eines Medikaments sprechen – schließlich sind Sie selbst der beste Experte hinsichtlich dessen, was mit Ihrem Körper geschieht.
Etwas Positives hat Metformin dennoch, denn es verursacht keine weitere Gewichtszunahme. Ebenfalls hervorzuheben ist, dass es den Blutzuckerspiegel nur senkt, wenn er hoch ist, und es keine lästigen Unterzuckerungen verursacht. Vom medizinischen Standpunkt ist es also für die meisten Menschen ein relativ sicheres Medikament.
Doch die Wirkungsdauer von Metformin auf den Blutzuckerspiegel verliert sich mit der Zeit, und bald schon ist ein zusätzliches Präparat erforderlich. Die preisgünstigeren Wirkstoff-Alternativen wie Glicalzid, Glibenclamid und Gliquidon führen allesamt zu einer Gewichtszunahme sowie einer plötzlichen Benommenheit, wenn der Glukosespiegel zu weit absinkt (es also zu einer Unterzuckerung kommt). Teurere Wirkstoffe (z. B. Pioglitazon) verursachen keine Unterzuckerung, lassen aber das Gewicht ansteigen und können zu Knöchelschwellungen führen. Die teuersten neueren Alternativen (Gliptine oder Gliflozine) verursachen weder eine Gewichtszunahme noch eine Unterzuckerung, haben aber andere Nebenwirkungen. Es gibt viele gute Gründe, warum Menschen nur ungern Tabletten nehmen möchten.
Wenn Sie zwei oder drei verschiedene Präparate nehmen, Ihr Blutzuckerspiegel aber noch immer nicht stabil ist, kann eventuell eine Injektionsbehandlung empfohlen werden. Liraglutid und ähnliche Medikamente unterscheiden sich in ihrer Wirkung erheblich von Insulin. (Liraglutid ist als Victoza gegen Typ-2-Diabetes und als Saxenda zur Gewichtsreduktion bei Adipositas und Übergewicht auf dem Markt; Anm. d. Übers.) Im Wesentlichen verlangsamen diese Medikamente die Geschwindigkeit der Magenentleerung nach einer Mahlzeit massiv und verhindern so, dass die Nahrung, insbesondere der Zucker, zu schnell ins Blut gelangt. Sie begrenzen auch die Nahrungsmenge, die Sie zu sich nehmen können, da das Sättigungsgefühl früher einsetzt – eine wirklich nützliche Wirkung. Manche Patienten müssen sich auch übergeben oder leiden unter Übelkeit zu Beginn der Behandlung – aber machen Sie sich keine Sorgen, es ist schließlich „nur“ eine Nebenwirkung!
Und dann gibt es ja noch Insulin. Bei vielen Menschen kann Insulin die Kontrolle des Blutzuckerspiegels zwar leicht verbessern, aber der Teufel steckt im Detail einer speziellen Nebenwirkung – den Unterzuckerungen. Es kann passieren, dass der Glukosespiegel völlig unvorhersehbar zu stark gesenkt wird. Dadurch kann es zu allen möglichen Problemen im Alltag kommen, zum Beispiel am Steuer, auf einer Leiter oder bei Küchenarbeiten. Die Folgen im Straßenverkehr sind schwerwiegend, und wenn Sie zum ersten Mal Insulin verordnet bekommen, muss Ihr Führerschein in Großbritannien beispielsweise alle drei Jahre erneuert werden. Zudem nehmen die meisten Menschen unter Insulin zu.
„Behandlung“ ist ein weiterer Begriff, der unterschiedlich interpretiert werden kann. Fragt ein Patient: „Ist mein Diabetes behandelbar?“, dann will er in der Regel wissen, ob die Behandlung seine Gesundheit und damit die Normalität wiederherstellen kann, wie es mit Antibiotika bei einer Infektion oder einem Gips bei einem Knochenbruch der Fall ist. Doch viele Ärzte hören aus dieser Frage heraus: „Gibt es Leitlinien für eine medikamentöse Behandlung dieser Krankheit?“ – und bejahen das. Es gibt nämlich viele offizielle medizinische Leitlinien. Doch weder von der geringen Wirkung zur Verbesserung der Krankheit, noch von der wahrscheinlichen Litanei an voraussichtlichen gesundheitlichen Probleme ist großartig die Rede.
Die gute Nachricht, dass Typ-2-Diabetes „behandelt“ werden kann, übermittelt vielen Menschen eine irrige Botschaft und erzeugt ein falsches Sicherheitsgefühl. Das wird durch die Tendenz wohlmeinender offizieller Informationsportale verschlimmert, die die reale Krankheitssituation beschönigen und betonen, das Leben könne trotzdem ziemlich normal weitergehen wie bisher. Die unbequeme Wahrheit jedoch wird verschwiegen – dass die Hauptkomplikationen nur leicht gemildert werden und selbst die beste konventionelle Behandlung das erhebliche Risiko künftiger gesundheitlicher Probleme nicht beseitigen kann.
Ich bin nicht (krankhaft) übergewichtig, warum habe ich trotzdem Typ-2-Diabetes?
Im Gegensatz zur landläufigen Meinung hat Diabetes vom Typ 2 tatsächlich sehr wenig mit Fettleibigkeit zu tun – obwohl es dabei um das Körpergewicht geht und genauer noch, ob Sie Ihre individuelle Gewichtsschwelle überschritten haben oder nicht.
Heutzutage bedeutet das ständig steigende Durchschnittsgewicht, dass es natürlich mehr Betroffene gibt, die sehr übergewichtig oder krankhaft fettleibig sind. Da sich die Aufmerksamkeit der Medien bei jeder Diskussion über das Gewicht auf diese schwerwiegende Krankheit konzentriert, ist es nachvollziehbar, wenn die meisten Menschen glauben, das sei das Hauptproblem. Doch tatsächlich sind nicht die stark übergewichtigen Menschen das Problem, sondern die Riesenzahl von Menschen, die mehr wiegen, als sie idealerweise auf die Waage bringen sollten.
Das Problem ist, dass viele Menschen sich als normalgewichtig betrachten, weil sie ähnlich aussehen wie die meisten anderen Menschen gleichen Alters. Doch das Wort „normal“ ist hier doppeldeutig: Befindet sich ein Mensch innerhalb des in der Bevölkerung typischen Bereichs, kann er zwar als „normal“ angesehen werden, doch das ist nicht unbedingt gesund oder ideal.
Wiegen Sie noch genauso viel wie mit 25 Jahren? Schauen Sie sich einfach die Menschen an, die Ihnen in der Stadt beim Einkaufen begegnen. Wer um die 20 ist, ist tendenziell schlanker als diejenigen um die 60. In den westlichen Industrienationen nehmen wir während der meisten Zeit unseres Erwachsenenlebens jedes Jahr rund ein halbes Kilogramm zu. Das hat nichts mit dem Älterwerden oder den Hormonen zu tun – das spiegelt einfach nur das Umfeld wider, in dem wir leben. Und dieses Umfeld wird zu einer Zeitbombe. Auch wenn die Zwanzigjährigen im Vereinigten Königreich tendenziell schlanker sind als die Sechzigjährigen, sind auch junge Menschen inzwischen schwergewichtiger als jemals zuvor und mehr als ein Drittel tritt schon mit einem viel zu hohen Gewicht in das Erwachsenenleben ein. Als Gruppe betrachtet werden sie, das ist sicher, früher als ihre Eltern an Typ-2-Diabetes erkranken. Diese Zeitbombe würde es verdienen, in einem eigenen Buch behandelt zu werden.
Es gibt keinen biologischen Grund, warum Menschen im Laufe ihres Erwachsenenlebens zunehmen müssen. In Gesellschaften, in denen Ernährung kein massiv beworbener Zeitvertreib ist und man zur täglichen Arbeit laufen oder mit dem Rad fahren muss, bleibt das Körpergewicht mit zunehmendem Alter tendenziell stabil. Aber in einem auf Konsum ausgerichteten Umfeld, das wir in den Industrieländern bevölkern, in dem es überall verlockende, schnelle, kaloriendichte Nahrung gibt, die aggressiv beworben wird, muss man tatsächlich unglaublich diszipliniert sein (oder darf sich gar nicht erst großartig mit Essen beschäftigen), damit man nicht zunimmt.
Gesellschaftliche Vorstellungen spielen bei all dem eine wichtige Rolle. Und während eines Großteils meines Berufslebens als Arzt und Wissenschaftler habe ich mir Gedanken darüber gemacht, wie wir diese gestalten können. Vielleicht könnten Fernseh- und Filmproduzenten ja einen Schritt in diese Richtung machen und die üblichen Stereotypien vermeiden? Ganz sicher verdient dieses Problem, auf breiter Ebene diskutiert zu werden.
Normale Nahrungsmittel oder Diabetikerkost?
Ein Teil der Behandlung von Typ-2-Diabetes besteht in einer Ernährungsumstellung.
In Drogerien und in Supermärkten kann man „Diabetikerkost“ in den Regalen finden. Typischerweise werden diese Produkte mit Zuckern hergestellt, die der Körper langsamer und nur unvollständig resorbiert, wie etwa Sorbitol. Solche Nahrungsmittel enthalten jedoch mindestens ebenso viele Kalorien wie ihre preisgünstigeren normalen Entsprechungen. Sie unterscheiden sich in Bezug auf die Kontrolle des Blutzuckerspiegels nicht nennenswert davon und unterstützen auch keine Gewichtsabnahme. Ärzte und andere Gesundheitsexperten raten nunmehr von „Diabetikerkost“ ab, da sie nicht hilfreich ist. Diabetiker sind auf die gleichen Energieträger angewiesen wie alle anderen Menschen auch, und es ist weitaus wirksamer, die Zucker- und die Kalorienzufuhr zu reduzieren, statt Spezialnahrung zu sich zu nehmen.
Was und wie viel Sie essen, bestimmt natürlich, wie gut Sie Ihren Blutzuckerspiegel unter Kontrolle halten können. Die Leitlinien fokussieren immer mehr darauf, stark zuckerhaltige Nahrungsmittel und zu viele Kohlenhydrate zu meiden, doch je nach Quelle finden sich unterschiedliche Empfehlungen und nur wenige betonen die zentrale Bedeutung einer reduzierten Nahrungsgesamtmenge.