basierten Formen existieren andere ohne europäischen Einfluss (z.B. Ewondo Populaire, eine bantubasierte Kontaktsprache in Ost-Kamerun, oder Sango in der Zentralafrikanischen Republik). Die Sprecherzahlen differieren sehr stark. Größere Sprachgemeinschaften mit Sprecherzahlen jenseits der Millionengrenze bestehen etwa für das Jamaican Creol oder Tok Pisin (vor allem in Papua-Neuguinea). In einigen Fällen sind die Sprachen vom akuten Sprachtod bedroht (etwa Unserdeutsch).
Bei aller Variabilität der einzelnen Varietäten lassen sich doch bestimmte linguistische Merkmale benennen, die, wenn auch in unterschiedlichen graduellen Ausprägungen, für Pidgins und Kreols als charakteristisch angesehen werden können. Dazu zählen syntaktische Reduktionen, Einschränkungen im Tempus- und Modussystem, der Verzicht auf Flexionsendungen, Wortschatz-Reduktionen, auf lexikalischer Ebene Häufung analytischer Wortumschreibungen und die Tendenz zur Metaphorik (glas bilong lukluk ›Spiegel‹; fellow belong make open bottle ›Korkenzieher‹; vgl. BauerBauer, Anton, »Pidgin- und Kreolsprachen«, 348).
Das Prestige von Pidgin- und Kreolsprachen wird im Allgemeinen als gering eingeschätzt, und das sowohl außer- wie innerhalb der jeweiligen Sprachgemeinschaft. (So wird ›Pidginisierung‹ in alltagssprachlicher Verwendung häufig mit Sprachverfall gleichgesetzt.) Andererseits lassen sich Beispiele aufzeigen, in denen ein deutlicher Prestigezuwachs eingetreten ist. Dies gilt zumal dann, wenn im Zuge der Dekolonialisierung sprachpolitische Entscheidungen zu einer Aufwertung und administrativen Etablierung bestimmter Pidgins oder Kreols führten. Besonders in Ländern, die aufgrund der oft komplexen Bevölkerungszusammensetzung keine einheitliche einheimische Sprache ausgebildet hatten, wurden bisweilen die etablierten Pidgin- oder Kreolvarietäten (neben der Kolonisatorensprache) zu Staats- oder Verwaltungssprachen erhoben. Beispiel hierfür ist Papua-Neuguinea, das 1975 (von Australien) unabhängig wurde und auf dessen Gebiet allein rund 740 Papua-Sprachen (Fischer Weltalmanach 2016, 354) zu verzeichnen sind. Neben Englisch sind das Kreol Hiri Motu und Tok Pisin offizielle Staatssprache. Vor allem das Englisch-basierte Tok Pisin erfuhr mit der Erhebung zur offiziellen Landessprache einen enormen Prestigegewinn – und entwickelte sich etwa zur praktisch einzigen Parlamentssprache. Tok Pisin (oder Papua-Neuguinea Pidgin) ist mit 3 bis 5 Millionen Sprechern die größte Landessprache. Da die Varietät sowohl (mehrheitlich) als Zweit-, von etwa 500000 Sprechern aber auch als Muttersprache verwendet wird (VelupillaiVelupillai, Viveka, Pidgins, Creoles and Mixed Languages, 37), wird sie als Zwischenstufe zwischen Pidgin und Kreol beschrieben. Radiosendungen auf Tok Pisin oder die Entwicklung eines auch schriftsprachlichen Registers belegen die Vitalität dieser Varietät. Als Anschauungsbeispiel für Tok Pisin nachfolgend Artikel 1 der Erklärung der allgemeinen Menschenrechte:
Yumi olgeta mama karim umi long stap fri na wankain long wei yumi lukim i gutpela na strepela tru. Uumi olgeta igat ting ting bilong wanem samting I rait na rong na mipela olgeta I mas mekim gutpela pasin long ol narapela long tingting bilong brata susa. (http://www.omniglot.com/writing/tokpisin.htm [Stand: 2.8.2016])
(Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren. Sie sind mit Vernunft und Gewissen begabt und sollen einander im Geiste der Brüderlichkeit begegnen. – http://www.ohchr.org/EN/UDHR/Documents/UDHR_Translations/ger.pdf [Stand: 2.8.2016]).
Der Expandierung einzelner Pidgin- und Kreolsprachen steht das Aussterben anderer gegenüber. Zu diesen zählt Unserdeutsch (oder Rabaul Creole German), das ebenfalls von Papua-Neuguinea (Bismarck-Archipel) stammt und die einzige deutschbasierte Kreolsprache darstellt, entstanden während der kurzen Phase deutscher Kolonialherrschaft (1884–1914). Untypisch ist – unter kreolistischer Perspektive deshalb umso interessanter – auch ihr Entstehen durch Kinder (Mischlingskinder des Herz-Jesu-Missionsinternats in Vanapope). Unserdeutsch wird heute nur noch von wenigen älteren Sprechern beherrscht. Erste (und bislang einzige) größere Untersuchung zu dieser Varietät ist die maschinenschriftliche Master Thesis von Craig Alan VolkerVolker, Craig Alan (»An Introduction to Rabaul Creole German (Unserdeutsch)«). Daraus auch die folgenden Beispiele: Wenn er kommt, i wird fragen er. (39) Du kann geht, wenn du arbeiten gut. (49) Also drei ich wird aufpicken (›abholen‹) (52). Das aktuelle Forschungsinteresse an Unserdeutsch zeigt ein gleichnamiges Augsburger DFG-Projekt (Förderzeitraum 2015–2018; vgl. MaintzMaintz, Péter/KönigKönig, Werner/VolkerVolker, Craig Alan, »Unserdeutsch (Rabaul Creole German)«).
Innerhalb der Linguistik findet sich der Begriff Pidgin auch in anderen Zusammenhängen. So wurden beispielsweise in der Bundesrepublik (angeregt durch Michael ClyneClyne, Michael, »Zum Pidgin-Deutsch der Gastarbeiter«) Untersuchungen zum Gastarbeiterdeutsch mit Begriffen wie Arbeiter-Pidgin oder Pidgin-Deutsch verbunden. Untersuchungsziel waren Verlauf und Ausprägungen des ungesteuerten Spracherwerbs bei erwachsenen Arbeitsimmigranten. Ebenso spielte eine Rolle, inwiefern das ›Pidgin-Deutsch der Migranten‹ durch das ›Pseudo-Pidgin (Foreigner Talk) der Einheimischen‹, einer von deutschsprachigen Muttersprachlern gegenüber Migranten verwendeten, stark reduzierten Sprachform, beeinflusst ist.
Literatur
Bachmann, IrisBachmann, Iris, Die Sprachwerdung des Kreolischen. Eine diskursanalytische Untersuchung am Beispiel des Papiamentu, Tübingen 2005.
Bauer, AntonBauer, Anton, »Pidgin- und Kreolsprachen«, in: Ulrich AmmonAmmon, Ulrich/Norbert DittmarDittmar, Norbert/Klaus J. MattheierMattheier, Klaus J. (Hrsg.), Handbuch Sociolinguistics/Soziolinguistik. Ein internationales Handbuch zur Wissenschaft von Sprache und Gesellschaft, 1. Halbbd., Berlin/New York 1987.
Bickerton, DerekBickerton, Derek, Roots of Language, Berlin 2016 [1981].
Clyne, MichaelClyne, Michael, »Zum Pidgin-Deutsch der Gastarbeiter«, in: Zeitschrift für Mundartforschung 35 (1968), S. 130–139.
Fischer Weltalmanach 2016, Frankfurt/M. 2015.
Hellinger, MarlisHellinger, Marlis, Englisch-orientierte Pidgin- und Kreolsprachen. Entstehung, Geschichte und sprachlicher Wandel, Darmstadt 1985.
Hymes, DellHymes, Dell (Hrsg.), Pidginization and Creolization of Languages. Proceedings of a Conference held at the University of West Indies, Mona, Jamaica, April 1968, Cambridge 1971.
Maintz, PéterMaintz, Péter/Werner KönigKönig, Werner/Craig A. VolkerVolker, Craig Alan, »Unserdeutsch (Rabaul Creole German). Dokumentation einer stark gefährdeten Kreolsprache in Papua-Neuguinea«, in: Zeitschrift für Germanistische Linguistik 44.1 (2016), S. 93–96.
Velupillai, VivekaVelupillai, Viveka, Pidgins, Creoles and Mixed Languages. An Introduction, Amsterdam/Philadelphia 2015.
Volker, Craig AlanVolker, Craig Alan, »An Introduction to Rabaul Creole German (Unserdeutsch)«, unveröffentlichte Master-Arbeit, University of Queensland, masch. 1982 (als PDF unter: https://www.philhist.uni-augsburg.de/de/lehrstuehle/germanistik/sprachwissenschaft/Unserdeutsch/publikationen/volker_1982.pdf [Stand: 2.8.2016]).
4. Künstliche Sprachen (Plansprachen/Welthilfssprachen)
Heinz Sieburg
Im Gegensatz zu natürlichen Sprachen (Ethnosprachen) sind künstliche Sprachen, meist Plansprachen (auch Welthilfssprachen, vor allem im 17./18. Jahrhundert auch Universalsprachen genannt), konstruierte Sprachsysteme, die in aller Regel von Einzelpersonen geschaffen wurden, um als Lingua Franca (Verkehrssprache) zur leichteren Überwindung einzelsprachlich begründeter Sprachbarrieren und damit zur Förderung internationaler Kommunikation zu dienen. Da Plansprachen prinzipiell nicht als Muttersprachen oder Nationalsprachen fungieren, sondern als neutrale Zweitsprachen, nivellieren sie den mit natürlichen Weltsprachen (vgl. II.2) notwendig verbundenen ›Heimvorteil‹ einzelner (dominanter) Sprachgemeinschaften gegenüber anderen. Nicht selten verbinden die Schöpfer (und Verfechter) von Plansprachen mit ihren Projekten dezidiert ethisch-idealistische Motivationen wie Völkerverständigung,