Johannes Aisch

Bienenbuch für Anfänger


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die Sonne höher steigt, schon im Februar, beginnt das Leben im Innern des Winterknäuls auch zu steigen. Die Arbeiterinnen putzen ein paar Zellen, die sich auf einer Wabe gegenüberliegen, und veranlassen Ihre Majestät, die ersten Eier hineinzulegen. Mit steigender Wärme wird der Fleck kreisförmig vergrößert. Ist er groß genug, so geht die Königin auf die Nachbarwaben und allmählich immer weiter, so dass das Brutnest in Kugelform ausgedehnt wird.

      Für die Ernährung der Arbeiterinnen und der Brut werden nun ganz beträchtliche Mengen Futter verbraucht, und zwar Honig, Blütenstaub und Wasser. Wenn lange kein Flugwetter ist, kann dadurch ein Volk in Not und Gefahr kommen. Ist aber erst der Mai ins Land gezogen, blühen viele Blumen in warmem Sonnenschein und sind die Wasserlachen und Gräben durchwärmt, treten auch die inzwischen ausgeschlüpften jungen Bienen mit in die Arbeit ein, dann geht im Volk ein gewaltiges Schaffen an. Bald ist der Bau zu eng für alle Bienen. Sie führen neue Waben auf. Der Imker erweitert die Wohnung und regt dadurch zu neuer Entwicklung an. Gibt es dabei noch in der Natur gute Tracht, dann fühlt sich das Volk auf der Höhe seiner Kraft, es wird mannbar. Die Bienen bauen eine größere Art Zellen, wo nur irgendein Fleckchen frei ist, und Frau Königin bestiftet sie mit Drohneneiern. Jetzt sind die Vorbedingungen zur Fortpflanzung gegeben. Eine dritte Art Zellen wächst wie hängende Eichelnäpfchen aus dem Bau heraus. Das sind die Weiselwiegen. Die Königin belegt sie mit denselben Eiern, aus denen sonst die Arbeitsbienen entstehen. Unter besonderer Pflege und Ernährung mit Königinnenfutter entwickeln sie sich aber zu vollreifen Geschlechtstieren, zu Weiseln. Auch schon ausgeschlüpfte, 2 bis 4 Tage alte Maden werden mit diesem Futter versehen; über ihnen werden nachträglich die Weiselzellen erbaut, so dass davon ein reicher Vorrat vorhanden ist. Die Königin stellt das Eierlegen ein und das Schwärmen kann beginnen. Sieben Tage, ehe die junge Königin reif ist, sondert sich ein Teil des Volkes, der Vorschwarm, ab. Erst saugen sich die Bienen voll Honig, und dann: in dichtem Gedränge zum Fluglochhe raus! Die alte Königin schieben und zerren sie mit sich. Wie im Rausche durcheilen sie die Luft hin und her in hellem Jubel, dem Schwarmton.

      Nicht gar weit davon fangen sie an, sich im Schatten eines Baumes oder Strauches zu sammeln. Biene fliegt zu Biene, eine klammert sich an die andere, bis schließlich eine dicke Bienentraube an einem Ast hängt, oder ein Wust sich zum Ärger des Imkers an einem Stamme entlang zieht. Hat sich die Königin auch zur Sammelstelle gefunden, dann tritt bald Ruhe ein. Nach wenigen Stunden jedoch wird der Schwarm wieder unruhig und auf und davon geht der Flug zu einem Platz, den schon vorher findige Sendlinge, die Spürbienen, als geeignet zur Wohnung auskundschaftet hatten.

      Das Muttervolk ist jetzt ohne Weisel. Umso sorgsamer pflegt es die Weiselzellen. Am siebenten Tage ist die erste Zelle reif. Die junge Majestät entsteigt ihr, begrüßt von dem Volke. Aber kaum hat sie ihren Thron bestiegen, da treten schon andere Thron-Prätendenten auf. Auch andere Zellen werden reif. Die dort eingeschlossenen Königinnen wollen sich herausnagen, werden von den Bienen jedoch gehindert, wohl aber durch die Öffnung gefüttert. Voller banger Unruhe läuft die ausgeschlüpfte junge Majestät im Volk umher und lässt einen eigentümlichen Laut ertönen, wie ein lang gezogenes »tüt,tüt, tüt«. Sie drückt sich dabei fest an die Wabe und stößt die Luft aus den Atmungslöchern aus. Die eingeschlossenen Rivalinnen machen es in ihren Kerkern ebenso. Dumpf tönt es wie ein kurzes »quä, quä, quä« als Antwort auf das »tüt«. — Mancher Imker hat sich an ruhigen Mai- und Juniabenden still zu seinen Bienen gestellt und hat dem Konzert zugehört. Es liegt ein eigener Reiz darin, diesen Tönen aus der Verborgenheit der Natur zu lauschen. Auch der ärgste , Schwarmverhinderer freut sich, wenn er sie hört.

      Ist am nächsten Tage schönes Wetter, und passt es den Bienen, so geht schon am Vormittag der Nachschwarm aus dem Volke und mit ihm die zuerst ausgeschlüpfte Königin. In dem Trubel des Schwärmens aber brechen die Quäkerinnen, manchmal ein halbes Dutzend und mehr, aus ihren Kerkern aus und machen den schönen Reigen mit — zu ihrem Schaden. Hat sich der Schwarm angesetzt, so werden alle Königinnen bis auf die tütende gemordet. Der Schwarm bleibt dazu bis zum nächsten Morgen hängen, ehe er zu seiner neuen Wohnung eilt.

      Auf dieselbe Weise können noch mehr Nachschwärme fallen. Sie werden immer kleiner. Wenn in einem Volke ein rechter Schwarmteufel steckt, ist zuletzt der Schwarm und das Volk nichts mehr wert.

      Sache des Imkers ist es, die Schwärme nicht fortfliegen zu lassen, wie sie wollen, und ihre Zahl zu beschränken; doch davon später.

      Wir verfolgen jetzt erst unseren Vorschwarm und nehmen an, dass er hoch oben im hohlen Stamm einer alten Eiche ein passendes Plätzchen gefunden hat. Die Königin will natürlich schnellstens wieder in die Eierlage treten, sie braucht also Bau. Die Bienen gehen sofort ans Werk. Der Honig, den sie mitnehmen, reicht für drei Tage aus. Von diesem Vorrat können sie ein Stück schneeweißer Wabe aufführen, auch den Rest des Vorrats gleich hineingießen, und amnächsten Tage schon auf Tracht fliegen. Ist diese reichlich, so kann in vierzehn Tagen ein glänzendes Wachsgebäude von lauter Arbeiterinnenzellen aufgebaut und zum größten Teil schon mit Brut und Eiern belegt sein. Ehe vier Wochen vergehen, kommen schon die ersten jungen Bienen aus, und im Herbst ist aus dem Schwarm ein großes Volk geworden, ja es kann noch einmal einen Schwarm mit der alten Königin, den Jungfernschwarm, abgeben und sich noch einmal zu einem neuen Volk entwickeln.

      Was wird inzwischen aus dem Muttervolk und den Nachschwärmen? In einem Stück sind sie beide gleichartig: sie haben nämlich eine junge unbefruchtete Königin, daneben Drohnen und Arbeiterinnen in allen Altersstufen. Das Muttervolk ist insofern günstiger gestellt, als es nicht nur den fertigen Bau und Vorrat im eigenen Hause hat, sondern noch dazu die junge auslaufende Brut und damit viel lebensfrisches Volk. Doch da keine befruchtete Eierlegerin im Stocke ist, so gehen beide einer zunächst unsicheren Zukunft entgegen. Der Nachschwarm baut auch sofort Wabenwerk aus Arbeiterzellen, aber nicht so eilig wie die Vorschwärme, weil ja zunächst noch keine Brut vorhanden ist. Das Muttervolk beseitigt etwa noch vorhandene Weiselzellen und tötet die darin enthaltenen Prinzessinnen durch einen barmherzigen Stich. Aber dann ist es Zeit, dass die junge Majestät sich einen Prinzgemahl erkiese. Am dritten Tage nach der Geburt fliegt sie im Mittagssonnenschein aus, vorsichtig die Heimat und die Umgegend betrachtend. Findet sie keine Drohne, die sich zu ihr gesellt, so wiederholt sie den Ausflug. Wie ein Pfeil schießt sie davon, weit fort vom eigenen Volk. Die Weisheit der Natur will sie vor Inzucht bewahren und Blutauffrischung herbeiführen. Meist gelingt es der Königin mit einigen wenigen Ausflügen, ihren Hochzeitsflügen, dem Volke einen König zu geben. Er muss für diese Ehre sein Leben lassen. Die Königin ist für ihre ganze Lebenszeit ein für allemal befruchtet und von jeder weiteren Liebesfreude ausgeschlossen. Ein achtsamer Imker erkennt die Befruchtung der Königin an dem kleinen weißen Fähnchen, das sie von ihrem Hochzeitsflug heimträgt — das abgerissene Glied der Drohne. Die Bienen entfernen es bald von der Mutter. Nach weiteren vier Tagen finden wir die ersten Eier. Nach drei Tagen schlüpfen daraus die ersten Maden aus, nach wieder sechs Tagen ist die erste Brut verdeckelt, am einundzwanzigsten Tage schlüpfen die jungen Bienlein aus und alles ist in schönster Ordnung.

      Aber, o weh, wenn das Wetter so schlecht ist, dass die Königin nicht zum Ausflug kommt, oder wenn ein körperliches Gebrechen sie daran hindert! Sie bleibt unbefruchtet. —- Nach einiger Zeit fängt sie dennoch an, Eier zu legen, also unbefruchtete Eier, und merkwürdigerweise entstehen daraus auch Maden, sie werden verdeckelt, schlüpfen aus, und nun tritt das Unglück zutage: nichts als Drohnen werden geboren. Der kundige Imker freilich hat schon vorher den Schaden entdeckt. Weil die dicken Drohnen nicht Platz hatten in den für Arbeiterinnen gebauten Zellen, so mussten die Deckel mit einem Buckel hochgewölbt werden, Diese »Buckelbrut« ist jedes Mal ein großer Schmerz für den Imker. Sie bedeutet, dass das Volk rettungslos dem Aussterben verfallen ist, wenn nicht schnelle Hilfe einsetzt. Und auch dann noch ist sie ein schwerer Schaden.

      Noch schlimmer freilich ist das Übel, wenn die Königin ganz verloren geht auf dem Hochzeitsfluge. Über kurz oder lang findet sich auch da noch Brut. Der Arterhaltungstrieb ist so groß, dass sich in solchem grimmen Notfalle die Arbeiterinnen auf ihr Geschlecht besinnen. Jedenfalls werden einige von ihnen besonders gut gefüttert, die verkümmerten Eierstöcke entwickeln sich so weit, dass Eier entstehen. Doch da die Befruchtung fehlt, so werden aus diesen Eiern auch nur Drohnen geboren. Buckelbrut tritt auch hierbei auf. Die eierlegenden Arbeiterinnen nennt man »Drohnenmütterchen«.