von signifiant (Ausdruck, Form) und signifié (Inhalt, Bedeutung) eine Idealisierung darstellt, zu der uns die normalerweise problemlos funktionierende Sprachproduktion/ Sprachrezeption verleitet (cf. Börner/Vogel 1997, 1f.). Schließlich dürften aber auch die phonologische und die morphologische Komponente eines Eintrags im mentalen Lexikon getrennt gespeichert sein, wie Ergebnisse der Aphasie-Forschung suggerieren.
2 Das im mentalen Lexikon gespeicherte Wissen hat deklarative und prozedurale Komponenten, m.a.W. es handelt sich einerseits um eine Art Faktenwissen, andererseits um in jedem Fall unbewusstes Handlungswissen (motorische Muster, Artikulationsprogramme usw.), das auf Basis des deklarativen Wissens funktioniert.
3 Neben mehrgliedrigen Einheiten, deren Bedeutung nicht (mehr) transparent ist, also formelhaften Ausdrücken oder idiomatischen Wendungen wie z.B. (dar) carta blanca ‘(jmd.) freie Hand (lassen)’, cada oveja con su pareja ‘gleich und gleich gesellt sich gern’, con su permiso ‘wenn Sie gestatten’ oder (no tener) ni son ni ton ‘weder Hand noch Fuß haben’, sind wahrscheinlich auch zahlreiche transparente und aktuellen syntaktischen Regeln gehorchende Ausdrücke als solche im mentalen Lexikon gespeichert, da sonst flüssiges Sprechen vermutlich nicht möglich wäre (cf. Coulmas 1985). Solche Einheiten dürften (bei Muttersprachlern) in Form von prozeduralem Wissen vorliegen, das konzeptuell aktiviert wird (cf. Möhle 1997, 47f.). Aus der Annahme, dass solche Ausdrücke im mentalen Lexikon gespeichert sind, ergibt sich, dass linguistische Modelle, die eine scharfe Trennung von lexikalischer und grammatikalischer Komponente anstreben, den Prozessen der tatsächlichen Sprachverarbeitung nicht vollständig gerecht werden.
1.3 Zusammenfassung und Vorausschau auf die folgenden Kapitel
Lexikologie ist die Wissenschaft vom Wortschatz und seinen Strukturen. Die Vorstellungen des Begriffs Wortschatz lassen sich im Wesentlichen auf zwei reduzieren:
1 individueller Sprachbesitz, der im mentalen Lexikon gespeichert ist und bei der Sprachproduktion/-rezeption realisiert wird,und
2 kollektives Reservoir lexikalischer Einheiten, das nach verschiedenen Dimensionen gegliedert ist und dessen Strukturen sich unter verschiedenen Gesichtspunkten beschreiben lassen.
Für beide Grundauffassungen wird auch der Begriff Lexik(on) verwendet. Hinsichtlich der möglichen Perspektiven bei der Betrachtung des Lexikons (als kollektivem Reservoir) halten wir für den vorliegenden Band die folgenden fest (cf. auch Lutzeier 2002, Scheppan 2002):
Die Einheiten des Lexikons stehen in vielfältigen, kognitiv relevanten Beziehungen zueinander. Da diese Beziehungen z.T. mit dem inneren Aufbau der Einheiten zusammenhängen, dürfen Fragen der Morphologie und Wortbildung nicht außer Acht gelassen werden (Kapitel 3).
Inhaltsmäßige Beziehungen zwischen Wortschatzeinheiten, die auf der syntagmatischen oder der paradigmatischen Ebene angesiedelt sein können, werden im Kapitel 4 behandelt. Dies setzt auch eine grundsätzliche Beschäftigung mit der Frage nach der Bedeutung und ihrer Beschreibung voraus.
Lexikon als System von Systemen: Der Wortschatz einer Sprache besteht aus Teilwortschätzen, die historisch, sozial und situationsabhängig definiert werden können. Eine Betrachtung unter dem Gesichtspunkt der Diasystematizität verlangt die Behandlung der historischen Schichtung, der Register und Sprachniveaus sowie der Variation im Raum. Diesen Fragen ist das Kapitel 5 gewidmet.
Einzelsprachspezifische Wortschatzstrukturen werden besonders im Sprachvergleich deutlich; der Forschungsrichtung der kontrastiven Lexikologie und ihren Ergebnissen ist deshalb ein eigenes Kapitel (6) gewidmet.
Neben dem Alltagswortschatz gibt es auch Fachwortschätze, deren Verwendung situationell und sprechergruppenspezifisch determiniert ist. Als Sonderfall von lexikalischen Einheiten sind Termini und die Systeme, die sie bilden (Terminologien), ein praxisrelevantes Arbeitsfeld lexikologischer Forschung, das im Kapitel 7 skizziert wird.
Wortschatz wird nicht nur theoretisch klassifiziert, sondern auch zu vielfältigen theoretischen und praktischen Zwecken in Inventaren beschrieben. Die Lexikologie gilt dabei als eine der theoretischen Grundlagen für die Lexikographie (Praxis der Wörterbucherstellung) und die ihr vorgelagerte Metalexikographie (Theorie der Lexikographie) (Kapitel 8).
Zunächst scheint es aber unabdingbar, der Frage nachzugehen, was die Grundeinheiten des Lexikons sind.
2 Die Einheiten des Wortschatzes
2.1 Wörter und Lexeme
Das Wort als intuitiv erkannte Grundeinheit des Wortschatzes hat auch in der wissenschaftlichen Auseinandersetzung seinen festen Platz, obwohl häufig nicht genau gesagt wird, was damit eigentlich gemeint ist. Wie bei ähnlichen Problemfällen, z.B. Satz, stört das in aller Regel aber nicht.
Fast alle gängigen Definitionen von Wort sind in höchstem Maße problematisch; zu den im Alltag häufigsten zählt „vorne und hinten abgegrenzte Buchstabenfolge“ – eine Definition, die z.B. für den Großteil des Mittelalters nicht gehalten hätte: In der Tat sind mittelalterliche Handschriften häufig ohne jeglichen Zwischenraum geschrieben, und erst mit Änderungen im Rezeptionsverhalten – selbst stumm lesen statt Vorgelesenes rezipieren – geht man von der sog. scriptio continua ab. Ein noch näher liegendes Beispiel ist die „neue“ deutsche Rechtschreibung von 1996, deren Regeln für die Getrennt- bzw. Zusammenschreibung ebenfalls bedeutende Auswirkungen auf die Wortdefinition haben, wenn sie auf graphischen Kriterien beruht.
Die Problematik solcher Kriterien tritt besonders deutlich zutage, wenn man
1 stilistisch oder grammatisch motivierte Schreibvarianten vor sich hat, z.B. quiero decírtelo vs. te lo quiero decir bzw. lo veo vs. viéndolo,
2 zwischensprachlich vergleicht und z.B. feststellen muss, dass ein und dasselbe Konzept in der einen Sprache mit einem graphischen Wort, in der anderen aber mit mehreren graphischen Wörtern ausgedrückt wird, z.B. dt. Zuckerrohr vs. sp. caña de azúcar.
Im ersten Beispiel wären te und lo einmal Teil eines Wortes, ein anderes Mal eigenständige Wörter, in (b) hätten wir im Deutschen nur ein Wort, im Spanischen gleich drei, wenn wir uns ausschließlich auf die Graphie berufen.
Dem graphischen Kriterium widerspricht u.U. eine weitere, häufig ins Spiel gebrachte Definition: „Ein Wort ist eine Einheit zwischen Sprechpausen.“ Mit diesem Merkmal kämen wir im obigen Beispiel caña de azúcar wieder zu einem Wort, da in normaler Sprechweise weder zwischen caña und de, noch zwischen de und azúcar eine Pause zu erwarten ist.
Wieder eine andere Definition sieht vor, dass Wörter minimale freie Formen sind, d.h. auch unabhängig vorkommen können: Leonard Bloomfield baut diese Argumentation in drei Stufen auf: 1. “forms which occur as sentences are free forms”, 2. “a free form which is not a phrase, is a word”, 3. “a word is a minimum free form” (Bloomfield 1933, 177f.). Damit können wir z.B. quiero in der Äußerung quiero decírtelo zweifelsfrei als Wort identifizieren, und diese Sicht deckt sich auch mit unserer Intuition. In anderen Fällen aber würden Einheiten ausgegliedert, die wir intuitiv sehr wohl als Wörter ansehen: Da beispielsweise der Artikel nie allein vorkommt und auch nicht als Satz auftreten kann, wäre er kein Wort, dasselbe gilt etwa auch für Präpositionen, die nie ohne das Element vorkommen, das sie regieren. Anders gesagt, es fallen alle sog. Funktionswörter, deren Leistung darin besteht, Beziehungen zwischen Elementen eines Satzes oder Textes herzustellen, aus der Definition heraus: Artikel, Konjunktionen, (adjektivische) Pronomen.
Das wesentliche und leicht mit unserer Intuition zu vereinbarende Kriterium zur Bestimmung des Wortbegriffs scheint der innere Zusammenhang von Einheiten zu sein. So können wir beispielsweise in dem Satz tienes que formatear el disco duro zwischen el und disco duro problemlos ein attributives Adjektiv, etwa nuevo, einfügen. Auf der darunterliegenden Ebene ist dies nicht mehr möglich: Bricht man Einheiten wie formatear oder disco