de bolsillo, balanza del poder usw. Auch deren syntaktisches Verhalten variiert, was man deutlich erkennt, wenn man sie modifizieren will: libro estupendo de cocina vs. *libro estupendo de bolsillo vs. libro de bolsillo estupendo; caballo negro de carrera vs *mano cara de obra. Bei diesem Typ scheint die Semantik (transparent/kompositionell vs. nicht transparent) eine Rolle für die Modifizierbarkeit zu spielen (cf. Cartagena/Gauger 1989 II, 79).
Einen Sonderfall stellen gelehrte Komposita dar, da hier ein Grundmerkmal fehlt: Die Komponenten kommen in der Regel nicht frei vor. Beispiele aus griechisch-lateinischem Material wären: geólogo (gr.-gr.), democracia (gr.-gr.), radiólogo (lat.-gr.), polivalencia (gr.-lat.) uvam. Aufgrund des reihenbildenden Charakters sowie des nur gebundenen Vorkommens der Komponenten werden Wortbildungsprodukte mit tele-, bio-, -logo etc. von vielen Morphologen im Kontext der Derivation behandelt (cf. Kapitel 3.3.1.2).
3.3.3 Andere Verfahren
Neben Derivation und Komposition existieren noch verschiedene, quantitativ weniger bedeutende Verfahren der Wortbildung.
Im weiteren Sinne als syntagmatisch kann man auch die Univerbierung bezeichnen, da sich dabei ebenfalls Phrasen verfestigen: nomeolvides ‘Vergissmeinnicht’, enhorabuena ‘Glückwunsch’, pagaré ‘Schuldschein’ etc.
Die Wortkürzung kann am Ende (Apokopierung, Kopfformen) oder am Anfang (Aphärese, Schwanzformen) der Basiseinheit erfolgen; es kommen auch Bildungen vor, die Elemente aus dem vorderen und dem hinteren Teil der Basis bzw. der Basen kombinieren und bei denen dazwischenliegende Morpheme ausfallen (Kontraktionen, Wortkreuzungen):
Apokopierungen: cine ← cinema; kilo ← kilograma; radio ← radiotelefonía etc. Manche Kurzformen sind umgangssprachlich oder gruppenspezifisch (Jugendsprache; cf. Montero 2013): profe ← profesor; mani ← manifestación; bici ← bicicleta. Bei der Kürzung kann es zu einer Bedeutungsdifferenzierung kommen; so bedeutet taxímetro, die Vollform von taxi, heute nur mehr ‘Fahrpreisanzeiger’ (cf. Thiele 1992, 128).
Aphäresen sind in der Gemeinsprache relativ selten: bus ← autobus; fono ‘Hörer’ ← teléfono
Kontraktionen: helipuerto ← helicóptero + aeropuerto; docudrama ← documento + drama
Die Bildung von Siglen und Akronymen (Initialwörtern) ist ein Ausdruck von Sprachökonomie. Mit Rainer (1993, 705f.) versteht man unter Siglen Einheiten, die nur aus den Anfangsbuchstaben der Komponenten bestehen: BOE (← Boletín oficial del Estado), AP (← Alianza Popular), OUA (← Organización de la Unidad Africana) etc. Akronyme bestehen aus mehr als dem Anfangsbuchstaben der Komponenten (muss nicht für alle Komponenten gelten): RENFE (← Red Nacional de Ferrocarriles Españoles), MATESA (← Material Textil S.A.). Akronyme werden immer wie Wörter gelesen, Siglen werden entweder buchstabiert (z.B. PSA, DNI) oder – wenn es phonotaktisch möglich ist – ebenfalls gelesen (OTAN, ETA, ONU etc.).1
Vor allem aus der Kindersprache ist uns die Reduplikation gut bekannt: Wörter oder Segmente, die manchmal einen Bezug zu einer Ausgangsform erkennen lassen, werden verdoppelt, und so entsteht ein neues Wort mit oft affektiver Konnotation: nene ‘niño’ (fam.); (hacer) pipí ‘Pipi’ (fam.); (polvos de) picapica ‘Juckpulver’ usw.
3.3.4 Produktivität, Aktivität, Blockierungen
Wir haben eingangs festgehalten, dass neue komplexe Wörter in Analogie zu bereits vorhandenen Wortbildungen entstehen. Der Kreativität der Sprecher sind dabei – Wortspiel, poetische Sonderverwendung u.Ä. ausgenommen – vielerlei Grenzen gesetzt: 1. Ein Wortbildungsmittel oder -modell hat in einem bestimmten Zeitraum ein gewisses Ausmaß an Produktivität, z.B. kann man heute neue Verben auf der Basis von Substantiven nicht (mehr) mit -er oder -ir bilden, sehr wohl aber mit -ar bzw. -ificar, -izar und -ear. Produktiv ist auch die deverbale Ableitung von Substantiven mit -ción, nicht jedoch mit -zón. Ein Beispiel aus dem Bereich der evaluativen Suffixe wäre das unproduktive -uelo, das äußerst produktiven Suffixen wie -illo und -ito gegenübersteht. Sind Bildungstypen synchron verständlich, kann man sie als aktiv bezeichnen; damit ist die “prinzipielle Verfügbarkeit und Anwendbarkeit für die Bildung neuer Wörter” (Thiele 1992, 13) gemeint, ohne dass auf diesen Bildungstyp zwingend zurückgegriffen wird (z.B. -isa für die Motion, d.h. Femininbildung). Produktivität ist nichts anderes als die Intuition der Sprecher, dass ein bestimmtes Muster zur Bildung neuer Wörter verwendet werden kann. Voraussetzung dafür ist die semantische Regularität des Schemas – d.h. Wortbildungsbedeutung und Wortschatzbedeutung dürfen nicht zu stark divergieren – und das Fehlen von Beschränkungen (cf. Piera/Varela 1999, 4378).
Beschränkungen sind z.B. semantischer bzw. pragmatischer Art:1 So muss ein Verb *desnadar wohl als inakzeptabel abgelehnt werden, weil die Bedeutung des Präfixes nicht mit jenem der Basis verträglich ist, die einen umkehrbaren Vorgang ausdrücken müsste (z.B. descolonizar, desempaquetar etc.). Arbiträr semantisch begründet ist die Einschränkung des Adjektivsuffixes -uno (für Relationsadjektive) auf Tiere. In der Phonologie sind z.B. die Gründe für Beschränkungen bei Ableitungen von Dichternamen mit -iano (*gracianiano vs. kafkiano) zu suchen. Phonotaktische Beschränkungen liegen dann vor, wenn das entstehende Wort nicht den akzeptablen Lautkombinationen der Sprache gehorchen würde (z.B. pollo + -illo > *pollillo).
Da Wortbildung zur Begriffsbildung dient, können Wörter grundsätzlich nur dann gebildet werden, wenn der entsprechende Begriff nicht bereits abgedeckt ist: Das Präfix in- verbindet sich beispielsweise nicht mit der Basis guap- (*inguapo), weil dafür bereits feo existiert. Ganz ähnlich steht es mit dem Begriff DIEB, der im Spanischen mit dem Wort ladrón ausgedrückt ist, deshalb ist es nicht möglich, robador zu bilden, obwohl dieses deverbale Substantiv semantisch unproblematisch wäre und sich der Bildungstyp durch hohe Produktivität auszeichnet (synonymische Blockierung, Synonymieverbot). Diese Blockierung könnte nur durchbrochen werden, wenn robador z.B. eine Spezialbedeutung bekäme.2 Eine analoge, aber formbezogene Blockierung liegt vor, wenn das neu gebildete Wort homonym zu einem bereits existierenden Wort ist (homonymische Blockierung).3
3.4 Wortfamilien
Unter Wortfamilie versteht man eine Gruppe von Lexemen, die etymologisch betrachtet über einen gemeinsamen Stamm verfügen: viaje, viajar, viajero, viajante; historia, historiador, historial, historiar, histórico etc.; nudista, nudismo, desnudo, desnudar etc. (< lat. NUDU; nicht aber nudo ‘Knoten’ < NODU). Bei all diesen Fällen handelt es sich um Ableitungen von einem Grundwort.
Daneben gibt es aber zahlreiche Beispiele, bei denen der etymologische Zusammenhang nicht sofort klar ist: humo vs. fumar, fumata, fumador etc.; niebla vs. nebuloso, nebulosidad, neblina, nebulizador; dedo vs. digital, digitación ‘Fingersatz’; voz vs. vocal etc. Solche Beispiele sind zwar nicht so häufig wie etwa im Französischen, dennoch gibt es auch im spanischen Wortschatz zahlreiche Asymmetrien dieser Art.
Unter Beibehaltung einer streng synchronen Perspektive können solche Beispiele auch als (gelehrte) Ableitungen betrachtet werden: hijo → filial; madre → maternal; agua → acuoso, acuático; ojo → ocular; moneda → monetario. Die Variation im Stamm wäre als Allomorphie zu beschreiben. Aus diachroner Perspektive handelt es sich aber um spätere Entlehnungen aus dem Lateinischen bzw. um Neubildungen mit lateinischem Material,