Walter Brendel

Canaris Abwehrchef unter Hitler


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in einem. Er konspirierte gegen Hitler, aber den Aufstand wagte er nicht, er verriet und verabscheute doch den Verrat – und glich darin vielen Offizieren, die sich zur Militäropposition zählten.

      Wilhelm Canaris, klein, schlank, schrullig, Menschenkenner und klassischer Fatalist, den klassische Schuld- und Schicksalsvorstellungen quälten, evangelischer Christ mit buddhistischen Beimengen, Spion aus Passion, Nationalist aus Mission, Patriot und Verräter, fiel durch das Regime, das er selber mit aufgerichtet hatte. Er war, wie Hitlers einstiger Staatssekretär im Auswärtigen Amt Ernst von Weizsäcker schrieb, „eine der interessantesten Erscheinungen der Epoche, wie Diktaturen sie zutage bringen und zur Vollkommenheit entwickeln.“

      Eine deutsche Vita allemal.

      Als der ungeliebte Staat von Weimar zerbrach, ging es, so sahen es die Republikaner -Verächter, wieder aufwärts. Kapitän Canaris, schon als Festungskommandant nach Swinemünde (Ostsee) abgeschoben, wurde 1935, Chef der Abwehr im Reichswehrministerium.

      Fortan half er Hitlers Coups und Hitlers Kriege vorzubereiten und abzusichern. Sobald jedoch sichtbar wurde, dass solche Machtentfaltung nicht nur die neu gewonnene Macht, sondern darüber hinaus auch den Machtstaat insgesamt gefährdete, mühte er sich, die Aktionen, die er selben mit durchzuführen half, zugleich auch zu sabotieren – aber stets nur, bis der Coup gelungen oder der erste Schuss gefallen war. Dann stimmte er in den vaterländischen Jubel ein, wenngleich ihm beim Anblick zerschossener Straßenzüge und erschossener Menschen übel wurde.

      Zwischendurch war viel von Widerstand die Rede, und darüber wurde verhängnisvoller Weise, auch noch Tagebuch geführt. Doch dabei blieb es. Canaris neigte „mehr zur konspirativen Resistenz“, urteilte ein Canaris-Zeitgenosse, „als zur revolutionären Aktion“.

      Derart Widersprüchliches in Person, Aufstieg und Fall des Wilhelm Canaris soll dieses Buch aufdecken. Von dem Canaris, den das deutsche Film- und Fernsehpublikum kennen und weiterhin achten gelernt hat, bleibt da nicht viel.

      Die Geschichte von Canaris ist zugleich ein frappierendes Beispiel historischer Kontinuität, von Canaris selbst auf den Nenner gebracht: „Wie der Offizier vor dem Weltkrieg selbstverständlich Monarchist war, wie er nach dem Weltkrieg sich selbstverständlich darum bemühte, das Erbe des Fronterlebnisses zu bewahren, so selbstverständlich ist es heute …..Nationalsozialist zu sein und wir sind als Soldaten glücklich, uns zu einer politischen Weltanschauung bekennen zu dürfen, die zutiefst soldatisch ist.“ (Heinz Höhne: Canaris, Bertelsmann-Verlag)

      Am 1. Januar 1887 wird Wilhelm Franz Canaris wird in Aplerbeck (Westfalen) als Sohn des Industriellen Carl Canaris und dessen Frau Auguste (geb. Popp) geboren.

      Nach dem Abitur tritt Canaris 1905 in die kaiserliche Marine ein, wo er zahlreiche Fahrten in südamerikanische Gewässer unternimmt. 1914, im Ersten Weltkrieg dient er auf dem Kreuzer "Dresden" und nimmt an der Seeschlacht bei den Falklandinseln teil.

      Nach der 1915 in der Schlacht um die Falkland-Inseln durchgeführten Selbstversen-kung der "Dresden" flieht Canaris beim zweiten Versuch nach Chile und wird interniert. Er kann jedoch von dort fliehen und nach Deutschland zurückkehren. Als Kapitänleutnant führt er 1916 im Auftrag der Admiralität einen Geheimauftrag in Spanien aus. 1917/18 wird er auf eigenen Wunsch wieder an der Front eingesetzt und hat das Kommando über ein U-Boot im Mittelmeer.

      In der Novemberrevolution 1918/19 unterstützt Canaris als Verbindungsoffizier die Bildung von Bürgerwehren zur Niederschlagung der revolutionären Bewegungen. Er ist Mitglied des Kriegsgerichts, das die des Mordes an Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg beschuldigten Angehörigen des Freikorps der Garde-Kavallerie-Schützendivision größtenteils freispricht.

      1919 wird Canaris wird zur Adjutantur von Reichswehrminister Gustav Noske berufen. Im gleichen Jahr erfolgt die Heirat mit der Industriellentochter Erika Waag, mit der er zwei Kinder hat.

      Canaris unterstützt im März 1920 den Putsch von Walther von Lüttwitz und Wolfgang Kapp. Er wird inhaftiert, aber nach kurzer Zeit wieder freigelassen. Trotz seiner Ablehnung der Weimarer Republik und des Versailler Vertrags verbleibt er in seiner Position. Im Juli wird er als Admiralstabsoffizier in der Ostseeflotte Erster Offizier auf dem Kreuzer "Berlin". Zwischen 1924 und 1928 ist Canaris in der Marineleitung tätig.

      1928 wird er Erster Offizier auf dem Linienschiff "Schlesien" und 1930 wird Canaris Chef des Stabs der Nordseestation. Als Kapitän übernimmt er 1932 das Kommando über die "Schlesien".

      Aus seinem Antikommunismus heraus begrüßt Canaris 1933 die Machtübernahme der Nationalsozialisten und hofft auf eine Revision von Versailles. 1934 erhält er als Festungskommandant von Swinemünde einen so genannten Verabschiedungsposten.

      1935 wird Canaris überraschend als Konteradmiral zum Chef der Abwehrabteilung im

      Reichskriegsministerium berufen, nachdem sein Vorgänger mit dem NS-Regime in Konflikt geraten war. Obwohl kein grundsätzlicher Gegner der Nationalsozialisten, bringen Hitlers Kriegsvorbereitungen Canaris in größere Distanz zum NS-Regime, zumal er sich auch dem zunehmenden Druck des Sicherheitsdiensts (SD) ausgesetzt sieht. Zu dessen Chef Reinhard Heydrich hat er ein freundschaftliches Konkurrenzverhältnis.

      Nach der Fritsch-Blomberg-Affäre und den Rücktritten von Werner von Blomberg und Werner Freiherr von Fritsch 1938 nutzt Canaris seine Stellung zur Organisation von Widerstand in der Wehrmacht. Er deckt die Widerstandsaktivitäten seines Stabschefs Hans Oster, fördert die Oppositionshaltungen von Ludwig Beck und gibt mehreren Widerstandsgruppen Informationen für einen Staatstreich. Seine Oppositions-aktivitäten werden durch seine Erfolge in der Spionageabwehr lange Zeit verdeckt.

      Um Adolf Hitler von einem Krieg abzuschrecken, warnt Canaris zahlreiche Vertraute Hitlers vor einem Krieg und versucht über seine Auslandskontakte auch Italiens Regierungschef Benito Mussolini zu beeinflussen.

      1940 erfolgt die Beförderung zum Admiral.

      Nach dem Überfall auf die Sowjetunion 1941 und mit zunehmendem Zweifel an der Handlungsbereitschaft der Generalität gegen Hitler verringern sich Canaris' organisatorische Widerstandsaktivitäten.

      Er nutzt jedoch weiterhin seine Position gegen das NS-Regime: Er protestiert gegen die Erschießung russischer Kriegsgefangener und ermöglicht zahlreichen Verfolgten

      die Flucht. Mit der Verhaftung seines Mitarbeiters Hans von Dohnanyi 1943 gerät Oster unter Verdacht und wird beurlaubt. Damit steht auch Canaris von nun an unter ständiger Beobachtung.

      Im Februar 1944 ist das Überlaufen eines Abwehragenten zu den Briten der Anlass, Canaris seines Postens zu entheben. Die Abwehrabteilung im Reichskriegs-ministerium wird vom Reichssicherheitshauptamt (RSHA) übernommen.

      Im Juli wird Canaris drei Tage nach dem Attentat vom 20. Juli verhaftet. Obwohl er ein Attentat auf Hitler abgelehnt hat, wird er durch die bei Angehörigen von Widerstandsgruppen gefundenen Informationen belastet.

      Am 9. April 1945, kurz vor Einrücken der amerikanischen Truppen wird Canaris gemeinsam mit Oster und Dietrich Bonhoeffer im Konzentrationslager (KZ) Flossenbürg (Oberpfalz) von Angehörigen der Schutzstaffel (SS) gehängt.

      Militärische Laufbahn

      1. April 1905 Eintritt in die Kaiserliche Marine als Seekadett (Crew 1905)

      7. April 1906 Fähnrich zur See

      28. September 1908 Leutnant zur See

      29. August 1910 Oberleutnant zur See

      16. November 1915 Kapitänleutnant

      1. Januar 1924 Korvettenkapitän

      1. Juni 1929 Fregattenkapitän

      1. Oktober 1931 Kapitän zur See

      1. Mai 1935 Konteradmiral

      1. April 1938 Vizeadmiral

      1. Januar 1940 Admiral

      30. Juni 1944 verabschiedet

      Auszeichnungen

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