haben, als vor einer unverdorbnen Jugendseele! Unter einer Menge beobachtender Jünglinge ist man vor den Schranken des schärfsten Publicums. – –
Dies alles an seinen Ort gestellt, ist hier die Frage: ob man bei Dichtern, als Dichtern, vorzüglich auf Bemerkung ihrer Scham und Reinigkeit ausgehen? ob der poetische Kunstrichter zuerst ein Zuchtrichter seyn solle? Und das, glaube ich, soll er, vermöge Poetischer Zwecke, und des poetischen Gefühls halben, nicht. Ich verstehe Hrn. Kl. nicht, wenn er sagt:3 quanta enim stultita est, ea de se commemorare facinora, quæ si quisquam alius a nobis patrata esse diceret, cœlum commoveremus & terram, injuriamque nobis fieri clamaremus, gravi pœna expiandam, maculamque omni modo delendam nostræ famæ inuri? Hujus tamen bonæ famæ cur ipsi negligentes sumus? Denn Hr. Kl. wird doch nicht die bona fama eines Poeten für den Inhalt halten, den er besinget? Er wird doch nicht Leßings dann fama darnach beurtheilen, wenn er singt:
Es donnert. Ja es donnert sehr.
Weg mit dem Weine! Was? nicht trinken?
Nein, Bruder! nein! der Heuchler Heer
Mag knechtisch auf die Kniee sinken u.s.w.
Nicht seine bona fama daraus beurtheilen, wenn er an seiner Angelika nichts auszusetzen findet, als – –
– – Einen Fehler treff' ich an,
Der alles nichtig macht.
Sie liebet ihren Mann.
Nicht seine bona fama daraus beurtheilen, wenn er mit dem Tode capituliret, ein und kein Türke sein möchte, Alexanders Wunsch nachahmet, der Faulheit Loblieder singet u.s.w. Denn sonst, wenn Lessing Klotz wäre, certe cœlum commoveret & terram, injuriamque sibi fieri clamaret, gravi pœna expiandam, maculamque omni modo delendam suæ famae inuri; quod quisquam alius a nobis patrata esse diceret, quæ de nibis facinora ipsi commemorabamus. Unglück gnug aber, daß Lessing, Gleim, Uz, Weiße, Gerstenberg, Wieland auf solche bonam famam nicht achteten.
Es wäre doch recht artig, wenn künftig ein Lobredner unsres Deutschen Anakreons der bonæ famæ desselben ein solches Ehrendenkmaal aus seinen anakreontischen Liederchen erbauen wollte, als Hr. Harles aus einigen sehr charakteristischen Stellen der klotzischen Gedichte, da er sich selbst, als Held, als Freund, als Gelehrter, als Weiser, als Dichter etc. mit dichterischer Offenherzigkeit preiset, sehr ernsthaft und bündig hat errichten wollen4 – – armer Gleim! wehe alsdenn deiner bonæ famæ!
»Schon in seiner Jugend, wird der Biograph desselben sehr avthentik erzälen: schon in seiner Jugend zeigte sich in Gleimen der üppige Hang zum weiblichen Geschlechte, der ihm seine meisten Gedichte nachher eingegeben. Als sein Vater ihn die edle Rechenkunst5 nach Pfunden und Thalern, und Winspeln und Centnern, und die güldene Regel-de-Tri lehren wollte, dachte der unartige Knabe schon an nichts, als Mädchen. Nichts sobald lernte er, als spielen, küssen, und war nachher schamlos gnug, andre in diese Schule einzuladen, und ihnen dies, als die erste Lection, anzupreisen.6 Seine Eltern wollten, nach christlicher Zucht und Ermahnung,7 ihn zu etwas Nützlichem anhalten: seine fromme und christliche Mutter bestimmte ihn zum ehrwürdigen Seelsorger: sein Vater zum Mediciner; aber nichts lernte der Knabe. Er bestimmte ihn zum Advocaten; auch da waren ihm nur die Händel der Verliebten sein Kram, und wer weiß, wie manche ungerechte Vertheidigung, um eines schnoben Lohnes willen – – doch ein Christ soll nicht lieblos urtheilen. Nur dauret mich das eigne Geständniß dessen, das er an sich selbst zu rühmen waget: Sein ganzes Geschäfte8 schlafend, träumend, wachend, ist an Mädchen denken; ja oft, bekennet er, habe das Rauschen der Küsse ihn zum Schlafe einwiegen müssen – wer weiß, was vorher gegangen? Selbst nicht die schönste Gegend, und die schöne Gesellschaft eines Kleists war dem Verwöhnten zum Vergnügen nicht gnug ohne seine Doris:9 denn an dieser, und am Weine hieng sein Herz und seine Seele. In solcher Denkart ist es nicht zu bewundern, daß ihm insonderheit die Diener Gottes im Wege sind:10 denn die werden zu seiner Uepigkeit nicht stille geschwiegen haben; aber der Wohllüstige suchte sich lieber zu verhärten. Sein böses Gewissen mag ihm wohl zuweilen zugesetzt, haben; aber er entschlägt sich dem Geschrei desselben; er spottet über Hölle und Teufel;11 er scherzt mit dem Tode,12 wird aber seinen Spott unter den Händen desselben theuer gnug haben bezahlen müssen. Er verlacht den Eifer der Gottesgelehrten, und. hat sich eine Moral von Lebenspflichten13 gezimmert, die atheistisch, gottlos, und der ganzen menschlichen Gesellschaft schädlich ist, und die wir anführen wollten, wenn wir es nicht für unsre Christenpflicht hielten, uns fremder Sünden nicht theilhaftig zu machen. Ja, wenn doch nur die blühenden Jahre unsers gefährlichen Schriftstellers mit solchen Tändeleien fort gegangen wären; nun aber wählt er sich noch u.s.w. – –«
BONÆ. FAMÆ. POETÆ
FRIDERICI. GUILIELMI. GLEIMI
HOC. MONVMENTVM
AD. REGVLAM. POETICO. CRITICAM
VIRI. PERILLVSTRIS
CHRISTIANI ADOLPHI KLOTZI
POSVIT, A.
Gewiß! so wenig sich Bruder Yorik auf die casuistischen Streitfragen seines Didius, und auf die Subtilitäten des alten Grüblers Shandy verstehen wollte: so unlieb will ich bei meinem Worte gehalten seyn, um jeder kleinen Schnurre von Gedichte ihre Moral und Keuschheit vorzuzeichnen, es bei dem frommen Wieland auszumessen und auszuwägen, wie viel Grade Christliche Zucht in seinen komischen Erzälungen, oder, wie viel Quentchen unschuldige Einfalt in Rosts Schäferstunden enthalten seyn mögen. Der Letzte ist gestorben, aber den bösen Wieland, Uz, Gleim und Lessing empfehle ich zur frühzeitigen Büßung und Bekehrung, bei Hrn. Klotz14 die Todesangst, und die reuige Palinodie eines Campans, den bußfertigen letzten Wunsch des La-Fontaine, das schreckliche Ende der lüderlichen Leute Regnier und Grecourt, und die scharfe Epanorthose des Beichtvaters Young zu lesen, und thränendwäßrige Bußlieder, oder bis zum Gähnen erbauliche Kirchengesänge, als Opfer – doch ich bin ja kein Casuiste.
Alle rührende Todesfälle und Bußgedanken übergangen, nehme ich bei Herr Klotzen nur Eins in Anspruch, daß die bona fama, ehrlicher Dichter nicht nach ihren Gesängen beurtheilt werden müsse, daß sie seit ewiger Zeit das Privilegium von ihrem Lügengott Apollo empfangen, Dinge von sich selbst sagen zu können, die ihnen kein andrer, der bonae famae wegen, nachsagen darf: und daß man ihnen, diesen leichtsinnigen Schleuderern von Einfällen, eben nicht durchaus den Rücksprung wehren dörfe, den Teurer hinter den Schild Ajax nahm: castum decet poetam, versus etc. daß es wenigstens immer einen wesentlichen Unterschied zwischen der Sittlichkeit der Verse und des Lebens gebe u.s.w. Wer mit diesen Rettungen nicht zufrieden ist, wende sich an das Archiv des Apollo, wo er das Original des Privilegiums findet.
Ich rede als Privatleser fort. Dichter, als Dichter, macht sich anheischig, uns auf eine oder die andre Art mit einer Fiction zu täuschen, täuschend zu vergnügen, dies ist sein Gesetz: Und dahin streben auch seine Zwecke, er mag Charaktere schildern, oder die Fabel dichten, oder die Rede bestimmen, oder selbst reden: Und da hinaus soll er auch beurtheilet und gelesen worden. Nehmet ihr denn, kann er sagen, mein Gedicht zur Hand, um Beichtväter meines Lebens abzugeben,