oder auch nur ein „Übergewicht“[94] inne hat. Dazu muss geprüft werden, ob und inwieweit der vermeintlich faktische Geschäftsführer typische Geschäftsführungsaufgaben wahrgenommen hat.[95] Höchstrichterliche Rechtsprechung, die verlangen würde, dass von acht klassischen Geschäftsführungsaufgaben (Bestimmung der Unternehmenspolitik, Unternehmensorganisation, Einstellen von Mitarbeitern, Bestimmung der Höhe der Gehälter, Gestaltung der Geschäftsbeziehungen zu Vertragspartnern, Verhandlungen mit Kreditgebern, Treffen von Entscheidungen in Steuerangelegenheiten, Steuerung der Buchhaltung) mindestens sechs vom faktischen Geschäftsführer wahrgenommen werden, existiert entgegen landläufiger Meinung – soweit ersichtlich – nicht.[96] Die Rechtsprechung, bleibt insoweit vielmehr vage und stellt je nach Einzelfall unterschiedliche Anforderungen an die Tätigkeit des faktischen Geschäftsführers. Es sei „jedenfalls erforderlich, dass die Urteilsfeststellungen ein ‚Bild‚ von den Verhältnissen ergeben, das Rückschlüsse auf die der Annahme faktischer Geschäftsführung zugrunde liegende konkrete Tätigkeit und ihren Umfang zulässt“.[97] Personen, die – bspw. als Gesellschafter – umfangreich für Kapitalgesellschaften handeln, ohne Geschäftsführer zu sein, laufen damit immer Gefahr, als faktische Geschäftsführer in Anspruch genommen zu werden, ohne dass Ihnen im Vorhinein klare Grenzen aufgezeigt werden könnten. Die einzig festzustellende Regel ist, je umfangreicher und gewichtiger die wahrgenommenen Aufgaben für die Gesellschaft sind, desto größer ist die Gefahr, als faktischer Geschäftsführer betrachtet zu werden.
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Grundsätzlich deckt sich diese Rspr. mit den üblichen Annahmen zur Tatherrschaft eines mittelbaren Täters. Abweichend dazu spielt es aber keine Rolle, ob der formelle Geschäftsführer als Vordermann eigenverantwortlich handelt oder nicht. Letztlich wird der faktische Geschäftsführer dem eingetragenen aufgrund seiner besonderen Einflussnahme gleich gestellt und handelt ggf. als Mittäter.[98]
35
Unabhängig von der oben dargestellten Rspr. dürften faktische Geschäftsführer regelmäßig nach § 35 als Verfügungsberechtigte oder nach § 34 Abs. 3 als Vermögensverwalter verantwortlich sein. Verfügungsberechtigt i.S.d. § 35 ist jeder, der nach dem Gesamtbild der Verhältnisse rechtlich und wirtschaftlich über Mittel, die einem anderen zuzurechnen sind, verfügen kann und als solcher nach außen auftritt“.[99] Die Voraussetzungen des § 35 sind für jeden Beteiligten gesondert festzustellen. Eine Zurechnung des Auftretens anderer nach außen nach den strafrechtlichen Grundsätzen der Mittäterschaft findet insoweit nicht statt.[100]
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Der BGH hat zu den Voraussetzungen nach § 35 in einer Entscheidung aus dem Jahr 2013 ausführlich Stellung genommen:[101]
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(1.) Zunächst genügt danach eine mittelbare rechtliche Verfügungsbefugnis. Somit ist verfügungsberechtigt, wer aufgrund seiner Stellung die Pflichten des gesetzlichen Vertreters selbst erfüllen kann, sie durch die Bestellung entsprechender Organe erfüllen lassen kann oder kraft eines Rechtsverhältnisses den Vertretenen steuern und über seine Mittel verfügen kann. Eine solche Möglichkeit besteht z.B. für einen Alleingesellschafter einer GmbH, der sich jederzeit selbst zum Geschäftsführer bestellen oder für die Einsetzung eines anderen Geschäftsführers Sorge tragen kann.[102] Entscheidend ist, dass er selbst in der Lage ist, sich auch die rechtliche Möglichkeit zu verschaffen, über das Vermögen des Schuldners zu verfügen. Nicht ausreichend ist hingegen eine rein tatsächliche Verfügungsmacht, etwa die Möglichkeit, über wirtschaftlichen Druck auf die Verfügungen des Steuerpflichtigen Einfluss zu nehmen.[103]
Wenn ein Geschäftsherr einem Dritten für einen bestimmten Geschäftsbereich völlig freie Hand lässt, so kann dieser Dritte nach den Umständen des Einzelfalls für den Geschäftsbereich, den er übernommen hat, als Verfügungsberechtigter i.S.d. § 35 anzusehen sein.[104]
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(2.) Zudem muss der Verfügungsberechtigte als solcher nach außen – also gegenüber irgendeinem Dritten außer dem Rechteinhaber – auftreten.[105] Es reicht aus, wenn er sich so geriert, als könne er über fremdes Vermögen verfügen, so etwa ein faktischer Geschäftsführer der lediglich gegenüber einer „begrenzten Öffentlichkeit“, etwa im Rahmen von Gesellschafterversammlungen, zu erkennen gibt, dass er als solcher über das Vermögen verfügen kann, das Auftreten gegenüber der „allgemeinen Öffentlichkeit“ aber weisungsabhängigen Personen überlässt.
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(3.) Schließlich muss der Verfügungsberechtigte rechtlich zur Pflichtenerfüllung in der Lage sein, wobei mittelbares Können – etwa in Form von verbindlichen Weisungen – genügt.
Ist ein Hintermann lediglich faktisch in der Lage, über das Verhalten des nach außen Handelnden zu bestimmen, so kommt insbesondere eine Strafbarkeit wegen Anstiftung in Betracht.[106]
cc) Ehegatte als Mittäter/Teilnehmer
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Werden Ehegatten gemeinsam veranlagt (§ 26a EStG), so ist der Ehepartner, der sich darauf beschränkt, die gemeinsame Erklärung zu unterschreiben, obwohl er weiß, dass der andere Ehegatte unrichtige oder unvollständige Angaben über eigene Einkünfte macht, nicht Mittäter oder Teilnehmer einer Steuerhinterziehung.[107] Der Erklärungsgehalt der Unterschrift gem. § 25 Abs. 3 S. 2 EStG beschränkt sich auf die Tatsachen, die den jeweiligen Ehegatten betreffen. Angaben zu Einkünften, die nur von einem Ehegatten erzielt werden, macht nur der Ehegatte, der den Tatbestand dieser Einkunftsart verwirklicht.[108] Soweit die Einkommensteuererklärung hingegen Besteuerungsmerkmale umfasst, die – wie z.B. Sonderausgaben oder außergewöhnliche Belastungen – beide Ehegatten betreffen, so beziehen sich auch ihre Erklärungen auf diese Merkmale.[109] Zur Feststellung von Mittäterschaft oder Gehilfenschaft sind die allgemeinen Regeln anzuwenden: Gehen die Beiträge des Ehegatten über die Unterzeichnung der Erklärung hinaus, unterstützt er etwa den anderen aktiv dabei, falsche Angaben zu machen, so ist er als Teilnehmer strafbar. Eine mittäterschaftliche Zurechnung der Hinterziehung an den Ehepartner erfordert die Feststellung, dass das Verschweigen dieses Betrages einem gemeinsamen Tatplan entsprach, etwa weil der mitunterzeichnende Ehegatte an der Erzielung der verschwiegenen Einkünfte mitgewirkt hat.[110]
dd) Steuerberater als Täter/Teilnehmer
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Macht der Steuerberater im eigenen Namen vorsätzlich falsche Angaben für seinen Mandanten gegenüber dem Finanzamt (als Vertreter oder Verfügungsbefugter), so ist er selbst Täter nach § 370 Abs. 1 Nr. 1. Wenn der steuerliche Berater nicht nach außen auftritt, sondern der Mandant selbst die Erklärung unterzeichnet und als eigene Erklärung einreicht, ist allein der Mandant unmittelbarer Täter, während sich der Steuerberater unter Umständen wegen Beihilfe strafbar macht. Das gleiche gilt bei Erteilung eines Mitwirkungsvermerks des Beraters, dieser macht die Erklärung nicht zu einer solchen des Steuerberaters.[111] In der Literatur wird vertreten, dass auch eine Beihilfestrafbarkeit des Steuerberaters nicht in Betracht komme, wenn sich seine Tätigkeit auf das Anfertigen der Erklärung nach den falschen Angaben des Mandanten beschränkt.[112] Diese Ansicht erscheint jedoch zu weitgehend. Für eine Beihilfestrafbarkeit genügt jede (physische oder psychische) Förderung der Tat, die auch im Vorbereiten einer inhaltlich unrichtigen Erklärung liegen kann, sofern der Steuerberater positive Kenntnis von der Unrichtigkeit der Angaben hat (siehe auch Rn. 25 und 44 zu berufstypischem Verhalten).[113]
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