Schreiber vs. Schneider

Paarcours d'amour


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      ERIch schaue mir auf dem Computer alte Fotos von uns an, spasseshalber, optische Reisen, die mir guttun. Ich staune, wie jung ich vor zehn Jahren noch ausgesehen habe. Aber nicht nur ich, auch Schreiber. Das Leben hinterlässt seine Spuren. Ich stelle mir vor, wie ich in zehn Jahren Fotos von heute ansehe und womöglich wieder dasselbe denke …

      Ich muss sehr versunken gewesen sein, merke erst jetzt, dass Schreiber hinzugekommen ist. Doch sie blickt nicht auf den Bildschirm, sondern mir ins Gesicht. Sie sagt: »Warum machst du so einen verkniffenen Mund?«

      »Bitte?«

      »So schmallippig irgendwie, verbissen. Diesen Mund machst du häufig, wenn du dich vergisst.«

      Hoppla. Ich lockere ganz schnell meine Gesichtsmuskulatur. Schreiber nickt und sagt: »Schon besser.« Dann fügt sie an: »Und wenn ich mal seltsam gucke, sag’ es mir bitte sofort. Ich will nicht, dass wir unser Gesicht verlieren. Und schon gar nicht will ich grimmig aussehen. Abgemacht?«

      Als wir am Abend mit Ida in der Küche sitzen und diese uns von der Schule erzählt, fragt Ida plötzlich: »Mama? Alles in Ordnung?«

      Schreiber ganz erstaunt: »Ja, klar, ich höre dir zu, warum?«

      Ida: »Weil du so grimmig schaust.«

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      SIEIch bin ertappt. Warum blicke ich verdriesslich, wenn ich entspannt bin? Ich sollte doch zufrieden gucken, wenn es mir gut geht. »Danke, Ida, für deine Beobachtung. Jetzt muss ich mehr an meiner Mimik arbeiten«, sage ich und lächle: »Habe da noch Tipps auf Lager aus der Schauspielschule damals in New York.« Schneider und Ida sollten jetzt fragen, welche das wären. Tun sie aber nicht. Egal, ich verrate sie ihnen dennoch: »Einer geht so: Lache, auch wenn dir nicht danach ist. Das Gefühl folgt deinem Gesichtsausdruck.«

      Ich mache es vor. Schneider: »Sieht voll künstlich aus. Wie geliftet.« – »Okay, ich arbeite daran«, sage ich, grinse mit äusserstem Einsatz und siehe da, wir brüllen los. Alle drei. Köstlich!

      Später, beim Zähneputzen im Bad, zeige ich Ida eine andere Übung: »Grosses Gesicht, kleines Gesicht.« Ich reisse die Augen auf, den Mund, alles wird RIESENGROSS. Dann wechsle ich zur Minischnute, kneife die Augen zusammen und zerknautsche mein Gesicht so klitzeklein wie eine Rosine. Fühlt sich herrlich an. Ida beobachtet mich im Spiegel, schüttelt den Kopf und verlässt das Bad: »Echt, Mama, das ist zu viel.«

      Sie hat tatsächlich recht, ich sehe komplett doof aus. Aber immerhin nicht grimmig.

       »Du klingst aber gereizt.«

      Schiefer Leuchtensegen

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      ERSchreiber hat eine neue Pendelleuchte für unseren Esstisch gekauft. Eine hohle Halbkugel, aussen weiss, innen goldfarben, erinnert irgendwie an eine Satellitenschüssel. Sie strahlt: »Ein Designerstück. Aber nicht teuer!«

      Dann blickt sie an die Decke und fragt: »Soll ich den Elektriker anrufen?«

      »Ich kann das«, antworte ich und stelle als Erstes fest, dass das Stoffkabel an der neuen Leuchte zu kurz ist. Na, toll!

      In der Werkstatt liegt irgendwo ein altes Plastikkabel, das kann ich provisorisch verwenden, bringe Lüsternklemmen und Abisolierzange mit zurück, knipse das Stoffkabel zweimal durch, schabe mir mit dem Schraubenzieher den Finger auf, fluche, ein Kupferdrähtchen bohrt sich schmerzhaft unter meinen Fingernagel, zum Schluss sieht die Kombi aus Plastik- und Stoffkabel scheusslich aus.

      Schreiber flötet aus der Stube: »Kann ich helfen, du atmest so laut?«

      »Ich atme ganz normal«, sage ich.

      »Du klingst aber etwas gereizt.«

      »ICH BIN NICHT GEREIZT!«

      »Also doch«, sagt sie, taucht in der Küche auf und guckt. »Hast du die Sicherung rausgenommen?«

      »Für wie doof hältst du mich?«

      »Gar nicht, ich will dich einfach nicht verlieren.«

      »Mich?« Ich lache gallig, verloren geht hier anderes: Geduld und Nerven.

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      SIEIch finds toll, dass Schneider unsere neue Lampe schwupps montiert. Früher hat so etwas bei ihm Jahre gedauert, jetzt legt er sich flott ins Zeug.

      Allerdings seufzt er etwas oft. Ausserdem rennt er ständig in die Werkstatt und bringt irgendwelche Ersatzkabel zurück, weil das an der Lampe zu kurz sei. Das wusste ich, darum wollte ich ja auch den Elektriker.

      Schneider steht unterdessen auf dem Küchentisch, fuchtelt, seufzt, flucht. Dann faucht er, dass ich einen völlig unüberlegten Kauf gemacht hätte, dass wir uns länger hätten Zeit lassen sollen, dass er hätte dabei sein müssen.

      Nun, ich bin halt spontan. Und ja, Hängeleuchten sind eine Wissenschaft für sich. Deshalb habe ich ja auch kein teures Teil gekauft. Und sowieso: »Falls sie nicht passt, tausche ich sie um«, sage ich.

      »Geht nicht, ich habe das Stoffkabel zerschnitten.«

      Das ist jetzt echt ärgerlich, denn sooo günstig war sie nun auch wieder nicht. Schneider fixiert einen Haken an der Decke, hängt die Lampe dran, klettert vom Tisch.

      Wir gucken beide hin. Die Lampe hängt komplett schief. Schneider schimpft: »Die passt überhaupt nicht zum Raum.«

      Ich sehe das anders: »Wenn wir den Raum schräg stellen, könnte es gehen.«

       »Stört es euch?«

      Unbunt

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      ERSie sind mir erst kürzlich aufgefallen. Ich wollte etwas sagen, aber da klingelte das Telefon, und Schreiber ging dran. Seither habe ich noch ein paarmal hingeschaut, aber der Zeitpunkt, um mich dazu zu äussern, passte nie. Muss ja auch nicht sein. Gehören irgendwann einfach dazu. Bei mir spriesst es ja auch in Grau und noch dazu nur noch spärlich. Ist auch nicht so wichtig, es geht um Liebe und nicht um die Haarfarbe, die jetzt …, ja wie nennt man diesen Ton eigentlich genau? Unbunt?

      »Mama, du hast total graue Haare am Ansatz! Da beim Scheitel«, ruft unsere Tochter beim Frühstück und zeigt mit dem Finger auf Schreibers Kopfhaut. »Krass!«

      Schreiber schluckt, dann lacht sie etwas wacklig und meint: »Ja, die sind ganz schnell gekommen. Quasi über Nacht.«

      Wir nicken.

      »Stört es euch?«

      Unsere Tochter schüttelt den Kopf, ich auch, dann blickt sie zu mir: »Dass du nie was gesagt hast? Ich dachte schon, du traust dich nicht, darüber zu reden, dass ich grau werde.«

      Ich weiss nicht, was ich sagen soll.

      »Bitte, wenn dich an mir etwas irritiert, dann sprich darüber. Sonst verunsichert mich das. Nichts zu sagen, finde ich nämlich richtig schlimm«, fährt sie fort.

      Nun, dann sage ich jetzt doch etwas.

      Am besten ganz schnell.

      Aber ich weiss einfach immer noch nicht, was.

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      SIEJetzt ist es draussen! Mir sind die silbrigen Haare an meinem Scheitel