Katie Volckx

Durchgeknallte Weihnachten


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hier. Ich wurde vor ... vor ...«, ich blickte auf die Kaminuhr, die in unserem Fall auf einem Sideboard stand, um mir darüber klar zu werden, wie lang ich in dieser Kammer wirklich festgesessen hatte, »vor fünfzig Minuten in meinem Haus überfallen. – Ja, überfallen. – Nein, ich bin noch nicht dazu gekommen, zu überprüfen, was fehlt. – Das wäre nett, ja!« Ich gab meine Adresse durch und legte auf.

      Schnurstracks eilte ich ins Obergeschoss, um nach dem wertvollen Schmuck und dem Bargeld unter der Matratze (Ja, ja, ich weiß, sehr originell!) zu sehen.

      Matz heftete sich an meine Fersen. »Leonie, was heißt hier überfallen? Rede mit mir, verdammt!«

      »Was gibt es an ›Ich wurde überfallen‹ nicht zu verstehen?« Ich hielt abrupt an, wandte mich ihm zu und schaute ihn finster an.

      Er fiel beinahe über mich drüber. »Die Worte kapiere ich sehr wohl, aber nicht dein Verhalten.«

      Mein Blick ruhte auf seinen Lippen, weil ich mir seine Äußerung erst einmal durch den Kopf gehen lassen musste. »Ich weiß nicht, was du meinst«, schaltete ich auf stur und setzte meinen Gang ins Schlafzimmer fort.

      Matz hätte es nicht verstanden, wenn ich heulend in seinen Armen zusammengebrochen wäre. Er war nicht der Typ, der in solchen Momenten Trost zu spenden wusste. Stattdessen hätte er nur zaghaft, nein, gar ablehnend meinen Kopf getätschelt, als wäre ich von einem Magen-Darm-Virus befallen. So musste ich viele Dinge mit mir selbst oder mit meiner besten Freundin Paulina ausmachen. Und das war der Grund, aus dem ich vor ihm die Coole markierte.

      Stracks steuerte ich meine Schmuckschatulle an und kramte lautstark darin herum. Aber ich konnte beim besten Willen nicht erkennen, dass der Einbrecher irgendein Schmuckstück entwendet hatte. Als ich an dieser Stelle nicht weiterkam, sauste ich zur Matratze, hievte sie mit aller Kraft nach oben und schnappte mir den kleinen weißen Briefumschlag. Ich brauchte nicht nachrechnen, ob der Betrag noch komplett war, denn welcher Einbrecher würde sich nur ein oder zwei Scheine herausnehmen und den Rest des Geldes fein säuberlich an Ort und Stelle zurücklegen?

      »Wo hast du das ganze Geld her?«

      Da kam mir in den Sinn, dass ich Matz gar nichts von meinem Sparstrumpf erzählt hatte. Das war eine recht verzwickte Situation, in die ich nun geraten war.

      »Sag schon.«

      »Dein Timing ist wie immer beschissen«, machte ich ihn darauf aufmerksam, dass in wenigen Augenblicken die Polizei auf der Matte stehen würde und für Diskussionen wie diese nun wirklich nicht der richtige Zeitpunkt war.

      Ich stopfte mir den Umschlag in den Hosenbund und lief wieder ins Untergeschoss. Jetzt, da er davon wusste, war Vorsicht geboten. Denn Matz war groß im Geldausgeben, doch nicht im Herbeischaffen. Und dieser Sparstrumpf sollte mich gewissermaßen absichern.

      »Ich habe das Recht zu erfahren, wo du das Geld her hast, Leonie.« Er hielt mich am Arm fest.

      Das mochte ich so gar nicht. »Nimm deine Hand weg!« Meine Stimme und mein Blick waren messerscharf. »Wie kommst du darauf, dass das Geld irgendetwas mit dir zu tun hat? Es ist meins.«

      »Wir sind seit zwei Jahren ein Paar. Natürlich geht es mich etwas an, wenn du Geld vor mir versteckst.«

      »Ich verstecke Geld vor dir?« Ich lachte gellend auf, konnte mich kaum halten. »Matz, das nennt man sparen.«

      Er zischelte durch die Zähne. »Wofür?«

      Einfallslos zuckte ich mit den Schultern. »Vielleicht für schlechte Zeiten?«

      »Schlechte Zeiten? Was für schlechte Zeiten? Hast du vor, dich von mir zu trennen?«

      Ich dachte: Ausgezeichnete Idee, sagte stattdessen: »Ich rede nicht von uns, sondern davon, falls die Waschmaschine kaputtgeht oder wir einen Wasserrohrbruch haben oder so.«

      Matz' Blick war starr vor Entsetzen. »Was für ein Wasserrohrbruch?«

      »Falls!«, schrie ich ihn an. Ich wusste, dass es nichts brachte, wenn ich laut wurde, schließlich lag es ja nicht an seinen Ohren, dass er mich nicht verstand.

      »Das erklärt trotzdem nicht, wieso du mir das verschwiegen hast.« Bockig wie ein siebenjähriger Schuljunge verschränkte er die Arme vor der Brust und schürzte die Lippen. Er erweckte in mir den Instinkt, ihn mir übers Knie legen und ihm den Hintern versohlen zu wollen.

      Seufzend ließ ich mich auf dem Sofa fallen. »Weil du nicht sparen kannst.« Erschlagen legte ich den Kopf zurück auf die Lehne und rieb mir die Wangen.

      »Das stimmt doch gar nicht!«

      Ich schwor mir, dieses unreife Teufelskreis-Spiel jetzt nicht mitzuspielen: 'türlich! Gar nicht! Doch! Nein! Doch! Neiiin! Dooohoooch! Du spinnst! Ich spinne nicht! Klar, spinnst du! Gar nicht! Doch! Nein! Doch! Neiiin! Dooohoooch! Dafür war ich einfach zu müde. Nicht müde wie müde. Müde wie: ich war zu alt dafür und hatte es satt.

      »Vergiss es!«, resignierte ich also.

      »Nein, du hast Geheimnisse vor mir.«

      Wer hier wohl Geheimnisse hat! Aber auch das Spiel war ich leid. »Lass es gut sein, Matz«, klang ich erschöpft. »Lass es doch einmal gut sein, ja?«

      »Und können Sie Angaben zu äußeren Merkmalen machen?«, fragte Klein, ein recht großer, wohlernährter, verschlafener Polizeibeamter um die sechzig, nachdem ich ihn und seinen Kollegen in der Küche herumgeführt und den genauen Tathergang beschrieben hatte. Nun rutschten irgendwelche Leute über den mediterranen Fliesenboden, um eventuelle Schuhabdrücke oder andere verwertbare Spuren zu sichern, und verteilten an verschiedenen Stellen dieses schwarze Pulver, um nach verdächtigen Fingerabdrücken zu suchen.

      Der Polizeibeamte und ich saßen im Wohnzimmer an meinem runden Esstisch. »Na ja ... hm ... er war groß, hatte eine schlanke Figur, einen weißen Vollbart und rote Klamotten an.«

      Klein räusperte sich. Sein Partner, der sich nur einige Schritte von uns entfernt aufhielt und meinen werten Lebensgefährten befragte, konnte sich ein Schmunzeln nicht verkneifen.

      »Hören Sie, ich wurde gerade mit einer Waffe bedroht und ausgeraubt. Was ist daran witzig?«

      »Frau Pfeiffer, darüber sind wir uns durchaus bewusst, aber Sie beschreiben uns praktisch einen Weihnachtsmann. Das hilft uns insbesondere zur Weihnachtszeit nicht gerade weiter.«

      »Er war schlank!«, wies ich ausdrücklich darauf hin, dass das schon ein bisschen ungewöhnlich war.

      »Das grenzt die Suche natürlich erheblich ein!«, erwiderte er mit gespielter Ernsthaftigkeit. Dann entschuldigte er sich. »Wissen Sie, dieses Merkmal ist eben nicht gerade sehr charakteristisch.«

      Wo er recht hatte, hatte er recht. Doch ich hatte nun mal nicht mehr sehen können. »Na schön!«

      »Na schön – was?«

      »Dann kann ich wohl keine Angaben zu seinem Erscheinungsbild machen.«

      »Okay, und was wurde Ihnen gestohlen?« Er kritzelte das Wort Diebesgut mit Doppelpunkt dahinter auf seinen Notizblock.

      »Nun, na ja ...«, räusperte ich mich, denn es war mir etwas peinlich, »die Wertgegenstände sind alle noch da.«

      Verwundert zog Klein die Augenbrauen hoch. »Wie? Bitte?« Er blinzelte unkontrolliert. »Sie haben doch gerade gesagt, dass Sie bedroht und ausgeraubt wurden, nicht wahr?«

      »Hab ich das?« Ja, das hatte ich, noch vor fünf Sekunden.

      »Sie wurden also nicht ausgeraubt?«

      »Allem Anschein nach nicht.« Verlegen wich ich Kleins Blick aus. Dabei fiel mir das Wandregal mit den Familien- und Freundschaftsbildern in den bunten Rahmen ins Auge, das über dem Sofa hing, auf dem Matz gerade mit reibenden Händen (ein für ihn typisches Merkmal dafür, dass er überaus nervös war) saß. Ich kniff meine Augen zusammen, um diesen Bereich scharf zu stellen. Nicht nur, dass einige Bilder auffallend verschoben waren, eines fehlte sogar.

      »Ist