Isabella Defano

Gefunden! Ein Traumprinz für Jessica


Скачать книгу

an.

      „Das kann ich gar nicht glauben, sie waren doch sehr gefragte Anwälte. Hatten deine Eltern denn keine Absicherung?“

      Jessica zuckte mit den Schultern.

      „Das hat mich Dr. Köhn auch gefragt. Vielleicht! Ich weiß es nicht. Über solche Dinge haben meine Eltern nie mit mir gesprochen.“

      „Hast du zu Hause schon alle Unterlagen deiner Eltern durchgesehen? Vielleicht findest du dort die entsprechenden Papiere.“

      Nur kurz schüttelte Jessica mit dem Kopf.

      „Ich konnte mich noch nicht dazu durchringen, etwas von den Sachen meiner Eltern anzufassen. Soweit bin ich noch nicht.“

      „Ich verstehe dich, doch leider kommst du da nicht drum herum. Jess, du kannst den Kopf nicht in den Sand stecken, sondern musst weitermachen. Ich kann dir auch helfen.“

      Kurz dachte Jessica über das Angebot ihrer Freundin nach. Eigentlich hatte sie keine Lust, sich die Papiere ihrer Eltern anzuschauen. Als Kind war es ihr immer verboten gewesen, im Arbeitszimmer ihrer Eltern etwas anzufassen. Und nun sollte sie dieses Verbot bewusst ignorieren? Jessica wusste, dass es dann kein Zurück mehr gab. Schließlich musste sie sich jedoch eingestehen, dass es jetzt keine Rolle mehr spielte. Ihre Eltern waren fort und würden nie wieder zurückkommen. Sollte es also wirklich noch irgendwo Versicherungsunterlagen geben, musste sie diese finden. Sonst würde sie nicht nur ihre Eltern, sondern ebenso ihr Zuhause verlieren. Schließlich nickte Jessica ihrer Freundin zu und gemeinsam verließen sie den Friedhof.

      Es dauerte nicht lange, bis sie an ihrem Elternhaus ankamen. Ihr Heim war ein wunderschönes und freistehendes Einfamilienhaus mit Garage, Terrasse und einem großzügigen Garten. Alle Zimmer waren mit Parkett und Fußbodenheizung ausgestattet und zusätzlich gab es sowohl ein Bad mit Wanne wie ein Gäste-WC. Früher als Kind kam Jessica das Haus immer wie ein Palast vor. Fröhlich war sie hier herumgelaufen und hatte ihre Kindermädchen in den Wahnsinn getrieben. Als sie dann mit sechs Jahren ins Internat sollte, weinte sie bitterlich. Sie wollte ihr eigenes kleines Königreich nicht verlassen. Erst, als sie in Marienhöhe Freunde gefunden hatte, fiel ihr der Abschied nicht mehr ganz so schwer. Trotzdem war sie jedes Mal überglücklich, wenn sie wieder nach Hause fahren konnte. Umso schrecklicher war die Vorstellung, dass sie dieses Heim möglicherweise schon bald an die Bank verlieren würde.

      Schweigend gingen die beiden Frauen ins Haus, während Jessica Carina sofort zum Arbeitszimmer ihrer Eltern führte. Als die Frauen den Raum betraten, musste Jessica gegen Tränen ankämpfen. Dieser Raum sah genauso aus, wie ihn ihre Eltern verlassen hatten. So, als würden sie bald wiederkommen. Lediglich die Fallakten waren verschwunden, denn kurz nach dem Tod ihrer Eltern hatten Kollegen die laufenden Fälle übernommen.

      Tief atmete Jessica durch, bevor sie sich zu ihrer Freundin umdrehte.

      „Also wenn es Unterlagen gibt, müssten sie hier sein. Meine Eltern haben immer alle wichtigen Papiere hier aufbewahrt. Du kannst dir ja den Schreibtisch meines Vaters anschauen und ich nehme den meiner Mutter.“

      Nach einem kurzen Nicken machte sich Carina schnell an die Arbeit. Jessica hingegen brauchte einige Minuten, bis sie damit begann, die ersten Schubladen zu öffnen. Fast eine Stunde lang suchten sie schweigend nach eventuellen Versicherungsunterlagen, bis Carina schließlich frustriert aufgab.

      „Hast du etwas gefunden, Jess? Also hier ist nichts.“

      Fragend sah Carina Jessica an, die sich gerade ein Blatt Papier anschaute. Als sie ihren fassungslosen Gesichtsausdruck sah, ging sie schnell auf ihre Freundin zu.

      „Alles in Ordnung mit dir?“

      Unbewusst begann Jessica, mit dem Kopf zu schütteln, während sie weiter fassungslos das Dokument in ihrer Hand anschaute. Schließlich hob sie den Kopf und sah Carina direkt an.

      „Ich wurde adoptiert!“

      Fast fünf Monate später

      Es war bereits Mitte November, als Jessica in der österreichischen Stadt Judenburg ankam. Laut den Adoptionspapieren, die sie vor einigen Monaten im Arbeitszimmer ihrer Eltern gefunden hatte, wurde sie hier adoptiert. Lange hatte sie mit sich gerungen, ob sie diesen Weg gehen sollte, denn immerhin lag die Geschichte nun schon fast 20 Jahre zurück. Doch am Ende siegte die Neugierde. Sie wollte einfach wissen, wer sie war.

      Kurz nachdem sie den Brief gefunden hatte, versuchte sie, die Wahrheit einfach zu verdrängen und irgendwie weiterzuleben. Da es keine Versicherungsunterlagen oder ähnliche Vorsorgemaßnahmen ihrer Eltern gab, wurde ihr Elternhaus zwangsversteigert. Wütend und fassungslos musste Jessica ihr Heim, in dem sie fast 20 Jahre ihres Lebens verbracht hatte, verlassen. Das Einzige, was ihr von ihren Eltern blieb, waren einige Fotos und der Schmuck ihrer Mutter.

      Aber Jessica hatte auch Glück. Aufgrund ihrer guten Noten hatte sie sich für ein Stipendium qualifiziert. Wie geplant, begann sie daher mit ihrem Jurastudium, um so in die Fußstapfen ihrer Eltern zu treten. Schließlich hatten sie sich genau das für ihre Tochter gewünscht und Jessica wollte sie nicht enttäuschen. Leider musste sie schnell erkennen, dass ihr dieser Studiengang überhaupt nicht lag. Sie hasste es, sich mit den eher trockenen Gesetzestexten befassen zu müssen. Lieber würde sie etwas Richtiges tun. Irgendwann musste sie der Tatsache ins Auge sehen, dass sie nun mal keine geborene Anwältin war. Nicht so wie ihr Vater, der bereits in dritter Generation Jura studiert hatte. Sie begann, ihr Leben und ihre Entscheidungen infrage zu stellen. Musste plötzlich immer wieder an ihre Adoption denken. Wieso wurde sie zur Adoption freigegeben? Wieso hatte ihre Mutter sie nicht gewollt? Wer waren ihre leiblichen Eltern? Hatte sie vielleicht noch Geschwister? All diese Fragen beschäftigten Jessica mit jedem Tag mehr und ließen sie nicht mehr los. Ihr Studium wurde immer unwichtiger und so beschloss sie, es abzubrechen und diesen Fragen auf den Grund zu gehen.

      Als ein anderer Reisender plötzlich mit Jessica zusammenstieß, kam sie in die Gegenwart zurück. Erst jetzt fiel ihr auf, dass sie sich immer noch auf dem Bahnsteig befand. Überall liefen andere Reisende hin und her, während ein Zug nach dem anderen ankam und wieder abfuhr. Um nicht weiter im Weg herumzustehen, ging Jessica den Bahnsteig entlang zum Ausgang. Dort setzte sie sich auf einen der Wartestühle und dachte über ihre weiteren Schritte nach.

      Die Entscheidung, nach Judenburg zu fahren, hatte sie ganz spontan getroffen, denn Jessica kannte sich gut. Sie war sehr gut darin, Dinge vor sich herzuschieben und erfand immer neue Ausreden. Wahrscheinlich hätte sie der Mut verlassen, wenn sie nicht sofort gefahren wäre. Oder die Eltern ihrer Freundin, bei denen sie gerade lebte, hätten es ihr ausgeredet. Trotzdem konnte sie ihre Zweifel nicht ganz abschütteln. Wie bereits die gesamte Fahrt über, fragte sich Jessica auch jetzt wieder, ob dies wirklich der richtige Weg sei. Immerhin besaß sie überhaupt keine Hinweise zu ihren leiblichen Eltern. Also, wo sollte sie anfangen zu suchen? Sie hatte nur ein altes Babyfoto aus ihrer Zeit im Krankenhaus. Schließlich stand sie auf und ermahnte sich selbst.

      „Ich werde bestimmt keine Antworten bekommen, wenn ich hier nur rumsitze. Das Jugendamt wird schon etwas wissen, was mir weiterhilft.“

      Alle Reisenden in ihrer Nähe schauten plötzlich zu Jessica hin. Erst jetzt wurde ihr bewusst, dass sie diese Worte laut ausgesprochen hatte. Verlegen verließ sie das Bahnhofsgebäude und machte sich auf den Weg. Sie würde ihre Antworten schon bekommen. Musste einfach wissen, wer sie war. Vielleicht konnte sie dann anfangen, ihr Leben neu zu ordnen.

      Es dauerte fast eine Stunde, bis sie vor dem Jugendamt ankam. Zwar hatte sie mithilfe ihres Smartphones schnell die Adresse herausgefunden, jedoch einmal leider den falschen Bus erwischt. Schnell ging sie hinein, denn bereits in einer halben Stunde würden die Sprechzeiten enden. Zu ihrem Glück war nicht mehr sehr viel los und bereits nach zehn Minuten wurde sie in ein Sprechzimmer gerufen.

      „Frau Neumann! Bitte setzen Sie sich. Mein Name ist Loreen Gerber. Wie kann ich Ihnen helfen?“

      Schnell setzte sich Jessica auf den angebotenen Stuhl. Nach kurzem Zögern begann sie, zu sprechen.

      „Ich