Dr. Sabine Gapp-Bauß

Depression und Burn-out überwinden


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mit kurzen Worten in einem Heft. Auf diese Weise können Sie Ihren Heilungsprozess ab sofort mit allen kleinen Fortschritten gut nachvollziehen. Sie nehmen dadurch mehr eine Beobachterrolle ein und werden Ihr eigener Experte. Dies fördert Ihren Heilungsprozess.

       Zum Verständnis:

      Eine Depression, auch wenn sie schon lange besteht, stellt für die Betroffenen eine akute Notlage dar. Hoffnungslosigkeit ist ein Faktor, der die Depression von einer vorübergehenden Niedergeschlagenheit unterscheidet. Gerade weil der Heilungsprozess viel Zeit und Geduld braucht, sind schnelle Entlastung und Unterstützung mit der Aussicht auf Besserung sehr wichtig. Menschen im Stimmungstief verlieren durch das depressive Denken sehr schnell die Hoffnung. Doch gerade Hoffnung ist der seidene Faden, an dem das Leben eines schwer depressiven Menschen hängt. Ähnlich wie bei einem Schlaganfall oder einer schweren körperlichen Erkrankung kann man hier nicht einfach abwarten. Deshalb: Gestehen Sie sich zu, dass Sie akut und schnell kompetente Hilfe benötigen.

      Wie bereits beschrieben besteht im Gehirn ein hochgradiger Alarmzustand. Je schneller hier eine gewisse Beruhigung eintritt, desto besser erholt sich Ihr System und desto gezielter können Sie an Ihrer Gesundung arbeiten. Man muss dazu nicht gleich alle Probleme gelöst haben. Indem Ihr gesamtes System „merkt“, dass jetzt etwas Heilsames geschieht, stabilisiert es sich. Das gibt Hoffnung. Depressivität beeinträchtigt nach der chinesischen Medizin immer auch die Schilddrüsenfunktion (Dreifacher-Erwärmer-Meridian) und den gesamten Energiehaushalt und muss ernstgenommen werden.

      Das Prinzip einer ganzheitlichen Betrachtung ist, die aktuell schlimmsten Stressfaktoren zu erkennen und zu beseitigen. Die Frage ist also: Was trägt zu einer spürbaren Besserung Ihres jetzigen Zustands bei und gibt Ihnen eine Perspektive?

      Wenn jemand wegen einer Depression zu mir kommt, stelle ich erst einmal ein paar Orientierungsfragen: Wie stabil sind Sie im Moment? Können Sie schlafen? Wie groß ist Ihre Erschöpfung? Kommen Sie zu Hause alleine zurecht? Leiden Sie an schwer zu ertragenden Panikzuständen? Haben Sie Appetit und können Sie sich selbst gut mit Essen und Trinken versorgen? All diese Fragen sind wichtig, denn in einem psychischen und seelischen Ausnahmezustand haben Sie keinen Zugang zu Ihren inneren Ressourcen, aus denen Sie normalerweise Kraft schöpfen. Zunächst muss also die größte Not gelindert werden, damit sich Ihre Neurobiologie und Ihr Stoffwechselsystem normalisieren. Ihr Ernährungs- und Ihr Kräftezustand sind ebenfalls wichtige Voraussetzungen, um sich überhaupt mit den dahinterliegenden Problemen beschäftigen zu können.

      Wer zum Beispiel gar nicht mehr schläft, braucht übergangsweise ein leichtes Schlafmittel oder ein Antidepressivum, um wieder zur Ruhe zu kommen. Denn ohne Schlaf kann Ihr Zustand sich massiv destabilisieren. Oft tritt jedoch nach einem klärenden Gespräch, in dem die Betroffenen sich verstanden und endlich nicht mehr alleingelassen fühlen, eine Beruhigung ein. Der Schlaf kommt dann von selbst wieder in die Balance. Eine medikamentöse Unterstützung in Form von antidepressiv oder beruhigend wirkenden Medikamenten ist dann nötig, wenn jemand unter schwerster Niedergeschlagenheit, einer schweren Schlaflosigkeit oder unter hochgradiger Unruhe und Dauerpanik leidet und nicht mehr zur Ruhe kommt. Welche Medikamente sinnvoll sind, sollten Sie zusammen mit einem Psychiater Ihres Vertrauens entscheiden.

      Ein Wort zur Gabe von Antidepressiva: Man sollte sie niemals leichtfertig oder routinemäßig bei jeglicher Form von Depression geben. Tatsächlich wirken Antidepressiva nur bei 30 Prozent der Betroffenen. Antidepressiva haben zwar auch Nebenwirkungen, aber sie machen immerhin nicht süchtig. Man kann ihre Einnahme sehr gut „ausschleichen“, wenn sie nicht mehr benötigt werden. Antidepressiva können für eine gewisse Zeit sehr segensreich sein. Manchmal reichen sogar ein bis zwei Tropfen eines Antidepressivums wie zum Beispiel Amitriptylin – das so normalerweise als unterdosiert gelten würde –, um eine Stressspirale kurzfristig zu durchbrechen. Manchmal wirken pflanzliche Mittel mit Melisse, Baldrian, Hopfen, Passionsblume schon beruhigend und stabilisierend. Johanniskrautpräparate haben eine gemütsaufhellende und nachweislich antidepressive, aber nicht schlaffördernde Wirkung. Sie sind – abgesehen von einer gewissen Lichtempfindlichkeit, die sie verursachen – sehr gut verträglich.

      Warnen möchte ich vor Tranquilizern wie Diazepam-Abkömmlingen. Solche Medikamente sind in Ausnahmezuständen angebracht. Sie gehören in Expertenhände, da sie ein verheerendes Suchtpotenzial haben, das leider auch von Ärzten noch immer unterschätzt wird. Dabei ist die Dosierung nicht entscheidend, denn auch in niedriger Dosierung ist die Suchtgefahr groß. Diese Mittel helfen schnell. Sie vermitteln aber eine trügerische Selbstsicherheit, die auf längere Sicht eher schadet, als dass sie nützt. Wer den schwierigen Entzug von Tranquilizern einmal miterlebt hat, weiß, wie quälend das Absetzen dieser Mittel für die Betroffenen ist.

      Ich empfehle vielfach ein gutes Vitaminpräparat mit Mineralien und allen Vitaminen, insbesondere der B-Gruppe, um das Nervensystem zu stabilisieren. Auch homöopathische Mittel sowie Bach-Blütenessenzen können sehr hilfreich sein. Zur Unterstützung der Schilddrüse erfahren Sie mehr im Kapitel über den Umgang mit Körpersymptomen. Im Kapitel „Nervennahrung und Stärkungsmittel für die Seele“ habe ich verschiedene Stärkungsmittel angesprochen, die dazu beitragen, Ihren seelischen Stresszustand deutlich zu mildern.

      Auch ist eine regelmäßige und ausgewogene Ernährung für die Betroffenen wichtig. Schwerer Appetitmangel kann zu Entkräftung führen und schwächt das Nervensystem zusätzlich. Oft kann man mit der Gabe von Vitaminen, insbesondere der B- Gruppe, Mineralien und kleinen gesunden Köstlichkeiten den Appetit wieder anregen. In einem späteren Kapitel werde ich Genaueres dazu berichten.

      Ein wichtiger Stressfaktor ist, dass manchen Menschen der Tagesrhythmus völlig aus den Fugen geraten ist. Dann muss das Augenmerk besonders darauf gerichtet sein, wieder einen sinnvollen Ablauf und eine haltgebende Struktur in den Tag zu bekommen. Auch dazu weiter unten.

      In der Depression ist der Mensch hauptsächlich mit Grübeln und Katastrophenfantasien beschäftigt. Das Denken ist dumpf, voller negativer Gedankenschleifen, und oft breitet sich eine bedrohliche Willen- und Gefühllosigkeit aus. Das normale Empfinden von Ganzheit, insbesondere das Körpergefühl, ist mehr oder weniger abhandengekommen. Daher braucht es ganz konkret „Standfestigkeit“ im Hier und Jetzt. Deshalb: Alles, was im Moment Ihr Körpergefühl und Ihr Gefühl für sich selbst verbessert, wirkt normalisierend auf Ihre Emotionen und Ihr Denken. Ich werde auf wohltuende Maßnahmen für das körperliche Wohl später genauer eingehen. Die Aufarbeitung von Problemen und Konflikten gilt es im Auge zu behalten, aber sie hat in der Regel Zeit. Allein die Erkenntnis: „Ja, meine Psyche und mein Körper haben einen guten Grund, warum sie sich im Moment so schlecht fühlen“, hilft, sich nicht für verrückt zu erklären. Insbesondere benötigen die Betroffenen Ruhe und Entspannung. Da Ruhe für viele jedoch am Anfang schwer auszuhalten ist, begnügen wir uns erst einmal damit, den Rhythmus zu verlangsamen. Wie kommt man in einen langsameren, harmonischeren Takt? Zunächst nur so viel:

      Vereinfachen Sie Ihren Tagesrhythmus. Vermeiden Sie jede Hektik. Sagen Sie Unternehmungen ab, die sich nicht gut anfühlen: lästige Besuche, reine Pflichtveranstaltungen, Sondereinsätze und unnötige Aktionen. Beschränken Sie sich auf die elementaren Dinge Ihres Lebens wie das leibliche Wohl, Essen und Trinken, genug Schlaf, frische Luft und den harmonischen Wechsel zwischen Ausruhen und Beschäftigtsein.

      Widmen Sie Ihrem Körper besondere Aufmerksamkeit und Pflege. Gewöhnen Sie sich an, sich täglich viel in der Natur aufzuhalten. Den Wind auf der Haut zu spüren, die frische Luft zu riechen, natürliche Geräusche zu hören, all das bringt Sie auch wieder mit Ihrer eigenen Natur in Kontakt. Gehen Sie viel zu Fuß. Berühren Sie bewusst die Erde. Falls Sie das nicht absurd finden, setzen Sie sich immer wieder mal unter einen großen Baum und spüren Sie seinen Stamm in Ihrem Rücken. Das beruhigt. Gehen Sie, sofern es die Temperaturen zulassen, immer mal barfuß. Durch das Berühren der Erde und rhythmisches Gehen kommen Sie wieder in Kontakt mit sich selbst. Sie tanken neue Energie. Ihr Kopf wird freier und die Emotionen beruhigen sich.

      Falls