ausgeübt werden kann, oder durch den Erwerb von Vermögensgegenständen. Bei paritätischen Beteiligungen wird im Regelfall eine gemeinsame Kontrolle vorliegen, es sei denn, die Stimmanteile sind abweichend von den Kapitalanteilen verteilt. Minderheitsbeteiligungen als solche erfüllen den Zusammenschlusstatbestand des Art. 3 grundsätzlich nicht, da sie ihrem Inhaber regelmäßig nicht die notwendige Kontrolle über ein anderes Unternehmen verschaffen.[15] Ausnahmsweise kann alleinige Kontrolle aber auch mit einer qualifizierten Minderheitsbeteiligung erworben werden, wenn das erwerbende Unternehmen mit den Anteilen in die Lage versetzt wird, die Geschäftspolitik des anderen Unternehmens unter Durchsetzung eigener Interessen tatsächlich zu beeinflussen. Die Kommission nennt hierfür beispielhaft die Fälle, in denen Vorzugsaktien zu einer Stimmrechtsmehrheit führen oder der Minderheitsgesellschafter das Recht hat, über die Hälfte der Mitglieder des Vorstandes oder Aufsichtsrates zu bestimmen.[16] Eine faktische Kontrolle liegt vor, wenn ein Minderheitsgesellschafter damit rechnen kann, in der Hauptversammlung eine Mehrheit zu bekommen, weil sich die restlichen Anteile im Streubesitz befinden. Zur Feststellung einer solchen faktischen Hauptversammlungsmehrheit kommt es entscheidend darauf an, wie viele Aktionäre in früheren Jahren an Hauptversammlungen teilgenommen haben und welche Rolle die anderen Gesellschafter spielen. Die Kommission geht insoweit davon aus, dass ein Minderheitsaktionär die alleinige Kontrolle ausübt, wenn er in den letzten drei Jahren auf den Hauptversammlungen für wichtige Entscheidungen eine Stimmenmehrheit bekommen hat. In der Praxis hat die Kommission einen Kontrollerwerb aufgrund faktischer Hauptversammlungsmehrheit schon bei Minderheitsbeteiligungen von 33 %, 29 %, 21 % und 19 % angenommen.[17] Eine sog. negative alleinige Kontrolle liegt vor, wenn ein Gesellschafter zwar strategische Entscheidungen in einem Unternehmen nicht allein durchsetzen, diese aber durch sein Veto verhindern kann, da der hierdurch einen bestimmenden Einfluss i.S.d. Art. 3 Abs. 2 erwirbt.[18]
b) Gemeinsame Kontrolle – Gemeinschaftsunternehmen
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Ein Zusammenschluss liegt schließlich auch dann vor, wenn zwei oder mehr Unternehmen die Möglichkeit haben, einen bestimmenden Einfluss auf ein anderes Unternehmen auszuüben. Die zweite Variante des Art. 3 Abs. 1 lit. b erfasst damit den Erwerb gemeinsamer Kontrolle (joint control). Das Zielunternehmen wird in diesem Fall zu einem Gemeinschaftsunternehmen. Bei einem solchen Gemeinschaftsunternehmen kann es sich um eine gemeinsame Neugründung handeln, den gemeinsamen Erwerb eines Drittunternehmens durch zwei oder mehr Unternehmen oder den nachträglichen Erwerb von Gesellschaftsanteilen an einem bestehenden Unternehmen, sofern dadurch eine gemeinsame Kontrolle der Anteilseigner begründet wird. Damit die Gründung eines Gemeinschaftsunternehmens der FKVO unterfällt, muss neben dem Tatbestand der gemeinsamen Kontrolle gewährleistet sein, dass das Gemeinschaftsunternehmen auf Dauer alle Funktionen einer selbstständigen wirtschaftlichen Einheit erfüllt (Vollfunktions-Gemeinschaftsunternehmen).
aa) Erwerb der gemeinsamen Kontrolle
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Eine gemeinsame Kontrolle liegt vor, wenn die Anteilseigner bei allen wichtigen Entscheidungen, die das beherrschte Unternehmen betreffen, eine Übereinstimmung erzielen müssen.[19] Der typische Fall einer gemeinsamen Kontrolle ist der einer paritätischen Beteiligung lediglich zweier Mutterunternehmen mit Stimmengleichheit oder gleicher Präsenz in den Entscheidungsgremien des Gemeinschaftsunternehmens, da hier auch ohne eine Vereinbarung über das Abstimmungsverhalten ein ständiges Zusammenwirken beider Mütter erforderlich ist, um eine gegenseitige Blockade bei Entscheidungen über die Tätigkeit des Gemeinschaftsunternehmens auszuschließen. Gleiche Stimmrechte sind jedoch keine Voraussetzung, um durch die Blockade von Entscheidungen des Gemeinschaftsunternehmens einen mitbeherrschenden Einfluss ausüben zu können. Bei disparitätischen Gemeinschaftsunternehmen mit drei oder mehr Gründerunternehmen können auch einzelne Vetorechte einem Minderheitsgesellschafter die gemeinsame Kontrollmöglichkeit verschaffen. Diese Rechte müssen allerdings den Minderheitsgesellschafter in die Lage versetzen, solche Entscheidungen zu blockieren, die für das strategische Wirtschaftsverhalten des Gemeinschaftsunternehmens wesentlich sind, weil dann ebenfalls ein Einigungszwang zwischen den Müttern besteht.[20] Die Vetorechte können in der Satzung des Gemeinschaftsunternehmens verankert sein oder auch auf einer Gesellschaftervereinbarung beruhen. Nach der Entscheidungspraxis der Kommission müssen sich die Vetorechte auf strategische geschäftspolitische Entscheidungen in dem Gemeinschaftsunternehmen über das Budget, den Geschäftsplan, größere Investitionen und/oder die Besetzung der Unternehmensleitung beziehen.[21] Ein bestimmender Einfluss auf die Alltagsgeschäfte des Gemeinschaftsunternehmens ist dagegen nicht erforderlich. Nicht ausreichend sind diejenigen Vetorechte, die bereits das nationale Gesellschaftsrecht einem Minderheitsgesellschafter zum Schutz seiner finanziellen Interessen einräumt (Satzungsänderung, Kapitalerhöhung, Liquidation, etc). Der für die Begründung der Kontrolle erforderliche Umfang an Vetorechten kann nur anhand einer Gesamtschau der einzelnen Vetorechte und der Umstände des Einzelfalles entschieden werden. So hat die Kommission etwa ein Vetorecht der Beteiligten in Bezug auf die Berufung und Abberufung der Geschäftsführer des Gemeinschaftsunternehmens als nicht ausreichend für eine gemeinsame Kontrolle angesehen, da gleichzeitig wesentliche Entscheidungen über das strategische Wirtschaftsverhalten des Gemeinschaftsunternehmens (Geschäfts- und Finanzplan, größere Investitionen) wechselnden Mehrheiten zugänglich waren.[22]
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Auch ohne besondere Vetorechte können zwei oder mehr Unternehmen, die jeweils eine Minderheitsbeteiligung an einem Gemeinschaftsunternehmen halten, gemeinsame Kontrolle über dieses ausüben, nämlich dann, wenn sichergestellt ist, dass sie zusammen eine Stimmrechtsmehrheit haben und bei der Ausübung der Stimmen gemeinsam handeln. In der Praxis handelt es sich dabei i.d.R. um Stimmbindungsverträge oder einen Stimmenpool zwischen mehreren Minderheitsgesellschaftern.[23]
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Ein gemeinsames Handeln der Minderheitsgesellschafter braucht jedoch nicht auf einer Vereinbarung zu beruhen, sondern kann sich in Ausnahmefällen auch aus den Umständen ergeben. Nach Ansicht der Kommission ist dies dann der Fall, wenn starke gemeinsame Interessen der Minderheitsgesellschafter bewirken, dass sie bei der Ausübung ihrer Stimmrechte in dem Gemeinschaftsunternehmen nicht gegeneinander handeln, etwa weil jede der Mütter für das Gemeinschaftsunternehmen spezielle lebenswichtige Beiträge leistet, die von den anderen Mutterunternehmen nicht geliefert werden können.[24] Fehlt es an einer solchen starken (faktischen) Interessengemeinschaft und liegt auch keine Stimmrechtsbindung vor, so wird i.d.R. die Möglichkeit wechselnder Koalitionen unter den Minderheitsgesellschaftern die Entstehung einer gemeinsamen Kontrolle verhindern.
bb) Vollfunktionscharakter
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Weitere Voraussetzung für die Anwendbarkeit der FKVO auf ein Gemeinschaftsunternehmen ist, dass dieses Vollfunktionscharakter hat (Art. 3 Abs. 2). Es muss sich bei dem Gemeinschaftsunternehmen um eine Zusammenfassung von personellen und finanziellen Mitteln handeln, mit denen auf Dauer ein bestimmter wirtschaftlicher Zweck verfolgt wird und das alle Funktionen einer selbstständigen Wirtschaftseinheit erfüllt.[25] Nach Ansicht der Kommission setzt der Vollfunktionscharakter voraus, dass das Gemeinschaftsunternehmen all diejenigen Funktionen ausübt, die auch von anderen Unternehmen auf dem Markt wahrgenommen werden. Dafür muss das Gemeinschaftsunternehmen über ein sich dem Tagesgeschäft widmendes Management und ausreichend Ressourcen wie finanzielle Mittel, Personal, materielle und immaterielle Vermögenswerte verfügen, um seinen vertraglich vorgesehenen Aufgaben langfristig nachkommen zu können.[26] Diese Voraussetzung ist nicht erfüllt, wenn ein Gemeinschaftsunternehmen nur eine bestimmte Funktion innerhalb der Geschäftstätigkeit der Muttergesellschaften wahrnimmt und dabei keinen Zugang zum Markt hat, es sich im Wesentlichen auf den Vertrieb der Erzeugnisse seiner Gründer beschränkt oder wenn die Verkäufe an die Gründer nicht zu den üblichen Geschäftsbedingungen des Gemeinschaftsunternehmens erfolgen. Die Gründung eines solchen Teilfunktions-Gemeinschaftsunternehmens