Max Schwerdtfeger

Kartell Compliance


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In der jüngeren Entscheidungspraxis wurden selektive Vertriebssysteme z.B. für Nahrungsergänzungsmittel, Kosmetika,[387] hochwertige Uhren (im Gegensatz zu Massenprodukten), Feinkeramik (Villeroy & Boch),[388] Schmuck aus Edelmetall sowie Funktionsrucksäcke (Deuter)[389] und Schulranzen (Scout)[390] akzeptiert.

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       Rechtsprechungsüberblick – Selektivvertrieb bei Markenprodukten:

Die Europäische Kommission sowie das OLG Hamburg haben mit guten Gründen dargelegt, dass eine Differenzierung zwischen Produkten der Luxusklasse und hochwertigen Markenprodukten mit erheblichen Abgrenzungsschwierigkeiten verbunden und nicht sinnvoll durchführbar sei. Überdies bestehe auch bei hochwertigen Markenprodukten ein rechtlich anerkennenswertes Interesse des Herstellers, den Charakter des Produkts durch seine Marktpositionierung und besondere Vertriebsleistungen zu unterstreichen.

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      Werden die Selektionskriterien schließlich im laufenden Geschäft nicht konsequent diskriminierungsfrei angewendet, etwa indem Händler aufgenommen werden, die bestimmte Kriterien nicht erfüllen, oder umgekehrt Händler nicht aufgenommen werden, obwohl sie allen Voraussetzungen gerecht werden, ist ein selektives Vertriebssystem grds. insgesamt nicht (mehr) vom Anwendungsbereich des Art. 101 Abs. 1 AEUV ausgenommen und insoweit freistellungsbedürftig.

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als indirekte Form des quantitativen Selektivvertriebs erachtet die Europäische Kommission die Verknüpfung qualitativer Kriterien mit der Vorgabe eines jährlichen Mindesteinkaufsvolumens der Händler;
Mindestgröße von Geschäftsräumen, wie z.B. einer Mindestwerkstattkapazität;
Koppelung der Anzahl an Verkaufsstätten/Werkstätten an die Einwohnerzahl oder Kaufkraft in einem Gebiet.

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      Ein den „Metro“-Kriterien nicht genügendes selektives Vertriebssystem mit überschießenden oder nicht diskriminierungsfrei gehandhabten qualitativen oder quantitativen Kriterien ist gleichwohl zulässig, wenn es freigestellt ist. Grundsätzlich unterfallen selektive Vertriebssysteme als vertikale Vereinbarungen der Vertikal-GVO und sind daher freigestellt, wenn die Marktanteile der beteiligten Parteien nicht über 30 % liegen (Art. 3 Vertikal-GVO) und die Vereinbarung keine „Kernbeschränkungen“ i.S.v. Art. 4 Vertikal-GVO enthält. In diesen Fall bliebe noch die Möglichkeit einer Einzelfreistellung nach Art. 101 Abs. 3 AEUV.

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      Um in den Genuss einer Freistellung nach Art.