Charles Keller

Böse Welt


Скачать книгу

Anweisung gegeben haben musste – für diesen auffällig kurz angebundenen Umgang mit seiner Person.

      Nun ja, zudem war er ja auch keine fünfundzwanzig mehr – wie damals, nach einem Sportunfall – als sich die jungen Schwestern noch darum stritten, wer ihm am Morgen die Locken sortieren durfte – als er nach seiner offiziellen Entlassung noch drei Tage fürsorglich-liebevollster Nachsorge dranhängte – im benachbarten Schwesternwohnheim. Dennoch – mit kaum mehr als emotionsfreien Grußfloskeln bedacht zu werden, das stank schon ganz gewaltig zum Samariterinnen-Himmel und ließ sich auch keinesfalls auf personalnotbedingte Eile oder gar Stress schieben.

      Wer sich wiederum gar keinen Kopf zu machen schien, was allzu neugierige, folgenverdächtige Nachfragen anging, war der vor verbalistischer Eloquenz nur so strotzende Professor Ramminger – der unfehlbare Chefchirurg, Superstar und Aushängeschild der Klinik. Bekanntermaßen eher dem tüchtig vermögenswirksamen Privat-Klientel zugetan – und an all dem Ungemach natürlich im Geringsten nicht beteiligt – weidete der sich nun mit pathologischer Wonne an dem kleinen kassenärztlichen Missgeschick des jungen Kollegen. Bei jeder Visite hatte er eine andere Spitze parat.

      „War der überhaupt schon mal hier, bei ihnen, und hat sich das Elend angesehen!“, lautete die heutige blasierte Absonderlichkeit.

      Da die Frage zweifelsfrei rhetorischer Natur war – und als solche mit einem formidablen Ausdruck beispielloser Niedertracht garniert – gab’s von Gregor auch keine Antwort. Der Stationsarzt zählte unterdessen peinlich berührt die Fliegen an der Decke. Unverhohlene mimische Zustimmung zeigte sich alleine im überschaubar verschönernden Lächeln der kongenialen Skalpell-Amazone – Gregors stolzen Lebensretterin Dr. – äh – Dings.... – oder ....bums? – Ums Verrecken wollte sich deren Name nicht memorieren lassen.

      „Poh! Gott sei Dank haben wir das hinter uns!“, brachte der herzkranke Alfred die allgemeine Stimmung auf den Punkt, als die Tür ins Schloss fiel.

      „Das Pack ist weg – jetzt zieh ich mir erst mal gepflegt eine rein! Kommst du mit?“

      „Das glaubst du aber, mein Lieber!“

      In den folgenden Tagen wähnte sich der Rekonvaleszent auf einem guten Weg. Mit allen Freiheiten – gewährten wie selbst genommenen – ausgestattet, gewann sein Optimusmus nach und nach wieder die Oberhand. Und – wie er es auch aus dem eigenen Berufsleben nicht anders kannte, ging er einfach mal davon aus, dass sich die Herrschaften von der Heilerfront fortan tunlichst keine Blöße mehr geben wollten.

      „Sagen sie mal“, fragte er deshalb auch gut gelaunt und einigermaßen arglos die Stationsschwester, „.... ist wohl ein gutes Zeichen, wenn die Tabletten kleiner werden?“

      „Was werden die ....?“

      Mit weit aufgerissenen Augen starrte sie ihn an.

      „Kleiner ....“, antwortete er nun bald wieder kleinlaut, „seit gestern schon.“

      Auf Rädern wär’s gewisslich ein gellender Kavaliersstart geworden – die Tür zu schließen, reichte es jedenfalls nicht mehr – so, wie die Gute davonstürmte.

      Immerhin hätten sie ja vier von sechs Buchstaben im Nachnamen gemein – er und der todgeweihte 83-jährige Diabetiker im Nachbarzimmer, dem die veränderte Medikation auch heute kein Wort des Zweifels wert gewesen war.

      Eher als Rechtfertigung denn als Entschuldigung formuliert, entschuldigte Gregor dies kleine Versehen eben auch nicht – regte sich aber auch nicht sonderlich darüber auf. Einzig den anschließenden obligaten Ausflug ins Raucherparadies verlängerte man unverabredet auf knappe drei Stunden. Da Ärzte wie Pfleger diesen Ort mieden, war man nämlich alleine dort keinerlei klinisch generierten Gefahren für Leib und Leben ausgesetzt.

      Fortan waren der Aufenthalt im Allgemeinen und die Rückkehr vom Rauchen im Besonderen für Gregor nurmehr die komplette Auslieferung seiner selbst. Reinste Schicksalsergebenheit übernahm das Regiment über des Patienten emotionale Performance.

      Sogar der doch noch stattfindende Besuch des Radiologen – des ausgemachten Verursachers allen Übels – geriet zum harmonischen, vorwurfsfreien Kaffeeklatsch. Fast, dass er diesen auf einen Umstand angesprochen hätte, der ihm so nach und nach, und eben wieder – wohl zu geringfügigem, aber immer noch männlich-solidarischen Vergnügen – aufgefallen war. Mit allen jungen, hübschen Schwestern nämlich – und nur mit denen! – waren sie per du, die Herren Medikaster – gut, mit Ausnahme von Ramminger – aber ansonsten .... durch die Bank! Okay – bei der ursprünglich geplanten Verweildauer in der Klinik wär ihm das ja womöglich auch verborgen geblieben.

      Aber all diesen augenfällig munter vor sich hinböckelnden Belustigungen zum Trotz – Gregor wollte bloß noch nach Hause! Die Sorte Krankenschwester gibt’s gar nicht – jedenfalls nicht mehr! – die dieses Verlangen auch nur minimal hätte abschwächen können.

      Damit einher ging überdies eine höchst seltsame, in mehr als nur gelegentlicher Larmoyanz gipfelnde Sensibilisierung. Losplärren hätte er mitunter mögen – tat’s natürlich nicht! – wenn sich die unsägliche Gleichgültigkeit dieser modernen Karbolmäuse alsbald untrüglich hinter deren besch......eiden gemimter Freundlichkeit offenbarte.

      Einzig mit dem Drei-Zentner-Mann Alfred tauschte er sich noch in gewohnt umgänglicher Manier aus – und zuzeiten auch mit dem Stationsarzt, welcher ihm nun ganz eindeutig von einem anderen Schlag zu sein schien. Auffallend häufig, und meist grundlos, schaute der bei ihnen herein – auf ein Schwätzchen und einen mitgebrachten Becher Kaffee. Stets beließ er es bei sachfremdem Smalltalk und verzichtete sogar auf das ansonsten so beflissentliche Verbergen der Tätowierungen auf seinen Unterarmen.

      „Ach, da fällt mir ein“, hatte Gregor aber doch irgendwann von sich aus einen zuständlichen Aspekt bemüht, „nimmt das auch mal wieder ein Ende mit meiner schwarzen Ka..., dem dunklen Stuhl, mein ich natürlich?“

      „Was??? Da müssen wir aber gleich ....!!!“, war der neugewonnene Akademikerkumpel noch diensteifrig davon- und binnen einer Minute wieder zurückgeflitzt mit einem Testbriefchen und den hoch notwendigen Erklärungen zu dessen fachgerechter Handhabung.

      Am selben noch und dem folgenden Tag hatte Gregor dann in gebotener Eile die drei runden Vertiefungen im Inneren der Fäkalien-Transportpappe fachmännisch mit jeweils frisch Ausgeschiedenem verspachtelt und diese umgehend der nächstbesten Schwester in die Hand gedrückt.

      „Freischicht – krank – tot! .... weiß jetzt gar nicht!“, wollte ihn die hurtige Obere eben fix, aber erfolglos abspeisen, wie er sie nach dem Doc fragte.

      Gefühlte drei Kaffeekränzchen war der bereits überfällig.

      „Halt, halt, halt! Ich wollte den doch ...., ich muss doch schließlich wissen, was bei meinem Test herausgekommen ist!“

      „Was für’n Test?”, hielt sie entnervt inne.

      „Den ...., wegen meiner schwarzen Schei.., äh, des dunklen Stuhlgangs wegen!“

      Nach einer Realisierungsphase im Zehntel-Sekunden-Bereich wetzte sie fluchtartig dem akustischen Off entgegen.

      „Ich glaub, ich spinn! Der hat sie doch nicht ....!

      Stumm tauschten Gregor und Alfred unverständige Blicke aus – wohl wissend zwar, in allerfrühester Bälde dem nächsten medizinalen Bock, dessen wortgewaltiger Entlarvung vielmehr, leibhaftig beiwohnen zu dürfen. Kaum dass es sich also lohnen dürfte, einen Satz zu beginnen, der dann doch .....

      „Hier, mein Herr!“

      Im geringsten denkbaren Abstand zueinander trafen Stimme und Frau wieder ein.

      „Kennen sie die? Nehmen sie die nicht jeden Tag ....? Gut, mit der einen Ausnahme! – Ja oder ja??? – Das sind nämlich Eisentabletten! Die verursachen ihren dunklen Stuhl!! Verstanden!!!

      Das legendäre "HB"-Männchen war sicherlich ein erzgeduldiges Geschöpf gegen den hochrot erblühten Stationsdragoner, der sich ihnen in dem Augenblick offenbarte.