Walter Brendel

Canaris Abwehrchef unter Hitler


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zurück zu Pabst und Noske. Beide verstanden sich, beide waren sie der Meinung, Deutschland gerettet zu haben. Pabst in einem Brief 1969 zum Mord: »Dafür sollten diese deutschen Idioten Noske und mir auf den Knien danken, uns Denkmäler setzen und nach uns Straßen und Plätze genannt haben! Der Noske war damals vorbildlich.« Einem Verbrecher, so hört man oft, könne man auch am Ende seines Lebens nicht glauben. Nun, Aussagen von Offizieren werden immer dann bezweifelt, wenn man sie nicht gebrauchen kann, so auch schon geschehen mit den Groenerschen Offenbarungen über seine Zusammenarbeit mit Ebert. Es wurde auch immer wieder Pabsts Aussage in Frage gestellt, dass Canaris, als Richter des nach dem Mord installierten Kameradengerichts (!) Vogel zur Flucht aus dem Gefängnis verholfen habe. Ich konnte beweisen, dass Canaris gar 30 000 Mark für das „Exil“ der Mörder übergeben hatte. Pabst erklärt in seinen Memoiren, dass die Industriellen Albert Minoux und Hugo Stinnes ihn finanziert hätten. Auch dies wurde angezweifelt. Tatsächlich aber gibt es eine Liste, die Minoux als Finanzier der von Pabst gegründeten „Gesellschaft zum Studium des Faschismus“.

      Pabst behauptet des Weiteren, am Tag nach den Morden in die Reichskanzlei zu Ebert und Noske zitiert worden zu sein: Beide gaben ihm die Hand. Dies bestätigt eine eidliche Aussage des ehemaligen Kriegsgerichtsrats Kurtzig 1928. Die Aussagen von Kranzbühler wiederum fanden sich in einem Brief von Pabst belegt, in dem dieser betont, dass er den Mord „ohne die Zustimmung Noskes gar nicht durchführen konnte“. „Ich habe ausgemistet und aufgeräumt“ Handlungen und Äußerungen Noskes im Verlauf des Jahres 1919 bekräftigen seine Mitschuld am Verbrechen in der Nacht des 15. Januar. Er hat Befehle zur Gefangenentötung erlassen. Und er äußerte, dass er der letzte wäre, “der hinter einem kleinen Leutnant wegen einer vielleicht nicht ganz gerechtfertigten Erschießung herlaufen und ihm den Prozess machen würde“.

      Es wurde aber in den sechziger Jahren noch einmal über den Fall der Ermordung von Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg verhandelt.

      Der Oberst a.D. Allbrecht Freiherr von Wechmar, klein und zierlich und der Oberst a.D. Hermann Wilhelm Souchon, groß und massig, begegneten sich mit ausgesuchter Höflichkeit. Der Freiherr, mit einer Verbeugung aus der Hüfte: „Entschuldigen Sie, Herr Souchon.“ Und Souchon, begütigend den Arm des Adeligen tätschelnd: „Aber bitte, bitte.“ Die beiden Obristen trafen sich im Dezember 1969 vor der 17. Zivilkammer des Stuttgarter Landgerichts, das den Mord an der Kommunistin Rosa Luxemburg zu klären suchte. Aber die alten Kameraden gehörten verschiedenen Parteien an. Von Wechmar fi8ngierte als Zeuge, Souchon als Verdächtiger und Kläger zugleich. Was der eine Obrist aussagte, belastete den anderen. Souchon rangelte sich mit den Süddeutschen Rundfunk.

      1969, zum fünfzigsten Jahrestag der Ermordung, gab es ein Fernsehspiel. Dort hat der Autor Dieter Ertel die ganzen Hintergründe aufgedeckt und hat mit Hermann Souchon auch den Mann genannt, der Rosa Luxemburg erschossen hat. Dieser Souchon hat dagegen geklagt. Es ist also nicht der Mörder vor Gericht gestellt worden, sondern der, der den Mord aufgeklärt hat. Souchon hat damals Recht bekommen, und zwar deswegen, weil man Pabst als alten, senilen Trottel dargestellt hat. Der eigentliche Witz aber war, dass man sich auf die Kriegsgerichtsakten von 1919 berufen und die als wahr angesehen hat. Dabei waren das die Akten, die Pabst und die anderen Beteiligten selbst gefälscht hatten.

      Lange hat man Oberleutnant Vogel verdächtigt, den tödlichen Schuss auf Rosa Luxemburg abgegeben zu haben. Doch Dieter Ertel vom Süddeutschen Rundfunk entdeckte Ende der 60er Jahre Souchon als den wahren Täter. Sein Informant war der unbehelligt in der BRD lebende Waldemar Pabst. Ertel verwertete diese Neuigkeit in einem Fernsehspiel und prompt klagte der ebenfalls noch lebende Souchon, der nicht als alleiniger Missetäter dastehen wollte. Souchons damaliger Anwalt hieß Kranzbühler. Ein alter Marinerichter, der in den Nürnberger Prozessen Dönitz vor dem Galgen gerettet hatte.

      Kranzbühler traf sich mit Pabst, wollte von ihm, quasi von Offizier zu Offizier, wissen, was damals Sache war. Pabst plauderte. In einem Interview 1990 schilderte mir Kranzbühler das Treffen mit Pabst: „Dann hat er angefangen, eine ausführliche Schilderung zu geben von seiner Rolle damals, die wirklich eine entscheidende Rolle war... Schilderte auch, wie für ihn überraschend sowohl Liebknecht wie Rosa Luxemburg zu ihm gebracht wurden in sein Stabsquartier und wie er dann selbst die Entschlüsse gefasst habe oder habe fassen müssen, was mit ihnen zu geschehen sei.“ Auf meine Frage, was dies für Beschlüsse waren, gab Kranzbühler Pabst so wieder: „Die sahen so aus, dass sie beide zu erschießen seien. Das war ganz klar.“ Pabst habe dann über seine Kontakte zu Noske gesprochen.

      Und Papst erklärte dann noch einmal den obersten Verfassungsschützer der Bundesrepublik, Herrn Nollau, dass Souchon die Schüsse auf Rosa Luxemburg abgegeben hat. So sehr diese Aussage auch Souchon belastete, andere Zeuge haben etwas anderes bemerkt.

      Pabst hatte in der Mordnacht Noske in der Reichskanzlei angerufen! Am Telefon war Canaris, der zu Noske durchstellte. Ergänzt man Pabsts Memoiren-Hinweis mit der Aussage Kranzbühlers, ergibt sich folgendes nächtliches Telefongespräch:

      Pabst: „Ich habe Luxemburg und Liebknecht. Geben Sie entsprechende Erschießungsbefehle“. Noske: „Das ist nicht meine Sache! Dann würde die Partei zerbrechen, denn für solche Maßnahmen ist sie nicht und unter keinen Umständen zu haben. Rufen Sie doch Lüttwitz an, er soll den Befehl geben“. Pabst: „Einen solchen Befehl kriege ich von dem doch nie!“ Noske: „Dann müssen Sie selber wissen, was zu tun ist.“

      Der Schriftsteller und einstige Geheimdienstmann, Michael Graf Soltikow, zum Beispiel, der während des 2. Weltkriegs geheime Akten über die Ermordung von Liebknecht und Luxemburg einsah, will vom Abwehrchef Canaris nie im Zweifel gelassen worden sein, „dass Vogel der Schütze gewesen ist“. Und Canaris wusste Bescheid. Er war ja Beisitzer jenes Feldkriegsgerichts, das 1919 die Vorfälle untersucht und Oberleutnant Vogels Schuld an den Mord „als nicht einwandfrei erwiesen“ angesehen hat.

      Übrigens gibt es für den Grafen Soltikow noch einen anderen, wie er meint, völlig unanfechtbaren Beweis für die Unschuld Souchons: „Der Admiral (Canaris) hätte niemals geduldet, dass Souchon Oberst geworden wäre, nachdem er auf eine wehrlose Frau geschossen hatte.“

      Weil sich auf eine solche Dienstrang-Logik freilich keine historisch-juristische Wahrheitsfindung gründen lässt, bleibt das Ende um den Tod von Rosa Luxemburg weiter ungeklärt.

      Nachdem am 29. Februar 1920 Noske einer Anweisung der Interalliierten Militärkontrollkommission folgend, die Marinebrigaden Ehrhardt und Loewenfeld aufgelöst hat und dieser Anordnung Reichswehrgeneral Walther von Lüttwitz widersetzte, wechselte Canaris den Dienstherrn und revoltierte er im Gefolge von Generallandschaftsdirektor Kapp und General von Lüttwitz gegen die Republik; Canaris blieb in der Adjutantur des Reichswehrministers.

      Lüttwitz besetzt am 13. März mit der Marinebrigade Ehrhardt das Berliner Regierungsviertel und ernennt Wolfgang Kapp zum Reichskanzler.

      Artikel 160 des Versailler Vertrags verfügte die Reduzierung des deutschen Heers auf 100.000 Berufssoldaten und die Auflösung der aus Freiwilligen bestehenden Freikorps. Putschbestrebungen frustrierter und von der Entlassung bedrohter Freikorpsoffiziere trafen mit Umsturzplänen der im Oktober 1919 gegründeten Nationalen Vereinigung, einer Nachfolgeorganisation der Deutschen Vaterlandspartei, zusammen. Einer der führenden Köpfe des gegen die Weimarer Republik gerichteten rechtsextremen Verschwörerkreises war der ostpreußische Generalland-schaftsdirektor Wolfgang Kapp, der intensiven Kontakt zum ranghöchsten General der Reichswehr, Walther von Lüttwitz, unterhielt.

      Nach der Anweisung der Interalliierten Militärkontrollkommission, löste Reichswehr-minister Gustav Noske am 29. Februar 1920 die 6.000 Mann starke Marinebrigade von Hermann Ehrhardt und das Freikorps Loewenfeld auf. Dem widersetzte sich Reichswehrgeneral von Lüttwitz, der am frühen Morgen des 13. März an der Spitze der ihm unterstehenden Marinebrigade Ehrhardt, deren Angehörigen als Ausdruck ihrer völkischen Gesinnung häufig ein Hakenkreuz auf ihrem Helm trugen, das Berliner Regierungsviertel besetzte und Kapp zum Reichskanzler ernannte. Da die Reichswehr nicht bereit war, gegen die Putschisten militärisch vorzugehen, floh die Mehrzahl der Minister mit Reichskanzler Gustav Bauer und dem Reichspräsidenten