hat man einen geschulten Blick für die Sorgen des Menschens. Deswegen bringen mir meine Kunden auch so großes Vertrauen entgegen.“
Vater: „Wir bräuchten zunächst einmal zwei Hosen. Was Robustes. Für die Schule.“
Herr Baumgartner: „Da empfehle ich ihnen Cordhosen. Die sind pflegeleicht und für die Übergangszeit auch nicht zu luftig.“
Karl: „Ich mag eine 'Levis'-Jean. Eine 501er.“
Herr Baumgartner: „Nein. Bitte! Da würde ich dringend davon abraten. Das passt überhaupt nicht zu Dir.“ Und zu den Eltern: „Das dürfen’S ihm bitte nicht kaufen, wie schaut er dann aus? Das war ursprünglich die Montur von Strafgefangenen und abenteuerlichen Hungerleidern. Und dann tragen’s heut’ auch noch Hemden aus so einem Stoff! Sehr gewöhnlich! Ich sag Ihnen: letzte Woche gehe ich durch unser'n Park, sitzen da auf den Bänken lauter Jugendliche, alle in so Jeansfetzen, auch die Mädeln mit so Jeanshemden, und ich sage ihnen – die haben drunter nichts angehabt.“
Die letzten Worte flüsterte Herr Baumgartner mit vorgehaltener Hand und empörtem Timbre.
Mutter: „Nein, nein Karli – das is' nix für Dich.“
Karl: „Aber bitte, ich hätt' das so gern!“
Herr Baumgartner: „Nein, bitte nicht! Außerdem führen wir so etwas gar nicht. Wir sind ein exklusiver Ausstatter!“
Und so wurde Karl mit einer dunkelbraunen und einer olivgrünen Cordhose beglückt. Statt der Levis-Jeanshemden gab es zwei kleinkarierte Stücke von 'Gloriette' und einen kratzigen, weinroten Rollkragenpullover.
Auch bei der Wahl der Schuhe musste Karl klein beigeben. Statt der heiß ersehnten Spitzen-Stiefeletten mit Western-Absatz, bekam er charakterlose bordeauxrote Slipper.
Auf Anraten Herrn Baumgartners – „Ich handle jetzt bitte ganz gegen meine Interessen“ – wurden die Slipper um zwei Nummern zu groß gekauft. „Bedenken Sie, das schnelle Wachstum in diesem Alter, da müssen Sie in zwei Monaten wieder neue Schuh’ kaufen, weil die Zehen vorn anstoßen und das tut weh!“
Karls Eltern waren Herrn Baumgartner dafür sehr dankbar.
Karl weniger: wenn er sich in der neuen Montur mit den viel zu großen Schuhen im Spiegel erblickte, sah er einen traurigen, kleinwüchsigen Clown mit dem tollpatschigen Gang eines autoaggressiven Erpels.
„Eine gute Wahl! Ich beglückwünsche Sie zu ihrem Kauf!“ sagte Herr Baumgartner beim Abschied. „Beehren Sie uns bald wieder; wir können alle Ihre Wünsche befriedigen. Wir sind ein exklusiver Ausstatter!“
„Da schauen‘S, da hab ich was zum Desinfiszieren. Und ich hab‘ auch gleich Pflaster mitgebracht. Damit´S nicht alles blutig machen. Wir woll´n da keinen Dreck.“ Die Schuhverkäuferin stand mit pflichtbewusstem Gesichtsausdruck vor ihm.
„Was sein muss, muss sein!“ Sie tränkte ein sauberes Stofftaschentuch mit dem Desinfektionsmittel und tupfte damit Karls Wunden ab.
Ihre harschen Berührungen schmerzten und das Desinfektionsmittel brannte fürchterlich. Karl zuckte zurück.
Zurechtweisend meinte sie: „Soll ich jetzt helfen oder nicht? Mir scheint, Sie sind ein bissl verweichlicht. Seins nicht so wehleidig!“ Dann applizierte sie stringent die Pflaster über die wehen Stellen.
„Die Männer sind ja alle wehleidig. Mein Partner zum Beispiel: wenn ich dem sag´ dass er´s G´schirr abwaschen soll, dann fangt der immer zum Jammern an: ´Das Wasser is so heiß, ich verbrenn´ mir die Finger!´ Aber das Wasser muss heiß sein, sonst wird ja das G´schirr nicht sauber. Na da kenn ich nix! Und wenn er mir seine Brandblasen zeigt, dann fall ich drauf nicht herein: des is doch nur psychasomatisch. Jammern, das könnens, die Mannsbilder. Mir scheint, Sie sind auch so einer. Na pfoh, wenn Sie mein Partner wär´n, dann tätens ordentlich drankommen. Sie tät ich mir schon z´rechtbiegen. Da muss ma gelegentlich hart durchgreifen. Haben Sie Kinder?“
Karl, der während ihres Monologes verkrampft genickt hatte, sagte: „Ääh, nein.“
„Na, da wird’s aber bald Zeit. Wer soll denn einmal unsere Pensionen zahlen? Im Leben muss ma Verantwortung übernehmen. Obwohl mit den Kindern dürfen’s nicht so wild umgehen wie mit ihren Zehen. Sagen‘S, wo haben’S denn den andern Schuh lassen? Warn´S zu faul ihn anzuzieh´n? Typisch Mann! Schämen Sie sich eigentlich gar net? Wie Sie ausschau´n! Pfui Teufel! Na, mich geht’s ja nix an. Ich geb´Ihnen jetzt Sandalen, was anderes kommt nicht in Frage. Weil wissen’S eh, wenn die Zehen anschwellen und vorne anstoßen, das is' gar nicht gut.
Wir haben da ein super Angebot. Schauen‘S, Trecking-Sandalen. Für nur 19€99! Die sind echt super! Da, ich geb’S Ihnen lieber zwei Nummern größer, damit die Zehen sicher nicht vorschauen. Na, passen sie? Gehen‘S ein paar Schritte! Na gehn´S schon! Ja, passt! Die nehmen´S. Die kosten sonst dreimal so viel. Die führen nur wir. Wir sind ein exklusives Schuhgeschäft. Und weil Sie einer unserer ersten Kunden sind, gibt’s auch ein Paar Socken gratis dazu. Ihre alten können wir dann gleich wegschmeißen. Ich hab eh gleich gesehen, dass die von unterschiedlichen Paaren sind. Na Sie bräucherten echt eine Frau die auf Sie schaut....Und für ihren einzelnen Schuh geb’ ich ihnen eine gratis Mehrwegtasche aus biologischer Jute. Unds beehren Sie uns bald wieder; wir sind ein exklusives Schugeschäft.“
´Warum bleibt eigentlich immer alles gleich?´dachte Karl, als er nun in großkarierten Socken und um zwei Nummern zu großen Trecking-Sandalen, entengleich watschelnd die neueröffnete Filiale des Schuhdiskonters verließ.
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