Elsie (2007) umreißt die Einstellung der katholischen Kirche folgendermaßen:
„.... Die Einstellung der Kirche zu religiösen Veröffentlichungen, insbesondere zu Veröffentlichungen in Volkssprachen, d. h. nicht auf Latein, schwankte sehr in und nach den Jahren des Tridentinischen Konzils (1545-1563). Im Geist einer dringend benötigten Reform befürwortete die Kirche anfänglich die Übersetzung von Kirchenschriften in den Volkssprachen. Bald darauf änderte sie ihre Haltung. In Rückbesinnung auf die traditionelle katholische Lehre der Gegenreformation, die der italienischen Renaissance ein Ende machte, und in der allgemeinen Atmosphäre von Einschüchterung, die während der Inquisition herrschte, wurden die gleichen, früher geförderten Bücher auf den Index (Index librorum prohibitorum) gestellt und dadurch verboten. ...“9
Andere Wissenschaftler widersprechen der These, dass Buzukus Buch auf den Index kam. Peters (2007) weist darauf hin, dass Buzukus Buch „... eine Handreichung oder Arbeitsbehelf für Liturgie und Katechese ...“10 war. Dies könnte die katholische Kirche geduldet haben, da sie im 16. Jh. bemüht war, ihren Status zu festigen und sich einerseits in Europa gegen die Protestanten durchsetzen musste und andererseits in Albanien gegen den islamischen Einfluss. Dabei könnte ein Werk, das den albanischen Geistlichen den katholischen Glauben und dessen Dogmen etc. nahebringt und ihren Glauben festigt, hilfreich gewesen sein. Möglicherweise blieb dadurch das Missale von einem Verbot verschont. Zusammenfassend kann nur gesagt werden, dass es in der Forschung nicht abschließend geklärt ist, ob Buzukus Buch dem Verbot durch die Kirche zum Opfer gefallen ist oder nicht.
Das Missale und die Dottrina cristiana haben die Intention gemeinsam, die albanische Identität an westliches Gedankengut anzuknüpfen, um sich vom osmanischen Einfluss abzugrenzen. Dafür spricht auch, dass beide Bücher Übersetzungsarbeiten theologischer Werke sind. Zudem sind beide Werke außerhalb Albaniens durch Geistliche entstanden, „... deren Bestreben es war, das Albanische nach vielen Jh.en der Mündlichkeit angesichts der osmanisch-islamischen Eroberung als Sprache des christlichen Glaubens zu fixieren und so zu etablieren. ...“11 In den nächsten Abschnitten werden das Missale von Buzuku und die Dottrina cristiana von Matrënga kurz vorgestellt. Auf eine Inhaltsangabe wird aufgrund der Textarten verzichtet: Die Dottrina ist ein Katechismus und das Missale eine Komposition aus Gebeten, Psalmen und anderen christlichen Texten.
I.3.2.1 Über das Missale von Buzuku
Das Missale von Gjon Buzuku in altgegischem Dialekt stammt aus dem Jahre 1555. Es ist das erste gedruckte Buch in albanischer Sprache. Ursprünglich bestand das Werk aus 110 Folioblättern. Davon sind 16 verloren gegangen, u.a. das Frontispiz, so dass der genaue Titel heute unbekannt ist. Das erhaltene Werk besteht aus 94 Folioblättern, i.e. 188 Seiten.1 Ferner fehlt die Angabe des Druckorts. In der Forschung wird allgemein angenommen, dass das Missale in Venedig2 hergestellt wurde. Zu diesem Schluss ist man u.a. aufgrund der verwendeten Schrift beim Druck, der norditalienisch-gotischen Rotunda, gekommen. Für das vorliegende Projekt wurde nicht das gesamte Missale konsultiert, sondern nur Folio 9, i.e. 9r und 9v nach der Ausgabe von Ressuli (1958).
Lediglich ein Exemplar des Missales ist erhalten. Das Buch war lange Zeit in Vergessenheit geraten und wurde zufällig 1740 in der Bibliothek „… of the College of the Propaganda Fide …“3 durch den Jesuiten Johannes Nicolevich Casasi4 wieder entdeckt. Heute wird das einzige Exemplar in der Vatikanischen Bibliothek aufbewahrt.
Das Werk Buzukus wird nach seinem Inhalt Missale genannt, bzw. auf Albanisch Meshari.5 Daran wird deutlich, dass es sich hierbei nicht um ein Werk handelt, das der Feder Buzukus entsprungen ist, sondern dass eine Übersetzungsarbeit katholischer Literatur aus dem Lateinischen ins Albanische vorliegt. Einen konkreten Vorlagetext besitzt das Missale jedoch nicht.6 Es ist vielmehr eine Kompilation von Gebeten sowie liturgischen und religiösen Texten aus dem Alten und Neuen Testament, die im Kirchenjahr zentrale Bedeutung haben. Peters (2007) fasst den Inhalt des Missales treffend zusammen:
„… Das liturgische Werk Buzukus ist eine Mischung aus Brevier, Messbuch, Lektionar, Rituale und Katechismus und beginnt zunächst mit Teilen des Stundengebets (Laudes, Prim, Terz, Sext, Non, Vesper und Komplet), dann folgen die Sieben Bußpsalmen Davids, Heiligenlitaneien des franziskanischen Ritus einige Teile des Rituale (über das hl. Ehesakrament), die Zehn Gebote sowie einige andere Teile des Katechismus und schließlich fast alle Messen, welche während des Kirchenjahres zu feiern sind, sowohl zu den beweglichen als auch zu den unbeweglichen Festtagen. …“7
Das Werk klingt mit einem „persönlichen“ Kommentar von Buzuku aus. Darin erklärt er seine Beweggründe, das Missale anzufertigen, ermahnt den Leser häufiger in die Kirche zu gehen, beschreibt kurz den Arbeitszeitraum an dem Buch und entschuldigt sich für eventuelle Fehler. Durch dieses Postskriptum sind ein paar Informationen über Buzuku auf uns gekommen. Doch insgesamt ist über den Autor nur sehr wenig überliefert. Man weiß, dass Gjon Buzuku ein katholischer Geistlicher war. Wahrscheinlich hat er nicht in Albanien gelebt, sondern in der Region um Venedig. In dieser Gegend sind albanische Flüchtlinge nach der osmanischen Eroberung sesshaft geworden, darunter auch die Sippe Buzukus. Aufgrund seines Dialektes kann es als sicher gelten, dass Buzukus Wurzeln in Nordalbanien, der Heimat des Gegischen, lagen.8
I.3.2.2 Über die Dottrina cristiana von Matrënga
Die Dottrina cristiana, oder auf Albanisch Mbsuame e Krështerë, von Lekë Matrënga aus dem Jahre 1592 ist das erste bekannte Werk im toskischen Dialekt. Gedruckt wurde es in Rom. Es handelt sich hierbei um eine Übersetzung des Katechismus des Jesuiten Jacob Ledesma. Als Vorlage diente eine italienische Version, mit der die Dottrina cristiana verflochten ist. So wechseln sich italienische und albanische Passagen ab. In der vorliegenden Untersuchung wird der italienische Part nicht berücksichtigt, da er gleichen Inhalts wie der albanische Text ist und die vorliegende Untersuchung das Italienische nicht einbezieht. Gemäß der Vorlage ist die Dottrina cristiana als Frage-Antwort-Text gestaltet. Dabei werden Inhalte des christlichen Glaubens dargelegt, verschiedene Gebete vorgetragen und besprochen sowie Dogmen erklärt. Zusätzlich enthält das Buch eine Einleitung in zeitgenössischer italienischer Sprache. Eine Besonderheit der Dottrina cristiana ist, dass sie mit einem kurzen Gedicht, dem Canzone Spirituale, beginnt, der ersten niedergeschriebenen albanischen Lyrik.
Das Werk Matrëngas umfasst 48 Folioblätter. Es sind drei verschiedene Handschriften der Dottrina cristiana erhalten. Man geht sogar davon aus, dass eins dieser Manuskripte die Handschrift Matrëngas selbst ist. Als gedrucktes Buch ist die Dottrina cristiana nur in einem Exemplar erhalten.
Matzinger (2006) informiert über das Buch:
„… Da die gedruckte Ausgabe allerdings sehr fehlerhaft und insgesamt recht mangelhaft war, ist es dieser schlechten Qualität zuzuschreiben, daß der Druck keine große Resonanz gefunden hat. So ist die Dottrina cristiana des Lekë Matrënga in der Folge in Vergessenheit geraten. …“1
Über Matrënga selbst ist ein wenig mehr als über Buzuku bekannt. Matrënga lebte von 1567–1619. Über seinen Geburtsort besteht Ungewissheit. In Frage kommen Piana dei Greci2 oder Monreale, beide Orte liegen in der Provinz Palermo auf Sizilien. Matrënga stammt aus einer toskischen Familie, die vermutlich 1532/33 aus Albanien ausgewandert ist. 1582–1587 studierte Matrënga in Rom am griechischen Kollegium des Heiligen Athanasius und kehrte anschließend nach Sizilien zurück. Die Weihe zum Priester erhielt er vermutlich 1591. Über seine späten Lebensjahre weiß man, dass er in der italoalbanischen Gemeinde in Piana dei Greci als Geistlicher wirkte. Dort starb er auch am 6. Mai 1619 als Erzpriester. Im Unterschied zu Buzuku war Matrënga ein Geistlicher orthodoxen Glaubens.
I.3.3 Zur Hrafnkels saga freysgoða
Der altnordische Text Hrafnkels saga freysgoða1 ist eine fiktive Erzählung, die in das Genre Saga einzuordnen ist. Sie lebt besonders von Rachemotiven, die einen Gerichtsprozess führen. Die Geschichte berichtet, wie es zu diesem kam, aber auch auf welche Weise die Figuren streiten und welches Ende der Konflikt nimmt. Der Rechtsstreit wird beinah demokratisch