neigte und auf Reisen durch das subsaharische Afrika nach dem idealen Leben gesucht hatte, sich für keine politische Partei interessierte und allem misstraute, was ihm als geschlossene Gesellschaft, als Privilegiertenclub erschien, er beschließt, gegen das System Krieg zu führen, nicht weil er sich plötzlich politisch engagieren wollte, sondern weil es für ihn zutiefst inakzeptabel ist, dass menschliche Wesen, nur weil sie eine andere Hautfarbe haben und aus einem wirtschaftlich schwachen Land kommen, an der Grenze zurückgewiesen werden – eine brutale, rassistische, ungerechte Praxis, die gegen alle Gesetze verstößt, die, von der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte der Vereinten Nationen inspiriert, auch von Europa erlassen worden sind.
Und es ist wirklich ein Krieg: gegen die Gleichgültigkeit, gegen die Lügen der politischen Klasse, die die Angst vor dem Fremden und die Terrorbedrohung ausnutzt, gegen die Brutalität eines Teils der Ordnungskräfte, gegen die unrechtmäßigen Verhaftungen, den demütigenden Polizeigewahrsam. Ein Krieg gegen das, was er im Lauf seiner Aktionen entdeckt und zu Recht »staatlichen Rassismus« nennt: Kontrollen aufgrund der Hautfarbe, vorläufige Festnahmen mit anschließender Abschiebung, Nichtachtung des europäischen Asylrechts, schlechte Behandlung und Beschimpfungen – all das, was die berühmte Côte d’Azur zum rechtsfreien Raum und zu einer der gefährlichsten Gegenden Frankreichs macht. Für alle, die die italienisch-französische Grenze vor den Schengener Abkommen gekannt haben, ist die Erinnerung an die Zeit noch frisch, als Migranten ohne Papiere, von den Gesetzeshütern verfolgt, in jener Schlucht oberhalb von Menton endeten, die traurigerweise zu Recht »Pas de la mort« (Schwelle zum Tod) genannt wird.
Cédric Herrou hatte alles Mögliche ausprobiert – nicht zuletzt die Seefahrt, doch er ist allergisch gegen jede Uniform – und entdeckt seinen Weg schließlich im Hinterland von Nizza, im Royatal, wo er einen verwilderten Olivenhain wieder fruchtbar macht und Hühner züchtet. An diesem Zufluchtsort, weit weg vom Rummel der Küste, nimmt er Migranten auf, die über die Grenze wollen. Denn Breil liegt zwar schon in Frankreich, doch aufgrund des Grenzverlaufs kommt man paradoxerweise nur von Italien aus direkt dorthin, indem man ab Ventimiglia dem Lauf der Roya folgt, oder aber man erreicht es auf einem Umweg nach Westen, über Sospel in die Berge hinauf. Das Royatal ist in jeder Beziehung gottverlassen: Es ist schwer zu erreichen, und seine Lage macht es zur Falle für Illegale, zum Kessel zwischen der Küste und den Sperren der Grenzpolizei in den Bergen.
Dieses Buch ist eine Chronik dieses Kampfs, voller Dramatik und Komik, Zärtlichkeit und Wut. Das Royatal wurde nicht zufällig zum Zufluchtsort; es gehört zu jener Geografie der Revolte, die es im Hinterland von Nizza schon immer gegeben hat. Früher hatten die Bewohner des Tals gegen Eroberer gekämpft, sie trugen Bauernkittel zum Zeichen ihrer Freiheit. In jüngster Zeit haben sie sich in einem Komitee zusammengeschlossen, der Bürgerinitiative Roya citoyenne, um in Schwierigkeiten geratenen Migranten zu helfen – ähnlich wie manche Bewohner der Grenzregion zwischen den USA und Mexiko den erschöpften und dehydrierten illegalen Migranten zu helfen versuchen.
Ich habe die Charakterstärke der Menschen in den Alpentälern im Zweiten Weltkrieg selbst erlebt. Damals haben meine Mutter, meine Großmutter, mein älterer Bruder und ich dort Zuflucht gefunden, als die Deutschen in Nizza einmarschierten und die Einwohner von Roquebillière im Tal der Vésubie uns bis Kriegsende aufnahmen, ein beträchtliches Risiko für sie, weil wir britische Staatsangehörige waren. Und die Einwohner von Saint-Martin haben Juden beschützt. Als der Präfekt Ribière Razzien veranstaltete, haben wir dank der Großherzigkeit der Dorfbewohner im Hinterland überlebt.
Ist die Lage der heutigen Migrantenfamilien anders? Ich glaube nicht. Ein Flüchtling, gleich aus welchem Land, welcher Hautfarbe, welcher Religion oder Sprache, ist immer ein Flüchtling, vor allem wenn Krieg der Grund seiner Flucht ist. Um Asyl zu bitten – an die Tür zu klopfen, damit jemand sie öffnet –, ist keine Vergnügungsreise. Es heißt, in äußerster Bedrängnis zu sein, an dem Punkt angelangt, an dem es kein Zurück mehr gibt, nachdem man Hindernisse überwunden hat, fast gestorben wäre, Erpressern, Vergewaltigern, Dieben in die Hände gefallen und Mördern entkommen ist. In dieser Lage ist Hilfe zu erhalten nicht mehr nur eine Option, sondern ein absolutes Recht, wie das Recht auf Leben, Freiheit und Brüderlichkeit. Ist das so schwer zu verstehen?
Cédric Herrous Bericht ist so fesselnd, weil er mehr ist als ein Bericht; er ist voll Leben, seinem Leben. Illegalen Migranten zu helfen bedeutet, den Zorn des allmächtigen Staates auf sich zu ziehen, der über die Befehlsgewalt und die Exekutivorgane verfügt und sich auf die Mehrheit, ja auf die wankelmütige und so oft von Politikern manipulierte öffentliche Meinung stützen kann. Es bedeutet, belästigt, grundlos verhaftet, wie ein Verbrecher in Handschellen abgeführt, herumgeschubst, beschimpft und in jene engen, verdreckten Zellen des Polizeigewahrsams, die Schande der französischen Demokratie, eingesperrt zu werden, in denen Tag und Nacht das Licht brennt, ein Akt der Folter. Es bedeutet, vor Gericht gezerrt zu werden, wo böswillige Staatsanwälte, auf falsche Zeugnisse gestützt, Anklage wegen aus der Luft gegriffener Verbrechen erheben (Pädophilie, Handel mit gefälschten Papieren, Erpressung oder Beleidigung von Staatsbeamten). Es bedeutet, ständig von Repressalien bedroht, als Schlepper, Zuhälter, Vaterlandsverräter denunziert zu werden. Um all das auf sich zu nehmen, muss man nicht nur mutig sein, sondern auch dickköpfig und unbeugsam. Gelegentlich auch ein Humorist. Als man ihn bei einem Treffen in Saint-Malo fragte, warum er sich in dieses Abenteuer gestürzt habe, antwortete Cédric Herrou nur: »Meine Mutter hätte mich ausgeschimpft, wenn ich es nicht getan hätte!«
Man wäre geneigt zu sagen, dass sich seine Dickköpfigkeit gelohnt hat. Das könnte man nach so vielen gewonnenen Kämpfen, in der Berufung kassierten Verurteilungen und den bei einer breiteren Öffentlichkeit gewonnenen Sympathien tatsächlich glauben. Vor allem nach dem außerordentlichen Sieg vom 6. Juli 2018, als der Verfassungsrat das Prinzip der Brüderlichkeit als Grundrecht anerkannte, das jedem Bürger gestattet, einem in Schwierigkeiten geratenen Migranten zu helfen, ohne sich um dessen juristischen Status zu kümmern oder nach seinen Papieren zu fragen. Das ist tatsächlich ein großer Schritt der Gesetzgebung auf dem Weg zu einem Asylrecht für papierlose Migranten, und dank Cédric Herrou kommt dieses Recht in Frankreich voran. Man denkt an den berühmten Satz von Martin Luther King: »Die Menschen haben gelernt, wie Fische zu schwimmen und wie Vögel zu fliegen, aber sie haben die ganz einfache Kunst noch nicht gelernt, zusammenzuleben wie Brüder.«
Doch es wäre voreilig zu glauben, dass alles geschafft ist. Die Völkerwanderungen auf der Flucht vor Kriegen – oder vor dem Hunger, der eine andere Art von Krieg ist – sind deshalb nicht verschwunden. Sie strömen weiter zu uns, doch dem besser organisierten, auch rachsüchtigeren Europa scheint es zu gelingen, den Migranten den Weg zu versperren, noch bevor sie die Grenzen erreichen, in Italien, in Griechenland, in Osteuropa oder in der Türkei. Für diese düstere Aufgabe werden teilweise Militärschiffe eingesetzt, im Mittelmeer wie im Indischen Ozean oder in Französisch-Guyana. Die tragischen Szenen, die man zu Beginn der 2010er Jahre beobachten konnte, als Migranten sich an der Küste Siziliens ins Meer zu stürzen drohten oder ertranken, finden zwar nicht mehr statt, aber in den Durchgangsländern, in denen der Menschenhandel blüht, sind noch tragischere Szenen zu sehen: gefangen gehaltene, um Lösegeld erpresste, vergewaltigte oder ermordete Migranten, ohne dass sich die reiche Welt davon erschüttern ließe.
Mit diesem pessimistischen Befund schließt das Buch von Cédric Herrou, und er zieht daraus den einzig möglichen Schluss: Es bleibt geboten, sich zu engagieren. Wir können nicht ignorieren, was geschieht, und einfach wegsehen. Dass Migranten auf die von Abbé Pierre gegründete Emmaüs-Bewegung stoßen, lässt auf ein besseres Schicksal zumindest für diejenigen hoffen, denen es gelingt, über die Grenze zu kommen und ein Asylgesuch zu stellen. Mir gefällt es, dass der Einsatz des alten Kämpfers für die Sache der Enterbten in den 1950er Jahren auf diese Art wiederbelebt wird. Und ich würde vorschlagen, den Colbert-Saal der französischen Nationalversammlung, um dessen Namen es jüngst Diskussionen gegeben hat, statt nach jenem Minister, der im 17. Jahrhundert an der gesetzlichen Reglementierung des Sklavenhandels mitgewirkt hat, nach dem tapfersten ihrer Mitglieder zu nennen, nach dem ehemaligen Abgeordneten, der unter dem Namen Abbé Pierre bekannt ist.
Anderen beizustehen, denen zu helfen, die Hilfe brauchen, ihnen Herz und Arme zu öffnen, das ist keine Frage der Wahl. »Helft mir helfen«, sagte Abbé Pierre. Das ist der Sinn des Kampfs von Cédric Herrou.