Poem gebracht, ist dem mindsten Theile nach aus der Pflanze selbst gepreßt; es ist Ausschweifung.
So Gegenden? Außerordentlich wilde Gegenden, Wüsten, Gebirge, Wasserfälle sind rührend, aber nur so fern sie bekannte Ideen wecken, die uns schon beiwohnen. Ich würde Niagarens Wasserfall in Creuz nicht so fühlen, wenn ich nicht schon rauschende Wasserfälle kennete, und hier blos meine Begriffe steigen dörften. Schlechthin neue Beschreibungen gewähren also diese Entdeckungen kaum: denn ob der alte Grieche und Römer die Wasserfälle des Nils, den Euripus, den Olympus, die Scylla und Charybdis mir über historische Wahrheit erhoben, ist nicht die Frage, nur ob er sie mir täuschend gedichtet? und von ihm also lerne man auch die neuerlicher bekannten Gegenden – Grainger seinen Amerikanischen Platzregen, und andre ihre feurigen Luftmeteore dichten; (denn nach historischen Bildern suche ich in Reisebeschreibungen) und fänden da die meisten solcher Scenendichtungen in den Alten, nur nach Beschaffenheit ihres Landes nicht schon Vorbilder? Wie feierlich ward aus dem Aetna die Werkstatt der Cyklopen, aus der Gegend bei Pozzuolo der Acheron, aus den Thessalischen Gegenden die Berge der Musen, aus den Inseln des Möris die Elysäischen Felder u.s.w. In Landgemälden mögen wir also neu seyn, im Geiste des Poetischen Landmalens, in Dichtungen darüber müssen wir von den Alten lernen. Dazu ist ihre Mythologie: ich sehe sie also nicht entbehrlich, ich sehe nicht einmal, recht genommen, einen Gegensatz.
»Vielleicht also neue Thier- und Menschen-Gattungen?« Gut! aber in die Naturgeschichte gehören diese besser, als in die Poesie; und wenn auch für diese, als Gegenstände, Bildergleichnisse – was trift dieses die Mythologie zum Gegensatze? Eine Fabel, eine Poetische Dichtungslehre ist ja kein Bildersaal Griechischer Thiere, Menschen, Pflanzen, Gegenden – beide heben sich noch nicht auf; vielmehr kann die Mythologie Muster bleiben, in dieser neuern Thierwelt zu dichten.
Soll es Gegensatz werden, so muß die neuentdeckte Welt uns statt der Griechischen eine Gallerie solcher und besserer Fabeln, Geschichte, Dichtungen liefern. Die Hottentottische Götterlehre, Kunstbegriffe, Historien, Gedankeneinkleidungen müssen an die Stelle der Griechischen treten. Der Pachakamai der Peruaner wird Zevs, der Chemiin der Caraiben wird der große Pan, und der Areskovi der Huronen der schöne Apollo. Statt der schönen Genien der Griechen wollen wir die Hondatkonsonas der Iroquoisen, und statt der edlen, Poetischreichen und schönen Fabelverrichtungen der alten Homerischen Götter, ihrer Einwirkung in die Welt, und ihrer Thaten unter den Menschen wollen wir Fratzengeschichte der Africanischen Regern – welch ein Tausch! Und Tausch soll doch seyn? die neuentdeckte Welt soll uns doch das reichlich und überreichlich geben können, was uns die elende Griechische Mythologie giebt? Und was giebt diese für die Poesie anders, als Dichtungen, Geschichte, Fabeln, in die Poetische Composition gelegt wird, uns zu täuschen, zu vergnügen.
Hätten unserm Verf. richtige und genaue Begriffe vom Wesen der Poesie, und vom wesentlichen Gebrauche der Mythologie in der Dichtkunst der Alten beigewohnt: so würde er sich sein Edikt gegen diese, und seine Vorschläge zur Schadloshaltung jener, selbst erlassen haben. Jetzt rächt sich an ihm Kalliope, wie dort Bacchus am Lykurgus, da dieser seinen Wein ausrotten wollte; sie läßt ihn nämlich die Linie passiren, und schickt ihn nach Mohren und Malabaren, um, wie ein Orpheus und Homer aus Aegypten zurückzukommen, – der Vater einer neuen Poesie, die seit Griechen und Römer Zeiten nicht gewesen.
Non usitata, nec tenui ferar
Penna biformis per liquidum aethera
Vates, neque in terris morabor
Longius, invidiaque maior
Vrbes relinquam: non ego pauperum
Sanguis parentum, non ego – –
Stygia cohibebor unda.
Iam iam residunt cruribus asperae
Pelles et album mutor in alitem
Superne: nascunturque leves
Per digitos humerosque plumae.
Iam Daedaleo ocyor Icaro
Visam gementis littora Bospori
Syrtesque Gaetulas canorus
Ales, Hyperboreosque campos.
Me Colchus etc. c. Heil zur glücklichen Reise!
Drittens und endlich »Allegorie:8 Tugenden und Laster, diese und andre Gemüthsaffecten – wenn ihnen der Dichter Körper beileget, so wirb er theils auf allen Münzen und Edelsteinen, theils in Gedichten, welche finden, die er bequem gebrauchen kann;« und nun gehts in ein Register.
»Bequem gebrauchen kann?« Hr. Klotz beliebe zu sagen in welcher Gedichtart? In Epopeen? Nie können da Mes-Dames »Pudicitia, Fertilitas, Fides, Securitas, Copia, Justitia, Veritas, Voluptas, Ira, Discordia, Impudentia, Invidia u.s.w.« das ausrichten, was Homers Götter und Göttinnen wirken. Es sind Larven allgemeiner Begriffe, denen persönliche Bestandheit, individuelle Bezeichnung, historischer Charakter fehlt, bei denen man jeden Tritt aus dem Namen voraus sieht, die aus einem Worte, wie jene Prophetinnen, aus holem Bauche sprechen, Wortgespenster. Sie geben kein persönliches Interesse, keine individuelle Handlung, keine einzelne Charakterprobe: sie rühren nicht, sie täuschen nicht: sie zerspringen, wie Wasserblasen.
The earth hath bubbles, as the water has,
And these are of them. Whither are them vanished?
Also in Idyllen, Fabeln, Erzälungen, überall, wo es auf vorgestellte Fiction ankommt? Kaum! und eine lange Allegorische Dichtung, ein Allegorischer Traum macht mir in sonst vortreflichen Wochenblättern,9 wenn er nicht außerordentlich kurz ist, Kopfschmerzen. Wenn Allegorie Wahrheit einkleiden soll, damit sie mehr einnehme, und stärkern Eindruck mache, so muß sie dieselbe nicht verdecken, und den Augen wegstehlen. Das Frappante, das Außerordentliche im ersten Anblicke der Entwickelung gefällt, und läßt dauerhafte Spuren in der Seele; wird mir aber seitenlang die Mühe des Entwickelns zum ordentlichen Geschäfte gemacht; – soll ich nicht die Frucht hinter den Blättern unvermuthet erhaschen, sondern zum Tagwerke Blätter klauben, eine ganze Fiction hindurch die Allegorischen Masken entkleiden, und bei jedem Zuge neu entkleiden; warum ließ mich, da es hier blos auf Wahrheit und Mühe ankommt, der Dichter die Wahrheit nicht nackt sehen? ohne Mühe der Entkleidung? ohne langes Gesuch? Mitten im Allegorischen Traume unsrer Wochenblätter schlafe ich ein, und vielleicht viele Leser mit mir.
Nichts bleibt übrig, als kleine Gedichte, oder Einfälle in Gedichten: Bilder, Gleichnisse, Epigramme, Lieder, Oden – Bilder und Gleichnisse? wohl! und die alle Mythologie ist voll schöner Allegorien! Epigramme? Ein Epigramm ist ein Bon-Mot in der Dichtkunst, es gefalle durch seinen Stachel, oder seine außerordentliche Simplicität. Aber Lieder? Oden? Selten können lange durchaus Allegorische Lieder und Oden gefallen! Ich danke es Uzen, daß er mir seinen schönen Morpheus, als einen Traumgott, nicht als ein Allegorisches Gespenst der Träume, vorstellt. Ich danke es den Dichtern der Freude, und des Amors, daß sie diesem Gotte, dieser Göttin nicht, als Gespenstern eines abstrakten Begriffes, zu gut allegorisiren, sondern lieber einem Gotte der Liebe, einer Göttin der Freude zu Ehren singen. Jenes wird ein trockner Eichenkranz von symbolischen Prädicaten, dies eine Reihe von Empfindungen, die einem solchen gedichteten Wesen überhaupt geziemen – ein merklicher Unterschied!
Wenn Hagedorn der Freude singet, bleibet er freilich nicht mit jedem Zuge der Allegorie treu, und wollte es auch nicht bleiben. Seine Freude ist ihm eine Göttin, der das Vergnügen gefällt, nicht ein Allegorisches Gerippe derselben. Er kann sich also denken, daß sein Lied »dieselbe vergrößere, daß sie das Glück der Welt, die Kraft der Seele, das halbe Leben sei; daß sie die Vernunft erheitere, u.s.w.« Prädikate, die der Freude überhaupt zukommen, nicht aber dem personisiirten Begriffe derselben, der Freudengöttin, der Hagedorn frohe Empfindungen opfert, nicht dem Allegorischen Wortgemälde – –