wider. Ich arbeite am liebsten und besten allein. Mich einer Gruppe anzuschließen, war nach meinen Erfahrungen in Indien nie wieder ein Thema.
Religiöse und spirituelle Gruppierungen sind zu vergleichen mit einer Universität. Es ist wichtig, die Grundkenntnisse zum Leben über universelle und menschliche Gesetze zu lernen. Es ist aber nicht gut, das ganze Leben Student zu bleiben. Jeder sollte früher oder später den Universitätsabschluss erreichen und sich selbstständig machen.
Kabul
Ich brauchte mehrere Tage, um mich an die Stimmung in Kabul zu gewöhnen. Das Hotel zu Fuß zu verlassen, wurde aus Angst vor Entführungen nicht empfohlen. Für Ausländer gab es spezielle Taxis. Diese waren sehr viel teurer, dafür aber auch sicherer, und die Chance, dass man am Zielort ankam, war um einiges höher als mit einem normalen Taxi.
Der Krieg war allgegenwärtig. Obwohl ich in den drei Wochen in Kabul keinen einzigen Schuss hörte, konnte man die politische Situation nicht einfach vergessen. Im Hotel trafen wir Ausländer uns und therapierten uns gegenseitig, um das Erlebte zu verarbeiten. Ich organisierte so viele Besprechungen wie möglich, um mich abzulenken. Einfach so die Stadt genießen und flanieren war nicht möglich. Dass Kabul ausgezeichnet geeignet ist, um einzukaufen, erfuhr ich erst in der letzten Woche meines Afghanistanbesuches.
Neben einigen beruflichen Besprechungen wollte ich erfahren, ob Medialität und Meditationen, wie wir sie im Westen praktizieren, vorhanden ist. Ich konnte mir auch vorstellen, hier in Kabul in Zukunft Seminare zu geben. Ich erfuhr, dass es bereits Modelschulen und Beauty-Zentren um die afghanische Version von »Deutschland sucht den Superstar« gibt. Warum also nicht ein Meditationsseminar geben?
Bei jedem Treffen hatte ich ein wenig das Gefühl, in einem Agentenfilm zu sein. Wir trafen uns in Cafés oder Restaurants, natürlich erst nachdem wir die überaus strengen Sicherheitsvorkehrungen passierten. Während des Gespräches sah mein Gegenüber nicht selten über die Schulter, um sicher zu sein, dass niemand zuhören konnte. Man hatte Angst, dabei ertappt zu werden, wie man über etwas Spirituelles spricht, was nicht islamisch geprägt ist. Ob ich mir überhaupt bewusst sei, so hörte ich immer wieder, wie gefährlich es sein konnte, in einem Land wie Afghanistan über solche Themen zu sprechen? Natürlich hatte ich mir bereits lange vor der Reise Gedanken darüber gemacht. Wie so oft in meinem Leben, bin ich aber meiner Intuition und meinem Motto »Wer nichts wagt, der gewinnt nichts« gefolgt.
Schnell merkte ich, dass es in Kabul keine Institution oder kein Zentrum gab, in dem Meditationskurse angeboten wurden. Auf der anderen Seite erlebte ich, wie offen und interessiert die meisten der Menschen waren, mit denen ich sprach. Nicht wenige lasen Bücher über Spiritualität und Meditation. Interessanterweise kamen die meisten dieser Bücher aus dem Iran. Das lag daran, dass junge Leute kaum Englisch sprechen, die in der Literatur am stärksten vertretene ausländische Sprache ist Farsi. Afghanistan hat zwei Landessprachen: Paschtu und Dari, dem iranischen Farsi fast identisch. Ich kannte den Iran und war daher nicht erstaunt, als man mir erzählte, wie stark der Einfluss des Irans sogar in spirituellen Themen war.
Nach wenigen Tagen lernte ich eine Afghanin kennen, die lange Zeit in England gelebt hatte. Sie lud mich mehrmals zu sich nach Hause ein. Sie wusste, warum ich in Kabul war und stellte mir immer wieder Menschen vor, die für meine Arbeit interessant sein könnten. Wir meditierten mehrmals bei ihr und sprachen sehr viel über Spiritualität, Meditationen und Medialität.
In Afghanistan war der Buddhismus sehr lange die wichtigste Religion. Der Islam eroberte Afghanistan erst später. Als Alternative zur Staatsreligion studiert vor allem die gebildete Oberschicht die Lehren Zarathustras. Nach dem Sturz des Königs sind damals viele aristokratische Familien ins Ausland geflohen, und nach dem Einmarsch der westlichen Verbündeten sind nicht wenige von ihnen wieder zurückgekehrt. Sie hoffen jetzt, ehemalige Besitztümer wieder zurückzubekommen.
Die jüngere Generation dieser alten Familien bringt natürlich auch sogenannte New-Age-Ideen mit nach Kabul. Vor allem diese Menschen wussten über Meditationen und Medialität Bescheid und praktizierten sie sogar hinter verschlossenen Türen.
Für den etwas einfacheren Menschen gab es außerhalb der Stadt den Dorfschamanen. Dieser legt Karten oder liest aus dem Kaffee. Leider hatte ich nicht die Möglichkeit, einen solchen Schamanen zu besuchen. Zu gefährlich sei es, so wurde mir gesagt.
Leider sind auch mehrere Versuche, eine Person im Kulturministerium zu treffen, im Sande verlaufen. Gern hätte ich eine offizielle Stellungnahme zu meinen Untersuchungen gehabt.
Ich besprach mit meinen Kontakten die Möglichkeit, ein Seminar in Kabul zu organisieren. Ich sagte, dass ich gern wiederkäme, sollte sich eine Gruppe zusammenfinden. Leider ist die politische Lage im Moment aber so schlecht, dass viele junge Afghanen dem Land wieder den Rücken drehen.
Trotz der ganzen Schwierigkeiten war meine Zeit in Afghanistan sehr erfolgreich. Ich habe viel gelernt und vielleicht auch den einen oder anderen Samen legen können. Kommt der Tag, an dem Afghanistan etwas ruhiger und entspannter wird, so werde ich einen neuen Versuch wagen und meine Kontakte in Kabul anschreiben. Wir werden ein Seminar organisieren und vielen Menschen helfen können.
Man darf nie vergessen, dass überall Menschen leben, die in Frieden und kulturellem Austausch leben möchten!
Es lässt sich nicht abstreiten, dass in Afghanistan Krieg herrscht. Leider ist es aber auch so, dass viele Bauern oder einfache Stadtleute, die durch den westlichen Einmarsch alles verloren haben, jetzt natürlich wütend auf den Westen sind. Es ist ebenfalls verständlich, dass diese Menschen sich gegen den fremden Eindringling wehren möchten. Um diesen Krieg zu rechtfertigen und der Bevölkerung in Europa oder den USA gegenüber den Kampf gegen das Böse zu »verkaufen«, stempeln wir diese Widerstandsbewegungen als Taliban ab.
Ich sprach mit mehreren Leuten, die westliche Soldaten als Terroristen beschimpften. Ich kannte es aus Südamerika und dem Nahen Osten, dass die USA als Terroristen beschimpft werden. Neu war aber für mich, dass Länder wie Deutschland ebenfalls als Terroristenstaaten bezeichnet werden. Deutschland hat nicht nur Soldatenleben in diesem Krieg verloren, sondern auch seine Unschuld als guter Staat des Rechtes. Der Krieg in Afghanistan ist keiner, bei dem es um Gut gegen Böse oder Recht gegen Unrecht geht. Der Krieg in Afghanistan ist ein Expansionskrieg, ein Krieg der Bodenschätze und der politischen Vormacht.
Meine Augen wurden mir auf schmerzhafte Weise vor allem durch Gespräche mit dem einfachen Bürger geöffnet.
Es schockierte mich und beschämte mich zugleich, zu erkennen, wie die Politik uns doch immer wieder belügt und manipuliert. Ich lernte eine ganz wichtige Lektion:
Vertraue nie den Medienberichten. Sie zeigen höchstens, was passiert, aber nie warum. Der kleine Soldat, der im Krieg stirbt oder verkrüppelt wird, opfert sich aus ganz anderen Gründen, als er eigentlich glaubt. Er ist eine Schachfigur in einem großen und komplexen Spiel. In Afghanistan hatte ich die Möglichkeit, einige größere Spieler kennenzulernen. Wie schon in Südamerika erhielt ich Einblick hinter verschlossene Mauern und lernte schmutzige Einzelheiten in einem schmutzigen Krieg.
Es ist nicht die Rhetorik korrupter Politiker oder Geschäftsleute, die uns als Wegweiser dienen sollte. Nein, das leise Wispern unserer Intuition ist es. Die stummen Bilder unserer Träume zeigen uns den richtigen Weg, den unsere Seele gehen möchte, um ihre Aufgabe in diesem Leben auszuführen.
Nach drei Wochen neigte sich meine Reise ihrem Ende zu. Ich war schon etwas erleichtert und freute mich auf meine Abreise. Vom Parkplatz des Flughafens bis zum Schalter gab es fast alle zehn Meter eine Kontrolle.
Als ich auf meinen Flug wartete, visualisierte ich mir die wichtigsten Erfahrungen dieser Reise. Dazu gehört wohl die Erkenntnis, dass selbst an den dunkelsten Orten dieser Welt, immer wieder irgendwo eine lichtvolle Seele zu finden ist. Das zeigt doch, wie wichtig es ist, nie die Hoffnung aufzugeben. Ich sah einmal mehr, dass, egal wo man ist, irgendwo immer ein Mensch wartet, der das Menschlichsein noch nicht vergessen hat!
Mediale Söldner
Entgegen vielen esoterischen oder philosophischen Vorstellungen ist Medialität