die Neuzeit dominant. (Vulgär-)Latein wurde zudem zur Ausgangsbasis für die Herausbildung der heutigen romanischen Sprachen (z.B. Französisch, Spanisch, Italienisch). Aber auch Sprachen wie die deutsche entwickelten sich seit dem Frühmittelalter unter gravierender Einwirkung des lateinischen Musters, insbesondere in Hinblick auf die Lexik und Syntax. Nicht zuletzt deswegen wird Latein mitunter als ›die Sprache Europas‹ bezeichnet. Deutlich erkennbarer nachwirkender Einfluss des Lateinischen als Weltsprache ist die lateinische Alphabetschrift, die heute global am weitesten verbreitet ist. Zudem basieren die meisten Internationalismen auf lateinischer, daneben aber auch auf griechischer Basis (z.B. Kopie, Motor, Television). Auch tradiert insbesondere der Bildungswortschatz und die Wissenschaftsterminologie das Spracherbe weiter (z.B. Philosophie, Hermeneutik, narrativ).
Angreifbar sind Weltsprachen zum einen in Hinblick auf ihre Entstehung. Hintergrund ist meist eine imperialistische Expansion und die hegemoniale Verwaltung eroberter Gebiete (Kolonialismus). Ein weiterer Nachteil natürlicher Weltsprachen ist die Privilegierung der Muttersprachler dieser Sprachen. Gerade diese Mängel wurden zum Ausgangspunkt der Schaffung künstlicher Weltsprachen bzw. Plansprachen oder Welthilfssprachen. Beide Bereiche, natürliche Weltsprachen und künstliche Weltsprachen, lassen sich terminologisch mit dem Begriff ›Interlinguistik‹ (im weiteren Sinne) verbinden (vgl. II.4).
Eine besondere Privilegierung können Sprachen auch dadurch erfahren, dass ihnen Sakralität zugesprochen wird. Entsprechende Zuweisungen finden sich in unterschiedlichen Kulturen und Religionen. So ist etwa der Begriff Hieroglyphe mit ›heiliges Zeichen‹ zu übersetzen. Auch Runen dienten bis zu einem gewissen Grad kultisch-religiösen Zwecken. Assoziationen zwischen einzelnen Religionen und ihnen zugeordneten ›heiligen‹ Sprachen finden sich in der Verbindung zwischen Hinduismus und Sanskrit, Arabisch und Islam, Hebräisch und Judentum.
Mit Blick auf das Christentum sind drei Sprachen hervorzuheben, denen eine besondere Sakralität zugesprochen wurde: Hebräisch, Griechisch und Latein, die Sprachen der Kreuzesinschrift (INRI). Grundlage hierfür ist die neutestamentliche Überlieferung, wonach der römische Statthalter Pontius PilatusPontius Pilatus angeordnet haben soll, am Kreuz JesuJesus die Aufschrift ›JesusJesus von Nazareth, König der Juden‹ in den drei genannten Sprachen anzubringen (Joh 19,20). In der christlichen Überlieferung werden diese Sprachen seit dem Kirchenlehrer Isidor von SevillaIsidor von Sevilla (ca. 560–636; Etymologiae 9, 1, 3) als die ›drei heiligen Sprachen‹ (tres lingua sacrae) bezeichnet.
Das Hebräische galt im Christentum lange auch als adamitische Sprache, also die Sprache Adams und zugleich des Paradieses. Mit ihr geht die ursprüngliche Spracheinheit verloren, als Strafe Gottes für die Hybris des Menschen (Turmbau zu Babel). Sprachenvielfalt ist aus dieser Perspektive Folge einer vom Menschen selbstverschuldeten Urkatastrophe. Bedeutender als Hebräisch und Griechisch war in der klerikalen Schreibpraxis des Mittelalters die lateinische Sprache. Latein war lange Zeit auch die maßgebliche Sprache der Bibel, der ›heiligen Schrift‹. Gegenüber den ›beglaubigten Kirchensprachen‹ bedurfte die Verwendung der Volkssprachen der besonderen Begründung. Bekanntes Beispiel hierfür ist der althochdeutsche Dichter Otfrid von WeißenburgOtfrid von Weißenburg, der den Gebrauch der deutschen Volkssprache (›Fränkisch‹) für seine Bibeldichtung (Evangelienharmonie, ca. 865) gegenüber seinem vorgesetzten Bischof in einem lateinischen Approbationsschreiben rechtfertigt und zugleich die »erste Literaturtheorie zu einer deutschsprachigen Dichtung« (HaugHaug, Walter, »Vulgärsprache als Problem«, 30) verfasst. OtfridOtfrid von Weißenburgs Ziel ist die Entwicklung der deutschen Volkssprache zu einem dem Latein ebenbürtigen Medium für das Wort Gottes. Auch DanteDante Alighieri (De vulgari eloquentia, 1303–1305), der »den Traum einer poetischen Welt-Sprache […], einer neuen Sprache des Paradieses [träumt]« (TrabantTrabant, Jürgen, Europäisches Sprachdenken, 75), muss Jahrhunderte später das vulgare, die italienische Volkssprache, gegenüber der grammatica (Latein) rechtfertigen. Die religiöse Urfunktion der Sprache steht dabei auch für ihn außer Zweifel (vgl. I.1 und I.3).
Literatur
Ammon,