Walter Brendel

Canaris Abwehrchef unter Hitler


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des Verhandlungsgegenstandes – Wilhelm Franz Canaris. Die Gerichts-verhandlung vor dem Militärgericht der eigenen Division war ein possenhaften Verfahren.

      Und dort ging es um die Frage: Wer schoss? Daran konnte sich keiner erinnern. Jeder der Angeklagten und Zeugen sagte seinen Spruch auf, dessen Wortlaut er von Canaris erhalten hatte. Das Ergebnis lässt sich denken.

      Es werden verurteilt:

      1. der Angeklagte Husar Runge wegen Wachtvergehens im Felde, wegen versuchten Totschlags in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung unter Missbrauch der Waffe, begangen in zwei Fällen, in einem Falle auch in Tateinheit mit erschwertem Wachtverbrechen im Feld, sowie wegen Gebrauchmachens von falschen Urkunden zwedts besseren Fortkommens zu einer Gesamtstrafe von 2 Jahren Gefängnis, 2 Wochen Hafl, 4 Jahren Ehrverlust und Entfernung aus dem Heere. Die Haftstrafe wird durch die erlittene Untersuchungshaft für verbüßt erachtet;

      2. der Angeklagte Leutnant der Reserve Liepmann wegen Anmaßung einer Befehlsbefugnis in Tateinheit mit Begünstigung zu 6 Wochen geschärften Stubenarrestes;

      3. der Angeklagte Oberleutnant a. D. Vogel wegen erschwerten Wachtverbrechens im Felde in Tateinheit begangen mit Begünstigung während Ausübung des Dienstes, Missbrauch der Dienstgewalt nach S 115 M.St.G.B. und Beiseiteschaffung einer Leiche , sowie in einem weiteren Falle wegen vorsätzlich unrichtiger Abstattung einer dienstlichen Meldung zu einer Gesamtstrafe von 2 Jahren 4 Monaten Gefängnis und Dienstentlassung.

      II. Der Angekl agte Leutnant der Reserve Liepmann wird von der weiteren Anklage des ge-meinschaftlichen Mordes, in Tateinheit mit rechtswidrigem Waffengebrauch begangen, frei-gesprochen.

      III. Der Angeklagte Oberleutnant a. D. Vogel wird von der weiteren Anklage der Duldung ei¬ner strafbaren Handlung aus §143 M.St.G.B., sowie von der Anklage des erschwerten Wachtverbrechens im Felde, in Tateinheit mit rechtswidrigem Waffengebrauch im Dienst und Mord, freigesprochen.

      IV. Die Angeklagten Kapitänleutnant v. Pflugk-Harttung, Oberleutnant zur See v. Rittgen, Leutnant zur See Stiege, Leutnant zur See Schulze, Hauptmann v. Pflugk-Harttung und Hauptmann der Landwehr Weller werden freigesprochen.*

      Den Verurteilten verhalf man unmittelbar danach zur Flucht.

      Noske hat eine grundsätzliche Verantwortung, weil er zweifelsfrei die juristische Aufklärung der Morde verhindert hat. Dafür gibt es ganz klare Belege. Außerdem gibt es Hinweise von Hauptmann Pabst, der die Morde befohlen hat. Danach habe er ein indirektes Einverständnis von Noske bekommen. Waldemar Pabst hat in seinen Memoiren geschrieben, es sei ein grundsätzliches Übereinkommen von Noske und ihm gewesen, dass man Luxemburg und Liebknecht beseitigen müsse. Noske war im damaligen Rat der Volksbeauftragten der so genannte Oberbefehlshaber in den Marken und wurde dann später Reichswehrminister.

      Er hat sehr eng mit Pabst zusammengearbeitet, der ganz klar ein Feind der Demokratie und Republik war. Die Taktik von Pabst war, erst einmal mit den Sozialdemokraten zusammenzuarbeiten, um die Revolution niederzuschlagen, bevor es dann gegen die SPD selbst gehen sollte. Pabst hat dann gemerkt, dass er sehr gut mit Noske zusammenarbeiten kann, und ihm später sogar angeboten, in einer von ihm angestrebten Militärdiktatur mitzuarbeiten. Das hat Noske aber abgelehnt. Pabst hat 1968 dem Rechtsanwalt Otto Kranzbühler, zu dem er sehr großes Vertrauen hatte, die damaligen Vorgänge erzählt. Kranzbühler war der Anwalt von Dönitz und Krupp in den Nürnberger Prozessen und war in den sechziger Jahren auch Anwalt eines Mannes, der ebenfalls in diese Morde verstrickt war. Pabst gestand Kranzbühler, dass er nach der Festnahme von Liebknecht und Luxemburg Noske angerufen habe, um den Befehl zur Ermordung zu erhalten. Noske habe zunächst gesagt, nein, er könne den Befehl nicht geben, daran würde die Partei zerbrechen. Noske schlug deswegen vor, Pabst solle sich die Erlaubnis von seinem militärischen Oberbefehlshaber, General von Lüttwitz, einholen. Pabst habe entgegnet, er werde von Lüttwitz diesen Befehl nicht erhalten. Daraufhin habe Noske geantwortet, dann müsse Pabst selbst verantworten, was zu tun sei. Pabst will gesagt haben: Herr Noske, geben Sie bitte Befehl über das Wie. Noske antwortete, das sei nicht seine Sache.

      Im Juni 1938 wurde Pabst von Hitler zum Wehrwirtschaftsführer ernannt. Nach Kriegsbeginn diente er im Wehrwirtschafts- und Rüstungsamt. Er war als erster Generalstabsoffizier unter seinem Freund General Georg Thomas Verbindungsoffizier zum Oberkommando des Heeres. Richtig ist, dass Pabst ab Frühjahr oder Frühsommer 1940 keinen regulären Dienst mehr tat und auch nicht mehr die Abteilung »Zentrale Verkauf Waffen« bei Rheinmetall-Borsig unter sich hatte. Im September 1940 ließ er sich in Berlin als Hauptgesellschafter der »Auslandshandel GmbH« registrieren, einer Im- und Exportfirma, die zu einer hauptsächlich im neutralen Ausland operierenden Tarnfirmenorganisation gehörte und im Auftrag des Nazire-gimes laufend kriegs- und ernährungswichtige Waren und Rohstoffe aufkaufte. Außerdem diente sie auch nachrichtendienstlichen Zwecken für die deutsche Abwehr. Und deren Chef war zu dieser Zeit Canaris. Pabst wurde im Auftrag von Canaris eine wichtige Scharnierfigur zwischen der deutschen und der Schweizer Kriegswirtschaft. Eine seiner wichtigsten Bezugspersonen in der Schweiz war der Führer des »Schweizerischen Vaterländischen Verbands«(SVV), Dr. Eugen Bircher, der als Arzt, Militär und Politiker im öffentlichen Leben der Schweiz eine große Rolle spielte. Dieser organisierte als Beitrag der neutralen Eidgenossenschaft »zum Kampf des Führers gegen den Bolschewismus« (Bircher) die berüchtigteSchweizer Ärztemission. Der SVV, dem Pabst Tipps für präventive Aufstandsbekämpfung gegeben hatte, besaß einen eigenen, scheinbar privaten Dienst, der faktisch mit der Schweizer Staatsschutzbehörde, der dazu gehörenden Bundespolizei (politische Polizei) und dem militärischen Nachrichtendienst verkoppelt war. Von daher war Pabst mit diesen offiziellen Einrichtungen in Verbindung gekommen, besonders gut war sein Verhältnis zum Chef der Bundespolizei. Von August 1943 an hielt er sich dauernd in der Schweiz auf. Er ist in der Schweiz weiterhin als Wehrwirtschaftsführer, Major z.V., Chef der Auslandshandel GmbH und Agent des NS-Regimes tätig gewesen. Gleichzeitig hat er sich in die Bemühungen um einen antisowjetischen Separatfrieden eingeklinkt und versucht, in Bern an den Hauptresidenten des amerikanischen Kriegsgeheimdienstes OSS, Allan Dulles, heranzukommen.

      Pabst diente sich dem späteren CIA-Chef mit Nachrichtenmaterial an, um sich selber eine Perspektive für die Zeit nach Hitler zu eröffnen; er muss aber auch weitere Auftraggeber in Berlin gehabt haben, und vieles spricht in dieser Beziehung für den SD der SS. Er gehörte zu einem Kreis von deutschen und Schweizer Wirtschafts- und Geheimdienstleuten, die an den Strukturen eines antikommunistischen Nachkriegsdeutschland arbeiteten. Mit Hilfe eidgenössischer Staatsschützer und anderer Leute im Berner Bundeshaus ist es Pabst sogar gelungen, sich eine erfolgreiche Legende als Gegner und Verfolgter des Naziregimes zu stricken…

      In der Bundesrepublik war Pabst u.a. mit dem Bonner Nachrichtenoffizier Achim Oster verbunden, dem Sohn des nach dem 20. Juli 1944 hingerichteten Abwehr-Mannes und Canaris-Vertrauten Hans Oster. Oster versuchte im Sommer 1950 erfolglos, dem inzwischen 70jährigen Pabst in Bonn eine feste Position zu verschaffen. Pabsts »Auffassung von der Notwendigkeit einer offensiven Bekämpfung des Bolschewismus« habe »sich seit den Tagen, in denen er die Verantwortung für die Liquidierung Liebknechts und Luxemburgs übernahm, nicht geändert«, stand in Osters Empfehlung.

      Auch der sozialdemokratische Verfassungsschützer Günter Nollau kannte die Wahrheit, schrieb aber in seinem 1959 erschienenen Buch »Die Internationale«: Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht »wurden nach ihrer Festnahme in das Hauptquartier gebracht, von wo aus ihr Schicksal seinen Lauf nahm«. Der bundesdeutsche Geheimdienstchef Nollau hatte Pabst vor der Publikation seines Buches interviewt und darin dessen Geschichte von der »verräterischen Rolle Wilhelm Piecks« aufgegriffen. Der Verlag, in dem Nollaus Buch erschien, stand der „Psychologischen Verteidigung“ (sprich: Kriegführung) nahe, genau wie das von Pabst mit herausgegebene Blatt „Das deutsche Wort“.

      Es fehlte nicht viel, und Major a.D. Waldemar Pabst hätte von der Adenauer-Regierung das Bundesverdienstkreuz dafür bekommen, dass er Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht um-bringen ließ; eine Tat, die er Anfang 1962 erstmals öffentlich zugab. „Jedenfalls ist Ihnen dafür jetzt eine amtliche Anerkennung zuteil geworden“, stellte der Spiegel damals in einem Gespräch mit ihm fest, „der Sie sogar zu Hitlers Zeiten hatten entraten müssen. Das bundesamtliche Bulletin hat die Ermordung Liebknechts und Luxemburgs für standrechtliche