Schreiber vs. Schneider

Paarcours d'amour


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an einem Velo –, trete in die Pedale und visiere einen neuen Geschwindigkeitsrekord an.

      Als ich kurz danach beim Restaurant eintreffe, sehe ich Schreiber weit oben im Zeitlupentempo abwärtsrollen. Meine Spassbremse! Ich glaub’, ich sollte öfter allein auf Tour gehen.

       »Mist, das wird teuer!«

      Win-win!

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      ERUnser Auto steht vor dem Haus, und ich sehe mit Schrecken, dass auf der Beifahrerseite ein langer Kratzer prangt. Nicht schon wieder, denke ich, denn erst kürzlich habe ich eine kostspielige Schramme in den Lack geritzt. Der neue Kratzer muss wohl vor ein paar Tagen passiert sein, da bin ich zu nah an unsere Kletterhortensie geraten. Ich hörte, wie die Äste am Auto entlangschabten. Gedacht habe ich mir dabei nichts.

      Nun habe ich die Bescherung. Weiss jetzt schon, dass Schreiber sagen wird, ich würde zu wenig aufpassen und schlampig mit dem Auto umgehen. Sie nimmt jeden Katzer persönlich, weil es symbolisch gesehen ihr Auto ist. Sie wollte diesen VW-Bus. Mir sind Autos viel weniger wichtig, wichtig ist bloss, dass sie fahren.

      Ich untersuche den neuen Kratzer.

      Vielleicht – hoffentlich – ist er nur oberflächlich? Ich hole einen Lappen und poliere. Dann rubble ich. Wie ein Wilder. Nützt nichts, der Lack ist ab.

      Hm. Ich werde besser mal noch ein bisschen abwarten, bis der perfekte Zeitpunkt eintritt, um Schreiber davon zu erzählen. Hoffe nur, dass sie die Schramme nicht vorher entdeckt. Wobei: Grad jetzt kurvt sie mit dem Velo auf den Vorplatz. Also. Rein in die Höhle der Löwin.

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      SIEIch kehre zurück vom Einkaufen, Schneider steht mit einem Lappen neben unserem Auto und putzt. Wie toll, dass er sich auch mal darum kümmert. Denn normalerweise bin ich diejenige, die das Auto in Schuss hält. Normalerweise …

      Er grinst seltsam.

      Ich denke: Nanu?

      Er sagt: »Du, ich muss dir was sagen.«

      Ich steige ab: »Ja? Was denn?«

      Dann erzählt er mir von der Hortensie, von Ästen, voll in Eile und einem Kratzer. Bevor er sich auch noch entschuldigen will, unterbreche ich ihn, denn sonst wird das Ganze einfach zu peinlich.

      Zu peinlich für mich.

      Ich also: »Halt! Stopp! Das ist gar nicht dein Kratzer! Den habe ich gemacht. Als ich vor ein paar Tagen unterwegs war, habe ich beim Einparken eine Absperrung auf der Seite übersehen. Bin daran entlanggeschrammt. Ich wollte es dir ja sagen. Irgendwann halt. Tut mir echt leid.«

      Er strahlt.

      Ich sage: »Mist, das wird teuer.«

      Er strahlt weiter und sagt: »Och, das macht doch nichts!«

      Tolle Reaktion, finde ich.

      Er: »Weisst du, ich bin so froh, dass das dir und nicht mir passiert ist.«

      Super! So gesehen, ist ein Kratzer grossartig für die Beziehung: Schneider ist erleichtert, dass er nicht schuld ist, und ich bin erleichtert, dass er nicht sauer auf mich ist.

       »Wo ist vorne?«

      Parkassistentin

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      EREs ist früher Freitagmorgen, als wir auf den weiten Parkplatz des Baumarktes fahren. Es stehen kaum Autos herum, wir haben freie Wahl, und ich steuere entspannt über den Asphalt den hinteren Teil des Geländes an. Dort habe ich beim letzten Mal eine neue, wenig benutzte Ausfahrt entdeckt.

      »DA!« Schreiber schnellt auf dem Beifahrersitz hoch: »SCHAU!«

      Ich erschrecke fürchterlich, obschon sie nicht bedrohlich klingt, sondern so, als hätte sie sechs Richtige im Lotto erzielt. Ein kurzer Kontrollblick zur Seite eröffnet mir aber, dass wir nicht etwa auf einmal steinreich sind, im Gegenteil: Schreiber hat bloss das ultimative Parkfeld entdeckt, ein offenbar eigens für uns geteerter Fleck.

      Sie haut den Zeigefinger ans Seitenfenster: »HIER! FAHR HIER REIN!«

      Tatsächlich trete ich unwillkürlich auf die Bremse; ein Reflex, ausgelöst durch die Lautstärke ihrer Forderung. Ich reisse das Lenkrad herum, unmittelbar danach übernimmt mein klares Denken wieder die Kontrolle und sagt mir, dass es absurd sei, was gerade geschehe. Richtig! »Weisst du«, knurre ich Schreiber an, »ich wollte nie ein Auto mit Parkassistent. Aber irgendwie vergesse ich immer wieder, dass du neben mir sitzt!«

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      SIESchneider regt sich auf und schimpft: »Traust du mir nicht zu, einen Parkplatz zu finden?«

      Naja, er stellt sich auch in anderen Dingen nicht immer nur geschickt an. Ich sage: »Ich will doch nur helfen.«

      »Helfen?«

      »Ja! Während du am Steuer sitzt und dich konzentrierst, sehe ich einfach mehr. Zum Beispiel diesen Parkplatz, an dem du nun fast vorbeigefahren wärst. Der ist nämlich perfekt, weil hier die Wägelchen stehen«, erkläre ich.

      »Wägelchen? Wir holen einige Schrauben, da wäre ein Korb noch zu viel«, antwortet er – und gibt wieder Gas. Nur um ein paar Meter entfernt auf einem Parkplatz seiner Wahl zu landen.

      Kindisch, echt.

      »Und, geht es dir jetzt besser?«, will ich wissen.

      Er mosert: »Es nervt, dass du befiehlst, wo ich parken soll!«

      »Ich befehle nicht, ich empfehle. Und du hast doch grad eben gesagt, ich sei deine Parkassistentin …«

      Er schnauft und sagt: »Ich habe doch nicht dich gemeint! Ich habe diese elektronischen Ultraschallsensoren gemeint, die das Auto selber in die Lücken hineinmanövrieren!«

      »Ach, und so eine wäre die lieber?«, frage ich.

      Er zieht den Schlüssel aus der Zündung und sagt: »Nein, aber die könnte ich wenigstens auf lautlos stellen.«

      Herzdame

       ICH MACH MIR DIE WELT, WIE SIE MIR GEFÄLLT.

       Pippi Langstrumpf

       »Hier, nimm die Schlafbrille!«

      Der längste Tag

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      EREin gemeinsames Schlafzimmer hat Gutes, aber nicht nur: Zum Beispiel ist das Lichtbedürfnis von Schreiber und mir sehr unterschiedlich. Ich mags rabenschwarz, sie taghell.

      »Hier, nimm die Schlafbrille, so wirds zappenduster«, sagt sie, als sie beim Insbettgehen die Rolläden aufmacht und die Strassenlaternen ihr grelles Licht in unser Zimmer schleudern.

      Schlafbrille! Wann kapiert sie, dass eine Schlafbrille sich bei jeder Drehung verschiebt? Die hing mir morgens auch schon am Kinn. »Schlafbrillen prinzipiell nur im Flugzeug!«, sage ich. »Und unser Bett ist kein Jet.«

      »Sei nicht heikel. Ich kenne viele Leute, die damit schlafen.«

      »Ach, wen denn?«

      »Na, ja, viele ist etwas übertrieben«, gibt sie kleinlaut zu. Es ist zum Verzweifeln. Unsere