Gaurav Gupta

Change


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Wenn dann noch mehrere Bedrohungen gleichzeitig auf uns einprasseln – oder auch solche, die wir nicht lösen können –, geraten wir möglicherweise in einen überhitzten Stresszustand. Dann kommt es vor, dass wir so müde und zerstreut sind, dass wir nicht einmal mehr mit den Problemen fertig werden, für die der Survive-Channel ursprünglich geschaffen wurde. Am Ende drehen wir uns im Kreis, ziehen uns zurück, erstarren – und so wird oft unsere Fähigkeit, neue Chancen zu erkennen, überwältigt. Wir sind nicht mehr in der Lage, einen Schritt zurückzutreten und kreativ zu überlegen, und schon gar nicht können wir dann unser Verhalten so ändern, dass wir rasch von irgendwelchen Gelegenheiten profitieren. Und wie sollen wir in diesem Zustand andere zusammentrommeln, um Chancen zu nutzen, wenn wir selbst kaum noch funktionieren?

      In der heutigen Welt des raschen Wandels, in der immer mehr Bedrohungen und Chancen auftreten, sind überhitzte Survive-Zustände nichts Ungewöhnliches. Das kann entweder an der schier riesigen Zahl der wahrgenommenen Bedrohungen liegen oder an unserer Umgebung, die uns so viele Beschränkungen auferlegt, dass wir nicht einmal einzelne Bedrohungen beseitigen können.

      Keines dieser Probleme hielt das Leitungsgremium davon ab, das zu tun, was es widerstrebend als notwendig erachtete, um die Wettbewerbsfähigkeit wiederherzustellen. Die Kosten wurden gekürzt, ein paar Niederlassungen wurden geschlossen und Menschen verloren ihre Arbeit. Es waren keine drakonischen Maßnahmen, aber sie waren für alle Beteiligten sehr unangenehm.

      Zwei Jahre später war die Restrukturierung offiziell »abgeschlossen« und sie erwies sich nach gewissen Standards sogar als erfolgreich. An Orten, wo wenig Nachfrage bestand, waren die Kosten bedeutend reduziert worden. Doch die Ersparnisse wurden durch die weiterhin niedrige Produktivität vermindert.

      Der CEO zog sich in den Vorruhestand zurück. Sein Nachfolger startete einige neue Initiativen zur Kostenkürzung und versuchte, von oben herab starken Druck auf den Produktentwicklungsprozess auszuüben. Doch nichts davon erzeugte die erwünschten Ergebnisse in dem erforderlichen Ausmaß. Die mangelhafte Kenntnis der wahren Problemursachen führte unweigerlich zu mangelhaften Lösungen. So ist es immer.

      Aber es gibt Lösungen. Wer sie finden will, muss jedoch sowohl den Survive-Channel als auch seinen jüngeren, weniger dominanten Begleiter, den Thrive-Channel (»Entfaltungskanal«), kennen.

      Wir stehen heute vor der grundlegenden Tatsache, dass intelligente Veränderungen in ausreichendem Tempo und Ausmaß nur zu erreichen sind, wenn wir verhindern, dass der Survive-Channel überhitzt, und wenn wir gleichzeitig bei einer genügend großen Zahl von Personen den Thrive-Channel aktivieren. Mit dieser Herausforderung haben die Unternehmen aus zahlreichen Gründen zu kämpfen.

      Auch die dauerhafte und rund um die Uhr bestehende Vernetzung der ganzen Welt kann die Aktivierung des Survive-Channels verstärken. Wenn um vier Uhr morgens eine E-Mail-Nachricht eintrifft, stuft das Gehirn sie automatisch als Krise ein, auch wenn sie gar keine ist. Das Gleiche gilt für die Textnachricht, die uns unerwartet beim Morgenkaffee stört.

      Die sozialen Medien mit ihrer unendlichen Kapazität, uns anderen gegenüber unvorteilhaft darzustellen, können den Survive-Channel aktivieren. Sie beeinflussen immer größere Bereiche unseres Lebens und bringen sowohl Vorteile als auch unbeabsichtigte Probleme mit sich.

      Durch die persönlichen und beruflichen Bedrohungen im Rahmen der Covid-19-Pandemie wird das Überlebensradar in höchste Alarmstufe versetzt. Die Bedrohungen scheinen mit immer größerer Häufigkeit in den Abendnachrichten über uns hereinzubrechen und sie lösen eine langfristige Unsicherheit bezüglich unserer eigenen Gesundheit und der Gesundheit der Menschen, die wir lieben, aus, und ebenso große Sorgen um unsere Arbeit und die globale Wirtschaft.

      Weil wir immer mehr Informationen aus aller Welt erhalten, haben wir auch viel mehr, über das wir uns Sorgen machen können. Terrorangriffe an fernen Orten oder Naturkatastrophen auf anderen Kontinenten stellen zwar rational betrachtet in diesem Augenblick keine Bedrohung für uns dar, aber der Überlebensinstinkt ist kein rationaler Mechanismus.

      So viele von uns haben die Probleme erkannt, die ein überstimulierter Überlebensmodus verursacht, dass wir nun manchmal glauben, ihn abstellen zu müssen. Viele Leute sagen zu uns: »Wir bewegen uns nun von Survive nach Thrive!« Damit implizieren sie meist: »Ist das nicht großartig?« Doch ein gut funktionierender Überlebensmechanismus trägt tatsächlich sehr stark zur Aktivierung des Entfaltungssystems bei. Wenn er weder unter- noch überstimuliert ist und wenn er ein Repertoire effektiver Reaktionen auf die vorliegenden