und Sámr, wobei Sámr erst etwa in der Mitte der Geschichte auftritt. Zu Beginn der Saga werden Hrafnkell und sein Wohnsitz, der Adelhof, beschrieben. Hrafnkell ist ein wohlhabender und mächtiger Mann, der das Godenamt ausübt, d.h. er erfüllt eine gewisse Schutzfunktion und Gerichtsbarkeit. Ein armer Mann, Þorbjǫrn, schickt seinen ältesten Sohn Einar in den Dienst Hrafnkells, wo er eine Anstellung als Schafhirte erhält. Eines Tages jedoch verschwinden die Schafe. Um sie schneller finden und zurücktreiben zu können, fängt Einar von einer Pferdeherde eins der Tiere ein. Er erwischt den Hengst Freyfaxi, der Hrafnkell gehört und dem Gott Freyr geweiht ist. Hrafnkell hat es jedermann untersagt, ihn zu reiten. Natürlich hofft Einar, dass Hrafnkell nichts bemerkt. Doch Hrafnkell erfährt davon und erschlägt Einar. Der Vater Einars verlangt Vergeltung und fordert ein Rechtsurteil. Þorbjǫrn sucht hinsichtlich des Streits Unterstützung bei seinem Bruder Bjarni und dessen Sohn Sámr, der im Laufe der Geschichte als Gegenspieler Hrafnkells hervortritt. Sámr übernimmt die Klage für Einars Vater. Daraufhin wird ein Thing einberufen und der Prozess zu Gunsten Þorbjǫrns und Sámrs entschieden. Hrafnkell wird als friedlos erklärt und von seinem Hof vertrieben. Stattdessen bezieht Sámr diesen mit seinen Leuten, auch den Hengst Freyfaxi nimmt er in Besitz. Allerdings wird das Pferd getötet, da überhaupt erst der Ritt auf ihm den Streit heraufbeschworen hat. Hrafnkell verlegt seine Wirtschaft und erarbeitet sich erneut Reichtum und Ansehen. Zum Ende der Saga kehrt der Bruder Sámrs, der Seemann Eyvindr, nach Island zurück. Als dieser mit seinen Leuten von der Küste in das Landesinnere reitet, treffen sie mit Hrafnkell und einigen von dessen kampftüchtigen Untergebenen zusammen. Es kommt zu einer handgreiflichen Auseinandersetzung, in der Hrafnkell Eyvindr tötet. Anschließend fällt Hrafnkell mit seinen Leuten auch bei Sámr ein, vertreibt ihn vom Adelhof und raubt all seinen Besitz, aber lässt ihn am Leben. Die Geschichte endet damit, wie Hrafnkell seinen Grundbesitz unter sich und seinen Söhnen aufteilt und viel später an einer Krankheit stirbt.
Der Rechtsstreit sowie die anschließende Enteignung und Vertreibung Hrafnkells bilden den längsten Part der Geschichte. Der Totschlag Einars ist die Vorgeschichte, die den Streit heraufbeschwört. Mit dem Tod Eyvindrs kommt es im Verlauf der Erzählung erneut zu einem Konflikt. Das Ende der Saga ist die Rache Hrafnkells. Die Saga kann in die Abschnitte Einleitung, erster Konflikt, erste Rache, beruhigte Phase, erneuter Konflikt, zweite Rache und Ende gegliedert werden. Dies spiegelt das Grundschema wieder, nach dem die Isländersagas aufgebaut sind.
Der Terminus Saga (anord. saga ‚etwas Erzähltes‘) ist von anord. segja ‚sagen, erzählen‘ abgeleitet und bedeutet ‚Mitteilung, Bericht‘. Sagas gehören zur altnordischen Prosaliteratur und sind in schriftlicher Form überliefert. Sie werden in der Forschung in verschiedene Untergruppen eingeteilt, so spricht man beispielsweise von den Königssagas, den Bischofssagas, den Isländersagas, den Vorzeitsagas und anderen.2 Gegenstand der folgenden Darstellung sind ausschließlich die Isländersagas, da die Hrafnkels saga freysgoða zu diesen gehört. Insgesamt sind etwa 40 Geschichten dieser Art überliefert. Die Bezeichnung Isländersaga, bzw. auf Isländisch Íslendinga sögur, leitet sich von der Herkunft der Protagonisten ab, „… die zu den ersten Generationen des isländischen Volkes gehörten, von der Landnahme bis etwa 1030. …“3 Die überlieferten Sagas entstammen der Zeit zwischen der Mitte des 12. Jh. bis ins 14. Jh. Die Autoren sind häufig nicht bekannt. Ebenso ist oft unklar, wann genau und wo die einzelnen Sagas verfasst wurden. Auch hinsichtlich möglicher Quellen können nur Vermutungen angestellt werden. Es ist anzunehmen, dass die Sagas ein Potpourri mündlicher Überlieferungen, älterer Schriften, Genealogien und der Phantasie des jeweiligen Autors darstellen. Eines sind sie jedenfalls nicht: zuverlässige historische Quellen für die Zeit von etwa 930–1030. Die Sagas zeigen vielmehr, welche Vorstellung ihre Verfasser von der Zeit um das 10. Jh. gehabt haben mögen. Thematisch drehen sich die Isländersagas stets um Auseinandersetzungen, Kämpfe, Fehden und Rache. Dabei werden die Charaktere sehr plastisch und lebendig dargestellt. Sie haben sowohl gute wie schlechte Seiten und erleben im Laufe der Erzählung einen Wandel. Baetke (1952) rühmt die Sagaliteratur mit folgenden Worten:
„… Diese Literatur erweckt das Interesse des Literaturhistorikers schon deswegen, weil es die einzige künstlerische Prosaliteratur des abendländischen Mittelalters ist mit einem ebenfalls einzigartigen Sprachstil und einer realistischen Darstellungsform, die erst in der Neuzeit ihresgleichen gefunden hat. …“4
Die Hrafnkels saga freysgoða gilt als „… die bedeutendste Isländersaga. …“5 Sie ist um 1300 entstanden. Man geht in der Forschung davon aus, dass es sich um ein fiktives Werk handelt, auch wenn einige Figuren, wie zum Beispiel Hrafnkell, historisch belegt sind.
Die Saga Hrafnkels saga freysgoða ist in verschiedenen Abschriften erhalten. Baetke (1952) bezeichnet sie als A (AM 156, fol.), B (AM 158, fol.), C (AM 433, 4to), D (AM 551 c, 4to) und y. Die Versionen A, B, C und y gehen auf dieselbe Membran zurück, kurz als M bezeichnet. Diese Membran ist ins 15. Jh. zu datieren und „… war bis 1650 vollständig bewahrt. …“6 Heute ist lediglich noch ein Pergamentblatt in AM 162 I, fol. erhalten. Auch die Abschrift y ist verloren gegangen. Doch nach ihrem Vorbild sind die Abschriften B und C angefertigt worden. Die Handschrift A dagegen wurde wohl direkt von M abgeschrieben. Die Version D weicht von den anderen stark ab und es wird in der Forschung angenommen, dass sie anhand der ursprünglichen Version der Saga angefertigt wurde. In dieser Untersuchung wurde mit der Ausgabe von Baetke (1952) gearbeitet. Diese stützt sich großteils auf die Abschrift A der Saga.7
I.3.4 Zur Geschichte Armeniens von Agantʿangeɫos
Das Werk ist, wie das von Xenophon, ein Denkmal antiker Geschichtsschreibung. Die Geschichte Armeniens von Agantʿangeɫos ist bekannt unter dem Titel Patmowtʿiwn Hayocʿ, doch das Vorwort ist mit Agantʿangeɫeay Patmowtʿean, i.e. ‚Geschichte von Agantʿangeɫos‘, überschrieben. Der Autor zeigt hier ein bemerkenswertes Selbstbewusstsein, indem er sich selbst im Titel nennt. Im Weiteren wird von der Geschichte Armeniens oder von Patmowtʿiwn Hayocʿ gesprochen.
Liest man die Patmowtʿiwn Hayocʿ, erschließen sich die historischen Zusammenhänge nicht augenblicklich. Der Autor setzt viel Weltwissen des Lesers voraus, das ein heutiger Leser nicht mitbringt. Ferner besteht auch in der Forschung nicht immer Einigkeit über die Bestimmung der Jahreszahlen etc. Bspw. ist eine Hauptfigur der Geschichte Armeniens der armenische König Trdat. Über sein Leben ist wenig bekannt.1 Sicher ist, dass König Trdat der erste getaufte armenische König war und im Jahre 330 starb. Im Folgenden wird versucht, zunächst das Werk selbst und anschließend die historischen Hintergründe der Geschichte Armeniens zu erklären, damit der Text von Agantʿangeɫos dem Leser durchsichtiger wird.
I.3.4.1 Über das Werk
Die Geschichte Armeniens von Agantʿangeɫos ist ein umfangreiches Werk. Für die Untersuchung wurden lediglich der Prolog und das erste Kapitel verwendet. Daher wird auch nur deren Inhalt umrissen. Einen knappen Überblick über den Inhalt des gesamten Werks gibt Inglisian (1963):
Der Text besteht „… aus 3 Teilen: Nach einer schwulstigen Einführung a) die Darstellung der polit. Umwälzung in Persien (gewaltsame Machtergreifung des Sassaniden Artaschir und Beginn dieser Dynastie) und in Armenien Flucht des Trdats und Gregors und Rückkehr nach Armenien, Bekenntnis Gregors als Christ und seine daranschliessenden Folterqualen, wie die Verfolgung und das Martyrium der christl. Jungfrauen Hrip’simeank’ (15–133); b) die Lehre Gregors (124–372); c) Bekehrung des Hofes und des ganzen Volkes, feierliche Bischofsweihe Gregors in Cäsarea (Kappadozien) und seine pastorale Tätigkeit (373–474). …“1
Die Geschichte Armeniens beginnt mit einer langen Einleitung. Die Sprache des Prologs ist poetisch und die Konstruktionen sind kompliziert. Thomson (1976) nennt sie „äußerst gewunden“ und weist darauf hin, dass es oft schwierig ist, textnah zu übersetzen.2 Agantʿangeɫos beginnt mit einer Meeres-Metaphorik, die sich durch das gesamte Vorwort zieht. Dabei betont er besonders die gefährliche Schönheit des Ozeans. Der Autor vergleicht sich mit einem Kaufmann, der sich den Bedrohungen des Meeres aussetzt, um kostbare Waren zu erlangen. Agantʿangeɫos aber segelt auf dem „Meer der Weisheit“ sowie dem „Meer der Geschichte“ und trotzt den Klippen, die sich einem Schriftsteller