gesund zu werden. Ärzte bezeichnen diese Folgen als „Komplikationen“ von Diabetes, ein höflicher Begriff, der in keiner Weise ausdrückt, wie furchtbar das für die Betroffenen ist. Wenn Sie jedoch wissen, dass sich eine Schlange im Gras verbirgt und sie sehr giftig ist, dann können Sie selbst die Gefahr verringern, gebissen zu werden.
Die gute Nachricht vorneweg: Das Risiko, dass es zu diesen langfristigen Folgen kommt, kann gesenkt werden, indem Sie Ihren Blutzuckerspiegel so gut wie möglich unter Kontrolle halten. Und es gibt sogar eine noch bessere Nachricht: Wenn der Glukosewert in den Normbereich zurückkehrt, ist die Gefahr von Schäden an Augen, Nerven, Füßen, Nieren, Herz und Gehirn wieder genauso groß oder klein, wie sie bei Nichtdiabetikern in ähnlichem Alter und mit ähnlichem Gewicht ist. Aus Sicht des Menschen, der in einen Gewehrlauf schaut, kommt das einem Wunder gleich. Dieses Wunder zu erklären, ist das Hauptanliegen dieses Buches.
Zucker und Diabetes
„Diabetes“ bedeutet einfach nur, dass der Zuckerspiegel im Blut zu hoch ist.
Doch was genau ist Zucker? Der Begriff schließt jede süße, einfache Form von Kohlenhydraten ein. Der Zucker in Ihrem Blut ist eine besondere Form, die als Glukose bezeichnet wird. Gewöhnlicher Haushaltszucker besteht aus zwei chemisch aneinander gebundenen Zuckerarten. Die eine Hälfte ist Glukose, die andere ist Fruktose (ein sehr ähnlicher Zucker, der üblicherweise in Obst vorkommt und auch Fruchtzucker genannt wird; Anm. d. Übers.). Doch die Art des Zuckers spielt keine Rolle, da Ihr Körper Fruktose bei Bedarf in Glukose umwandelt. Glukose ist die Grundform des Zuckers, den Ihr Körper als Energielieferant nutzt.
Bei gesunden Menschen unterliegt der Blutzuckerspiegel einer sehr engmaschigen Kontrolle. Über Nacht findet sie im Minutentakt statt, um ihn konstant zu halten. Selbst nach einem Festmahl ist der Blutzuckeranstieg ziemlich gering. Das liegt daran, dass der Insulinspiegel im Blut, des wichtigsten Hormons, das den Blutzucker kontrolliert, stark und rasch ansteigt. Bricht dieser Mechanismus jedoch zusammen, steigt der Blutzuckerspiegel nach dem Essen zu stark an.
Spielt das also eine Rolle? Zucker sieht doch so harmlos aus, wie er da in seiner Zuckerschale liegt, heute so omnipräsent in unserem Leben ist, und man es sich nur schwer vorstellen kann, dass er einmal ein Luxusgut und zusammen mit dem Honig aus den Klöstern die einzige Möglichkeit war, um Nahrungsmittel zusätzlich zu süßen. Wir haben uns daran gewöhnt, dass Zucker fast allem hinzugefügt wird. Und ja, es spielt eine Rolle, denn wenn der Glukosespiegel im Blut zu sehr ansteigt, treten Probleme im ganzen Körper auf.
In diesem Buch dreht sich alles um Diabetes vom Typ 2, die bei Weitem häufigste Form der Zuckerkrankheit. Die anderen Typen haben jeweils andere Ursachen (im Anhang finden Sie nähere Einzelheiten hierzu), doch alle Formen führen zu einem hohen Blutzuckerspiegel und können ähnliche Langzeitkomplikationen verursachen. Es ist nicht einfach, mit Sicherheit zu sagen, dass jemand einen ganz bestimmten Typ von Diabetes hat, und damit die anderen auszuschließen. Doch rund 90 Prozent der Menschen, bei denen ein hoher Blutzuckerspiegel festgestellt wird, leiden unter Typ-2-Diabetes. Und wenn Sie als erwachsener Mensch zugenommen haben, älter als 30 Jahre sind und einen hohen Blutzuckerspiegel haben, dann ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass Sie eher von Typ-2-Diabetes als von einem der anderen Typen betroffen sind.
Doch es gibt keinen Test, der diese Diagnose definitiv bestätigen kann, und so können die anderen Diabetes-Typen manchmal fälschlicherweise für Typ 2 gehalten werden. Ihr Arzt kann prüfen, ob auch einer der anderen Typen die richtige Diagnose sein könnte.
Wenn Sie selbst Typ-2-Diabetiker sind oder ein Angehöriger betroffen ist, dann haben Sie wahrscheinlich eine Menge Fragen. Was bedeutet das für mich? Ist es die schwerwiegende Form? Wie kann ich meinen Blutzuckerspiegel unter Kontrolle halten? Werfen wir einen Blick auf diese Dinge und einige andere zentrale Probleme, die sich um die Krankheit ranken.
Warum schießt der Blutzuckerspiegel nach den Mahlzeiten in die Höhe?
Sobald wir den ersten Bissen einer Mahlzeit geschluckt haben, wird er im Magen abgebaut und die darin enthaltene Glukose wird rasch ins Blut abgegeben. Aus einer durchschnittlich großen Portion Nudeln mit Gemüse werden zum Beispiel im Zuge der Verdauung etwa 30 Teelöffel Zucker freigesetzt. Auf diese plötzliche Glukoselawine reagiert der Körper normalerweise mit einer schnellen Erhöhung des Insulinspiegels. Und wird die richtige Menge Insulin gebildet, ist der Blutzuckerspiegel rasch wieder unter Kontrolle. Geschieht dies jedoch nicht, steigt er massiv an.
Die Bauchspeicheldrüse (fachsprachlich Pankreas) – genauer gesagt, die Betazellen in der Bauchspeicheldrüse – sollten dieses Insulin liefern, doch wenn sie nicht richtig arbeiten oder in irgendeiner Weise beeinträchtigt sind, können sie nicht rechtzeitig genügend Insulin bilden, und es kommt zu Diabetes. Zu allem Übel reagiert der Körper bei einem Diabetes vom Typ 2 auch nicht mehr besonders gut auf das angebotene Insulin, um welche Menge es sich auch immer handelt. Und auch wenn der Insulinspiegel zwar langsam, aber stetig ansteigt, kann er seine Funktion nicht erfüllen. Und so klettert der Blutzuckerspiegel nach den Mahlzeiten immer weiter in die Höhe – und braucht dann Stunden, um wieder abzusinken.
Warum sind meine Blutzuckerwerte schon vor dem Frühstück erhöht?
Wenn Sie Diabetiker sind, können Sie sich vielleicht nicht erklären, warum Ihr Blutzucker schon am Morgen so hoch ist, obwohl Sie doch nachts – für 12 Stunden oder noch länger – gar nichts gegessen haben. Manchmal ist der morgendliche Nüchternblutzucker sogar höher als der Wert am Abend zuvor. Was ist da los? Sie sind doch ganz sicher nicht schlafwandelnd zum Kühlschrank gegangen, oder?
Um diese Frage zu beantworten, müssen wir zuerst verstehen, wie akkurat der Nüchternblutzucker normalerweise überwacht wird. Unmittelbar am Morgen stammt keines der Glukosemoleküle in Ihrem Blut direkt aus der Nahrung. An die letzte Mahlzeit erinnert sich der Stoffwechsel nur noch entfernt. Tatsächlich wurde der gesamte Blutzucker von Ihrem eigenen Körper gebildet, von Ihrer Leber. Warum bloß stellt Ihr Körper dieses Gift her? Nun, weil ein konstanter Blutzuckerspiegel lebensnotwendig ist (wir werden uns in Kapitel 3 und 4 eingehender damit befassen). Wir brauchen den Blutzucker als Energielieferanten für das Gehirn und als potenzielle sofortige Energiequelle für die Muskeln – sodass wir allzeit bereit zum Handeln sind, selbst wenn wir plötzlich geweckt werden und vor einer Gefahr fliehen müssen. Das Schlüsselwort ist „konstant“: Glukose gelangt leicht aus dem Blutstrom in die Körpergewebe, und weil Glukose giftig sein kann, wird ihre Bildung normalerweise streng reguliert. Bei Typ-2-Diabetes ist diese Regulierung verlorengegangen und Ihre Leber bildet Glukose im Übermaß.
Wie wird Typ-2-Diabetes normalerweise behandelt?
Die Aussichten, die in den offiziellen Richtlinien für die Behandlung eines Diabetes vom Typ 2 geboten werden, sind deprimierend: Eine ständig steigende Anzahl von Tabletten, dann Injektionen, danach die Behandlung mit Insulin. Erhalten Betroffene die Diagnose Typ-2-Diabetes, stehen ihre Chancen 50:50, dass sie innerhalb von 10 Jahren insulinpflichtig werden.
Direkt nach der Diagnose wird dem Diabetiker dann gesagt, dass er abnehmen und mehr Sport treiben solle. Allzu oft wird diese wichtige Botschaft jedoch nur heruntergebetet, ohne den Betroffenen von der tatsächlichen Wirksamkeit zu überzeugen oder ihm hilfreiche Informationen zu geben, wie er all das umsetzen kann. Der Diätplan, den die Patienten in die Hand gedrückt bekommen, ist erst einmal nur ein Stück Papier. Allzu oft besteht der nächste Schritt nämlich in der Verschreibung von Metformin, eines Medikamentes, das den Blutzuckerspiegel niedrig halten soll. Metformin ist billig, die Tabletten sind groß und entsprechend schwer zu schlucken, und es hat „Nebenwirkungen“.
„Nebenwirkungen“ ist eine wunderbare medizinische Beschönigung für Dinge, die dem Patienten Schwierigkeiten bereiten, nicht aber dem Arzt. Was den Arzt angeht, so ist es nur wichtig, dass die verordneten Tabletten die gewünschte Wirkung haben – in diesem Fall sollen sie den Blutzucker unter Kontrolle halten. Wirkungen, die „nebenbei“ auftreten, sind dann eben einfach in Kauf zu nehmen. „Aber Herr Doktor, ich kann gar nicht mehr aus dem Haus gehen, weil ich Angst habe, dass ich ganz schnell zur Toilette